Essen. Die Landwirte protestieren gegen die Regierungspläne, von der Gülleverordnung bis zum Glyphosat-Verbot. Die Pläne und die Kritik daran im Detail.

Die Bauern auf dem Baum, sie fühlen sich überfordert durch neue Auflagen der Bundesregierung. Es geht bei den Protesten weniger um einzelne strittige Themen, sondern um die Ballung neuer Vorschriften, welche die Kosten nach oben treiben. Die Landwirte sehen sich mit der neuen Gülleverordnung sowie dem Agrarpaket mit verschärften Auflagen in der Tierhaltung, Einschränkungen beim Pflanzenschutz und der Umschichtung von EU-Geldern insgesamt überfordert. Hier die Pläne, was die Politik mit ihnen erreichen will und warum die Bauern sie ablehnen, im Detail:

Gülleverordnung:

Ab kommendem Jahr sollen Ackerbauern in vielen Gebieten deutlich weniger Gülle auf die Felder spritzen dürfen. Die Bundesregierung will dazu eine neue Verordnung bis Mai durch den Bundesrat bringen. Sie sieht sich dazu gezwungen, weil der Europäische Gerichtshof Deutschland 2018 verklagt und aufgefordert hat, mehr zum Schutz des Grundwassers vor Nitrateinträgen aus der Landwirtschaft zu unternehmen. In diesem Sommer aus Berlin vorgeschlagene Nachbesserungen hält die EU-Kommission für unzureichend.

Auch interessant

In bereits stark mit Nitrat belasteten Gebieten soll die Herbstdüngung bei Winterraps-Wintergerste und Zwischenfrüchten verboten werden. Diese Übergangspflanzen werden gleichzeitig Pflicht auf Feldern, die erst im Frühjahr mit Sommerkulturen bestellt werden, damit der Boden über Winter bedeckt ist. Der Düngebedarf soll in den besonders belasteten Gebieten pauschal um ein Fünftel gesenkt werden. Die Landwirte sollen für alle Flächen – also auch jene mit geringen Nitratbelastungen – dokumentieren, wie viel sie düngen und dürfen den Bedarf nicht überschreiten. Die bisherige die Obergrenze von 170 kg Stickstoff je Hektar soll zudem künftig für jede einzelne Fläche und nicht mehr als reiner Durchschnittswert für alle Felder gelten.

Bauern und Bäuerinnen demonstrieren mit Transparenten in Bonn.
Bauern und Bäuerinnen demonstrieren mit Transparenten in Bonn. © dpa | Oliver Berg

Weil die aktuelle Gülleverordnung erst zwei Jahre alt ist, beklagen die Landwirte, sich im Jahrestakt umstellen zu müssen. Zudem befürchten sie durch die Pläne eine Unterdüngung ihrer Felder in den kritischen Gebieten sowie mehr Bürokratie für alle Ackerbauern. Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband sieht gar 30 Prozent der Betriebe allein durch die neue Gülleverordnung in ihrer Existenz gefährdet.

Glyphosatverbot/Insektenschutz

In ihrem Agrarpaket spielt die Beschränkung von Pflanzenschutzmitteln zum Schutz der Artenvielfalt insbesondere von Insekten eine Hauptrolle. Die Bundesregierung will den Einsatz des umstrittenen Mittels Glyphosat bis Ende 2023 verbieten und bereits ab 2020 deutlich einschränken, etwa durch ein Verbot der Anwendung vor der Ernte. Glyphosat tötet Unkraut und so ziemlich alle anderen Pflanzen ab, mit Ausnahme des ebenfalls von der Bayer-Tochter Monsanto entwickelten Saatguts. Die Zulassung neuer Pflanzenschutzmittel soll erschwert werden. Landwirte sollen auch dazu verpflichtet werden, Rückzugsflächen für Insekten am Rand ihrer Äcker zu schaffen.

Die Landwirtschaftsverbände sehen das Glyphosat-Verbot als unsachliche Symbolpolitik an und berufen sich auf die Unbedenklichkeits-Studien von Bayer. Auch gebe es für den konventionellen Getreideanbau noch keine gleichwertigen Alternativen zu Glyphosat, heißt es. Müsse man etwa die Felder wieder pflügen, was kaum noch ein Landwirt mache, führe das wieder zu größeren Erosionen in den Böden. Die größte Sorge sind sinkende Erträge, die von den Bauern ganz allein kompensiert werden müssten. Denn die Getreidepreise werden auf dem Weltmarkt gemacht.

Tierschutz-Auflagen

Zum Agrarpaket gehört auch das neue Tierwohl-Kennzeichen. Es soll Verbraucher im Supermarkt leichter erkennen lassen, unter welchen Bedingungen Nutztiere gehalten worden waren. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) plant ein dreistufiges Label, dessen unterste Stufe bereits höhere Mindeststandards setzen soll als die bisherigen Gesetze. Auch soll es regelmäßige Kontrollen und Sanktionen bis hin zu Haftstrafen bei Verstößen geben. Zunächst sollen höhere Standards nur für die Schweinemast gelten. Dazu gehören je nach Stufe vor allem mehr Platz für die Tiere, Spielzeug, der Verzicht auf das Kupieren der Schwänze, eine Betäubung vor der Ferkelkastration und vieles mehr.

Ferkel sollen künftig nicht mehr kupiert und vor der Kastration betäubt werden.
Ferkel sollen künftig nicht mehr kupiert und vor der Kastration betäubt werden. © dpa | Jens Büttner

Die Schweinemäster sind nicht grundsätzlich gegen die Maßnahmen, fühlen sich mit den Kosten aber allein gelassen. In NRW hat sich die Zahl der Schweinezüchter in diesem Jahrzehnt bereits fast halbiert, aktuell gibt es noch knapp 1900 Mastbetriebe mit rund sieben Millionen Schweinen. Allein im Jahr 2018 stiegen 120 Ferkelerzeuger aus. „Es kommt zu viel zusammen: Düngeverordnung, Schwänze kupieren, Kastration unter Betäubung“, sagte Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer NRW unserer Redaktion. „Jedes Thema für sich ist ja durchaus gerechtfertigt, aber viele Betriebe sind mit den Kosten überfordert.“

Umverteilung der EU-Gelder

Einer der strittigsten Punkte des Agrarpakets ging bisher in der öffentlichen Debatte fast unter, weil es für Außenstehende schwer greifbar ist. Grob formuliert soll aus der EU-Agrarförderung weniger Geld direkt an die Höfe fließen und dafür mehr in Naturschutzmaßnahmen durch die Bauern. Bisher wurden so 4,5 Prozent der Gelder abgezweigt, ab 2020 sollen es sechs Prozent sein. Damit stünden 75 Millionen Euro mehr für den Umweltschutz bereit, betonte Agrarministerin Klöckner. Und wenn Landwirte diese Mittel nutzten, könnten 90 Prozent der umgelenkten Gelder wieder zu ihnen zurückfließen.

Bauernpräsident Joachim Rukwied nennt die Neuverteilung der EU-Subventionen für Landwirte „toxisch“. Dies sei eine „agrarpolitische Fehlentscheidung“, welche die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte deutlich schwäche. Besonders kleinere Familienbetriebe seien mit der Fülle neuer Belastungen überfordert, der Bauernverband befürchtet ein neues Höfesterben.