Duisburg. Die Getreideernte war ordentlich. Aber was jetzt noch wächst, tut sich schwer. Was der zweite Hitzesommer in Folge für Bauer Steinmann bedeutet.

Der späte Freitagmorgen hat schon 36 Grad, die Luft steht – und es schneit. Grobes weißes Mehl rieselt herab. Eben noch als Korn vom Stroh getrennt und schon gemahlen, senkt es sich als feiner weißer Niederschlag auf die kleinen Tagetes-Blüten im benachbarten Feld. Der Hänger von Christoph Steinmann ist randvoll, das vor zwei Stunden noch stehende Weizenfeld bis auf die Strohbahnen leer. „Acht bis neun Tonnen je Hektar, ganz ordentlich“, schätzt der Landwirt aus Bottrop-Kirchhellen. Er ist zufrieden mit der Ernte auf diesem im Duisburger Norden gepachteten Feld. Das Getreide hat die Dürre ganz gut verdaut. Und doch macht sie seinem Betrieb das zweite Jahr in Folge zu schaffen.

„Der Mais sieht katastrophal aus“

Vater Friedrich Steinmann hält Milchkühe und Schweine, baut Getreide als Futter für seine Tiere an. Das Korn ist im Silo, die Ernte vor allem der Gerste, aber auch des Weizens war ordentlich, weil es im Frühjahr genug geregnet hat und die Dürre spät genug begann. Doch alles, was jetzt noch wachsen will, hat es schwer. Die Steinmanns pflanzen auch Mais an, aus dem sie Silage für die Kühe machen. Und der sieht „katastrophal“ aus, sagt Christoph Steinmann. Die Maispflanzen haben alle Mühe, überhaupt Kolben zu entwickeln. Und die wenigen verkümmern bereits. „Die Pflanzen werden sich nicht mehr erholen“, meint Vater Friedrich, er rechnet erneut mit rund 30 Prozent Ernteausfall beim Mais. Auch die Heuwiesen sind alles andere als saftig, sondern braun und verbrannt.

Die Weizenernte läuft

Bei 36 Grad ist die Ernte auf diesem Feld in Duisburg eine staubige und heiße Angelegenheit.
Bei 36 Grad ist die Ernte auf diesem Feld in Duisburg eine staubige und heiße Angelegenheit. © Funke Foto Services | Ralf Rottmann
Hier wird der Winterweizen aus dem Mähdrescher gefördert.
Hier wird der Winterweizen aus dem Mähdrescher gefördert. © Funke Foto Services | Ralf Rottmann
Nach der Ernte wird noch auf dem Feld das Getreide zu Mehl gemahlen.
Nach der Ernte wird noch auf dem Feld das Getreide zu Mehl gemahlen. © Funke Foto Services | Ralf Rottmann
Der Mähdrescher erntet das Feld Reihe für Reihe ab.
Der Mähdrescher erntet das Feld Reihe für Reihe ab. © Funke Foto Services | Ralf Rottmann
Auf diesem Feld ist der Landwirt besonders gefordert und zieht seine Kreise rund um eine Baumgruppe.
Auf diesem Feld ist der Landwirt besonders gefordert und zieht seine Kreise rund um eine Baumgruppe. © Funke Foto Services | Ralf Rottmann
1/5

Dabei macht Steinmann und seinen Kühen noch die Missernte aus dem vergangenen Jahr zu schaffen. Er muss Futter zukaufen und die eigene Maissilage aus 2018 enthält wegen der verdorrten Kolben zu wenig Energie. Die Folge lässt sich beziffern: „Meine Kühe geben zwei Liter weniger Milch am Tag.“ Das sind bei sonst 29 bis 31 Litern rund sieben Prozent Verlust.

„Ein schöner Landregen – das wär’s jetzt“

Mit dem Winterweizen wird in diesen Hitzetagen das letzte Brot- und Futtergetreide gedroschen. „Das hat gut funktioniert“, zeigt sich Erich Gussen, Vizepräsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbands (RLV) soweit zufrieden. Aber er spricht nicht für alle Bauern, denn: „Es zeigt sich auch in diesem Jahr, dass sich der Regen sehr unterschiedlich verteilt hat. Bei manchen Betrieben kam er noch genau passend, drei Kilometer weiter konnte es jedoch schon wieder ganz anders aussehen.“ Dieses Problem entsteht, wenn sich ein großer Teil des Niederschlags aus örtlichen Gewittern speist. „Ein schön sanfter Landregen über ein paar Wochen – das wär’s“, sagt Friedrich Steinmann sehnsuchtsvoll. Auch weil die eher sandigen Böden am Niederrhein viel schneller austrocknen als etwa die lehmigen Äcker in der Kölner Bucht.

