Essen. Wirtschaft und Ökonomen reagieren skeptisch auf die Regierungspläne. Eon-Chef Teyssen nennt sie mutlos, Evonik befürchtet höhere Kosten.

Ein paar Schritte in die richtige Richtung, aber kein großer Wurf – so in etwa lauten die meisten Reaktionen aus Wirtschaft und Wissenschaft auf das Klimapaket der Bundesregierung. Dass künftig auch an der Tankstelle und im Heizungskeller der Ausstoß des Treibhausgases CO2 Geld kostet, stößt in der Strombranche und der Schwerindustrie auf Zustimmung. Sie müssen schon lange Verschmutzungsrechte für den Ausstoß von CO2 kaufen. „Die Klimaschutzziele sind nur zu erreichen, wenn alle Sektoren einen angemessenen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen leisten“, betonte etwa der Stahlkonzern Thyssenkrupp. Die Wohnungswirtschaft reagierte trotzdem recht milde, weil sie Schlimmeres befürchtet hatte, etwa ein früheres Verbot von Ölheizungen

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„Die heute im Klimakabinett beschlossenen Eckpunkte gehen in die richtige Richtung, sind aber nicht mutig und konsequent genug“, sagte Eon-Chef Johannes Teyssen unserer Redaktion. Es sei zwar gut, dass CO2 nun auch in den Bereichen Verkehr und Wärme einen Preis bekommen solle – aber Beträge unter 35 Euro führten zu keiner echten Lenkungswirkung. Teyssen kritisiert: „Damit gehen bis 2025 wertvolle Jahre für den Klimaschutz verloren.“ Die Regierung plant einen Festpreis von zehn Euro je Tonne Diesel, Benzin oder Heizöl ab 2021, der bis 2025 auf 35 Euro steigen soll. Zum Start würde das an der Tankstelle den Sprit um etwa drei Cent je Liter verteuern, ab 2025 um knapp zehn Cent.

Teyssen: Diese Trippelschritte helfen nicht weiter

Im Gegenzug soll Strom günstiger werden, etwa durch eine Senkung der Ökostrom-Umlage. 2021 soll sie zunächst um 0,25 Cent je Kilowattstunde sinken, 2022 um einen halben Cent. Eon-Chef Teyssen, dessen Unternehmen sich künftig allein auf die Lieferung und den Vertrieb von Strom konzentrieren wird, nennt die geplante Entlastung für die Stromkunden „viel zu zaghaft“, das seien „Trippelschritte“, die angesichts der enormen Herausforderungen nicht weiter helfen. „Sauberer Strom muss schnell deutlich billiger werden, damit sich grün erzeugte Energie in allen Sektoren besser durchsetzen kann. Dazu gehört die Senkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz und die vollständige Abschaffung der EEG-Umlage“, fordert Teyssen.

Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI Leibniz-Instituts, hält das Klimapaket nicht für ausreichend.
Christoph M. Schmidt, Präsident des RWI Leibniz-Instituts, hält das Klimapaket nicht für ausreichend. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Dass die GroKo viele Einzelmaßnahmen beschlossen hat, die von Ökonomen und Klimaforschern geforderte einheitliche Bepreisung von CO2 aber nicht wagt, lässt derweil die meisten bezweifeln, dass mit diesem Paket die Klimaziele erreicht werden können. Christoph M. Schmidt, Chef des Essener RWI Leibniz-Instituts und der Wirtschaftsweisen, konstatiert zwar „ernsthaftes Bemühen“ der Regierung, sagt aber: „Der angekündigte große Wurf ist das Paket nicht.“ Denn der messe sich nicht an der Fülle der Einzelmaßnahmen, sondern daran, ob das Paket dafür sorge, die zugesagte Emissionsminderung bis 2030 „wirksam und kosteneffizient“ zu erreichen. „Hier ist leider Skepsis angebracht“, urteilt der Chef des Sachverständigenrats der Bundesregierung. Dafür brauche es einen „hinreichend ambitionierten CO2-Preis“.

Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel hält die „die große Anzahl von Initiativen“ für „schlecht abgestimmt“ und deshalb für „ineffektiv und teuer“, sagte IfW-Präsident Gabriel Felbermayr. Die Koalition habe „einen sehr defensiven und mutlosen Plan ausgearbeitet“.

Haus & Grund begrüßt Heizungs-Zuschüsse

Ölheizungen sollen ausgetauscht werden und ab 2026 gar nicht mehr eingebaut werden.
Ölheizungen sollen ausgetauscht werden und ab 2026 gar nicht mehr eingebaut werden. © André Hirtz / Funke Foto Services

Die Wohnungswirtschaft hatte härtere Vorgaben etwa für den Austausch alter Ölheizungen befürchtet. Die Regierung will den Einbau neuer Ölheizungen ab 2026 verbieten und den Austausch alter gegen klimafreundliche Alternativen großzügig fördern – mit bis zu 40 Prozent der Kosten. Das findet der Eigentümerverband Haus & Grund Ruhr gut: „Durch die CO2-Bepreisung wird Einsparung belohnt. Davon profitieren private Eigentümer von Immobilien. Nutzer von Ölheizungen können ihre Altanlagen weiterbetreiben. Das gibt ihnen eine Planungsperspektive“, sagt Geschäftsführer Werner Weskamp.

Vonovia-Chef Rolf Buch hatte unlängst angekündigt, die energetische Gebäudesanierung zurückzufahren, weil die Mieter die dann steigenden Kosten nicht akzeptierten. Am Freitag betonte der Bochumer Wohnungsriese, die energetische Sanierung bleibe weiter „ein wichtiger Teil unserer Strategie“. Aber „neben der unmittelbaren Wirkung für den Klimaschutz müssen die Maßnahmen auch sozial ausgeglichen sein“, forderte der Dax-Konzern.

Steag nennt Einbeziehung von Verkehr überfällig

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Der Essener Stromerzeuger Steag nennt die Einführung einer CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Gebäude „überfällig“. Beide seien „maßgeblich dafür verantwortlich, dass Deutschland seine Klimaschutzziele bis 2020 nicht erfüllt - während die Energiewirtschaft liefert“. So habe die Steag ihre CO2-Emissionen von 1990 bis 2018 um 75 Prozent reduziert. Das Bekenntnis zur Kraft-Wärme-Kopplung begrüßt die Steag als einer der größten Fernwärmeproduzenten Deutschlands.

Der Düsseldorfer Kraftwerksbetreiber Uniper fordert eine europäische Klimapolitik auch in den Bereichen Wärme und Verkehr statt des nun beschlossenen nationalen Alleingangs. „Noch herrschen in den wichtigsten Wettbewerbsländern Deutschlands und der EU ungleiche Wettbewerbsbedingungen. Diese sollten möglichst rasch angeglichen werden – vor allem um negative Auswirkungen auf die im internationalen Wettbewerb stehende Industrie im EU-Emissionshandel zu begrenzen“, erklärte Uniper.

Evonik sorgt sich um Kostensteigerungen

Der Essener Chemiekonzern Evonik reagierte sorgenvoll auf die Eckpunkte. „Wir gehen davon aus, dass sie unter dem Strich eine deutliche Kostenbelastung für unsere Industrie mit sich bringen werden.“ So zeichne sich beim Bezug von eigentlich umweltschonendem Erdgas und in der Logistik eine Verteuerung ab. Umso wichtiger sei es, gleichzeitig Entlastungen zu schaffen, etwa über sinkende Strompreise.

Die Lufthansa kritisierte, dass eine deutliche Erhöhung der Luftverkehrssteuer dem Standort Deutschland schade und die Wettbewerbsposition der deutschen Airlines im Vergleich zur internationalen Konkurrenz schwäche: „Es ist mehr als fraglich, ob damit Vorteile für das Klima erreicht werden können. Sicher sind die erheblichen wirtschaftlichen Nachteile, die ein nationaler Alleingang bringt“, teilte der Konzern mit.