Essen. Im Start-up Monitor 2019 macht die Rhein-Ruhr-Region erneut Boden gut. Warum das Gründerklima vor allem im Ruhrgebiet wieder besser wird.
Das Ruhrgebiet und das Rheinland machen Fortschritte auf dem Weg zu einer echten Gründer-Hochburg: Der Deutsche Start-up Monitor 2019 verzeichnet in der Rhein-Ruhr-Region im Vergleich mit den anderen Hochburgen die größte Dynamik. Demnach haben sich in den Jahren 2018/19 mehr als 14 Prozent der deutschen Start-ups in der Metropolregion Rhein-Ruhr gegründet – das ist ein Plus von drei Prozentpunkten. Berlin bleibt die Start-up-Hauptstadt, stagniert aber bei 16 Prozent. Je sieben Prozent der Gründungen fanden in Hamburg, Stuttgart und München statt, die Hotspots im Süden gewannen je einen Prozentpunkt hinzu.
Der Start-up-Monitor wird jährlich erstellt vom Bundesverband Deutsche Start-ups, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC und der Universität Duisburg-Essen. Mitautor Tobias Kollmann, Professor für E-Business an der Uni Duisburg-Essen, sieht im Umfeld für Gründungen „eine gute Entwicklung in NRW“, die von der schwarz-gelben Landesregierung und ihrer rot-grünen Vorgängern angeschoben worden sei. Entsprechend jubelt Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP): „Nordrhein-Westfalen ist der beliebteste Standort für Gründer und baut seine Spitzenposition weiter aus. Auch die Metropolregion Rhein-Ruhr holt auf und kommt Berlin immer näher, während Rivalen wie München, Hamburg oder Stuttgart zurückfallen.“
„Auf dem Weg zur Start-up-Hochburg“
Studienautor Kollmann betont gleichwohl, der Start-up-Monitor lasse keinen Schluss auf absolute Gründerzahlen zu. Die waren in den vergangenen Jahren tatsächlich rückläufig, zuletzt wagte nur noch einer von 100 erwerbsfähigen Bürgern den Sprung in die Selbstständigkeit. Obwohl sich diesmal fast 2000 Start-ups an der größten Umfrage dieser Art beteiligten, sei das für die regionale Verteilung nicht repräsentativ, so Kollmann. Die positive Tendenz der Rhein-Ruhr-Region spiegele aber seine Beobachtungen wider, sie sei „absolut auf dem Weg zur Startup-Hochburg“, sagte er unserer Redaktion. NRW werde inzwischen als Gründerland wahrgenommen, zum Hotspot entwickle sich vor allem „der Raum zwischen Duisburg und Dortmund“.
Die Universitäten im Ruhrgebiet mit ihrem Fokus etwa auf Wirtschaftsinformatik und Informatik böten gute Voraussetzungen für digitale Start-ups. Hinzu komme die Dichte an Konzernen, die zunehmend an den Ideen der Gründer interessiert seien. „Die einen haben digitale Innovationen, die anderen noch immer den Markt. Das passt im Ruhrgebiet gut zusammen“, sagt Kollmann.
Sehr valide und wertvoll seien die insgesamt sehr optimistischen Aussagen der Jungunternehmer. Demnach ist der typische deutsche Gründer 35 Jahre jung, hat einen Hochschulabschluss (82 Prozent), setzt auf die Digitalwirtschaft (62 Prozent) und wählt die Grünen (44 Prozent). Er beschäftigt im Schnitt 13 Mitarbeiter und will in den kommenden 12 Monaten acht weitere einstellen. Bundesweit sind sechs von zehn Gründern zufrieden mit den Standortbedingungen, das gilt auch für die Start-ups in der Metropolregion Rhein-Ruhr, die sogar etwas zufriedener sind als im Bundesschnitt.
Gründerstipendium wird gut angenommen
Das klang im Gründungsreport der Industrie- und Handelskammern (IHK) in NRW noch ganz anders: Er verzeichnete eine klare Verschlechterung des „Gründungsklimas“. 2018 waren demnach nur 39 Prozent der Start-ups mit den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Land zufrieden, im Vorjahr waren es noch knapp die Hälfte der Befragten. Allerdings schlugen die jüngsten Initiativen der Landesregierung da noch nicht zu Buche. Inzwischen hat NRW das Gründerstipendium ins Leben gerufen, hilft damit Start-ups mit 100 Euro monatlich im ersten Jahr, vor allem aber mit Coaches und dem Zugang zu Netzwerken.
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Bei inzwischen 1220 Förderempfehlungen für Jungunternehmer dürfte das Gründerstipendium für eine Stimmungsaufhellung gesorgt haben. Das bestätigt Eugenia Dottai, Start-up-Expertin der IHK Ruhr für Essen, Mülheim und Oberhausen: „Das Gründerstipendium wird sehr gut angenommen“, sagt sie. Die IHK prüft vorab, ob die Ideen marktfähig sind. Es habe sich viel getan in der Region, „das Ruhrgebiet gewinnt deutlich an Strahlkraft“, findet Dottai.
Es fehlt Wagniskapital, um groß zu werden
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Was fehle, sei ausreichend Wagniskapital insbesondere für die Wachstumsphase nach einer erfolgreichen Gründung. Daran seien aber nicht allein die potenziellen Kapitalgeber schuld, sondern auch die Gründer selbst. „Sie treten hier noch nicht so selbstbewusst auf wie Start-ups in Berlin. Das müssten sie aber, um Geldgeber zu überzeugen“, rät die IHK-Expertin. Digital-Ökonom Kollmann pflichtet bei, das Wagniskapital gehe nach wie vor gern nach Berlin, mache aber allzu oft noch einen Bogen um NRW. Gerade diese Wachstumsfinanzierung bräuchten hiesige Start-ups aber, wenn sie sich zu echten Schwergewichten oder gar Weltmarktführern entwickeln wollten.