Auch interessant

Mit dem letzten Getreide kommt auch der Raps vom Feld, und die Ölpflanzen haben die Dürre nicht so vertragen wie Roggen, Weizen und Gerste. „Ich weiß von Nachbarn, dass die Rapsernte wieder enttäuschend wird“, sagt Steinmann, der Vorsitzende des Kreisverbands der Landwirte in Gelsenkirchen, Bottrop und im Kreis Recklinghausen. Das liege vor allem am Verbot früher gebräuchlicher Pflanzenschutzmittel. „Einige haben es ohne versucht, merken aber jetzt, dass sich Raps so nicht mehr wirtschaftlich anbauen lässt“. Die im Frühjahr so spektakulär leuchtend gelb blühende Raps werde deshalb bald ganz von hiesigen Feldern verschwinden, glaubt er. Und bedauert dies, weil der Raps eine für die Felder sehr nützliche Gesundungsfrucht sei, deren tiefe Wurzeln verfestigte Böden auflockerten.

Bewässerung lohnt nur bei Kartoffeln

Für Kartoffeln und Zuckerrüben käme der Regen jetzt noch rechtzeitig, wenn er denn kommt. Die Feldfrüchte zu bewässern, lohnt sich laut Landwirtschaftskammer NRW eigentlich nur bei Kartoffeln. „Der Zuckerpreis ist so im Keller, dass eine Beregnung zu teuer wäre“, sagt Kammersprecher Bernhard Rüb. Deshalb bewässerten auch nur sehr wenige Bauern ihre Felder: Von den rund 1,5 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Flächen können laut Rüb ganze 60.000 Hektar beregnet werden.

Weizenernte auf einem Feld an der Stadtgrenze Duisburg/Oberhausen.
Weizenernte auf einem Feld an der Stadtgrenze Duisburg/Oberhausen. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Sich gegen Dürre zu schützen, ist für die meisten Landwirte bis heute kaum möglich. NRW-Agrarministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) will das ändern. „Angesichts der Zunahme von Häufigkeit und Ausmaß der Extremwetterlagen und der dadurch verursachten Ertrags- und Einkommensausfälle in der Landwirtschaft müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit Betriebe eigenverantwortlich Vorsorge für Naturkatastrophen und widrige Witterungsereignisse treffen können“, sagte Heinen-Esser dieser Zeitung. Damit meint sie „neben den Anpassungen an die Folgen des Klimawandels auch die Möglichkeit, einen bezahlbaren Versicherungsschutz abschließen zu können“.

Auch interessant

Bisher bieten Versicherungen in Deutschland kaum Dürre-Policen an, sie wären viel zu teuer. Anders als etwa in Frankreich oder den USA, wo der Staat üppige Zuschüsse gewährt, um seine Landwirte vor Wetterextremen zu Schützen. Nach der Rekordhitze 2018 hat die Politik hierzulande reagiert. Im Juni kündigte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) an, das Versicherungsteuergesetz ändern zu wollen, damit sich Landwirte günstiger gegen Dürreschäden versichern können. Die Agrarministerkonferenz hatte unter NRW-Vorsitz die Bundesregierung gebeten, neben Hagel und Starkregen auch das Trockenheitsrisiko unter den ermäßigten Versicherungssteuersatz von 0,03 Prozent der Versicherungssumme zu stellen. Ob das ausreicht, muss sich zeigen.

In der Kabine ist das Klima perfekt

Georg Hagemann ist froh, die meiste Zeit in der Kabine des Mähdreschers sitzen zu können: Bei rekordverdächtigen Außentemperaturen sind es drinnen konstant 23 Grad Celsius.
Georg Hagemann ist froh, die meiste Zeit in der Kabine des Mähdreschers sitzen zu können: Bei rekordverdächtigen Außentemperaturen sind es drinnen konstant 23 Grad Celsius. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Inzwischen ist es Mittag auf dem Weizenfeld an der Duisburg-Oberhausener Stadtgrenze. Das Thermometer geht wieder auf Rekordjagd, doch das Klima wandelt sich nicht überall. Oben ist es perfekt – in der Kabine des Mähdreschers herrschen „konstant 23 Grad“, sagt Peter Hagemann, lächelt und bleibt konsequent: „Deshalb gehe ich jetzt auch wieder rein.“ Der Fahrer des gleichnamigen Lohnunternemens ist hier fertig, macht sich auf nach Bottrop zum nächsten Weizenfeld. Doch auch auf ihn wartet noch das große Schwitzen: am Feierabend.