Essen. Ikea stoppt Projekte im Ruhrgebiet: Der Rückzug des Handels aus den Städten geht weiter, sagt Handelsexperte Heinemann – und was sie tun sollten.

Dass Ikea seine Expansionspläne für das Ruhrgebiet einstampft und vorerst keine neuen großen Einrichtungshäuser mehr bauen will, überrascht den Handelsexperten Gerrit Heinemann nicht. Das sei ein genereller Trend, meint der Leiter des eWeb Research Center der Hochschule Niederrhein, das die Auswirkungen veränderten Kaufverhaltens auf den Handel erforscht. Heinemann sagt weitere Leerstände in den Innenstädten des Ruhrgebiets voraus. Im Gespräch mit unserer Redaktion gibt er aber auch Ratschläge, wie die Städte darauf reagieren sollten.

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Von Tobias Bolsmann, Janet Lindgens und Stefan Schulte

Herr Prof. Heinemann, Ikea stoppt seine Expansionspläne im Ruhrgebiet. Was glauben Sie, warum?

Prof. Gerrit Heinemann: Die Grundlagen für die alten Pläne, weitere großflächige Standorte zu bauen, sind nicht mehr gegeben, weil sich die Verkaufsstrukturen komplett verändert haben. Je mehr die Händler übers Internet verkaufen, desto weniger Verkaufsfläche brauchen sie. Der Möbelmarkt hat den Dammbruch bereits hinter sich, auch Ikea wächst inzwischen vor allem online.

Prof. Gerrit Heinemann erforscht an der Hochschule Niederrhein die Auswirkungen des Onlinehandels auf die gesamte Branche.
Prof. Gerrit Heinemann erforscht an der Hochschule Niederrhein die Auswirkungen des Onlinehandels auf die gesamte Branche. © FUNKE Foto Services | DIANA ROOS

Was macht das mit dem stationären Handel in den Städten?

Heinemann: Das ist ein genereller Trend, der sich weiter verstärken und zu mehr Leerständen in den Innenstädten führen wird. Außer im Lebensmittelhandel geht in allen Handelsbranchen der Flächenbedarf zurück. Wir haben in Deutschland mit die größten Verkaufsflächen pro Kopf, es handelt sich also im internationalen Vergleich um eine absehbare Konsolidierung.

Was folgt daraus für die Städte, wie sollen sie damit umgehen?

Heinemann: Die Städte müssen darauf reagieren, die Tendenz zu immer kleineren Verkaufsflächen stellt sie vor enorme Herausforderungen. Da im Ruhrgebiet gleichzeitig Wohnraum und Gewerbeflächen fehlen, bietet der Rückzug des stationären Handels aber auch Chancen. Die Städte sollten sich für den Handel auf ihre besten Lagen fokussieren und in den anderen einen Rückbau ermöglichen. Gerade die Mittelstädte müssen dafür aber beweglicher werden, sonst sehen sie bald grausam aus. Lieber eine schöne Schlafstadt als eine hässliche Einkaufsstadt.