Berlin. Julia Klöckner will Ernteausfälle mit neuen Züchtungsmethoden vermeiden. Die Landwirtschaftsministerin wirbt für das Crispr-Verfahren.

Julia Klöckner freut sich auf Ostern – auch weil sie eine gute Nachricht für alle Tierschützer hat: Mit der millionenfachen Tötung männlicher Küken soll in Deutschland bald Schluss sein. Eine andere Entwicklung macht die Landwirtschaftsministerin allerdings richtig wütend.

Worauf achtet die Ernährungsministerin in der Fastenzeit?

Dass ich unbeschadet darüber hinwegkomme (lacht). Ich verzichte auf zwei Dinge, die mir lieb und wert sind: Wein und Gummibärchen.

Hat das religiöse Gründe?

Als studierte Theologin habe ich natürlich auch diesen Bezug. Verzicht hat für mich etwas mit Wertschätzung und Dankbarkeit zu tun. Der Überfluss, in dem wir leben, verhindert häufig bewusstes Genießen. Ich freue mich einfach wieder auf ein Glas Wein, bedacht genossen, nach diesen sechs Wochen. Und es ist schön, dass es Menschen gibt, die für uns all das produzieren.

Worauf freuen Sie sich noch zu Ostern?

Auf Familie. Auf Zeit. Auf den Osternachtsgottesdienst. Auf die erwachende Natur.

Essen Sie Ostereier guten Gewissens?

Ja, denn wir färben sie selbst. Und ich kann darauf achten, dass die Eier aus Freilandhaltung kommen. Bereits gefärbte Eier im Handel gelten als verarbeitete Ware, die nicht gekennzeichnet sein muss. Bei uns zuhause gibt es einige Verkaufsstände auf dem Markt mit Eiern direkt vom Bauernhof.

Jahr für Jahr werden in Deutschland fast 50 Millionen männliche Küken getötet, weil sie keine Eier legen...

Dieses Kükenschreddern ist ethisch nicht vertretbar und muss so schnell wie möglich beendet werden. Mein Ministerium hat 6,5 Millionen Euro investiert, um die Entwicklung von Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Hühnerei zu fördern. Seit Ende des vergangenen Jahres sind in zahlreichen Supermärkten Eier erhältlich, die das Verfahren der Geschlechtsbestimmung durchlaufen haben. Damit sind wir Vorreiter in Europa und auf der ganzen Welt.

Pro Jahr werden in Deutschland beinahe 50 Millionen männliche Küken geschreddert. ARC
Pro Jahr werden in Deutschland beinahe 50 Millionen männliche Küken geschreddert. ARC © dpa | Peter Endig

Wann also ist Schluss mit dem Kükenschreddern?

Im kommenden Jahr soll diese Apparatur zur Geschlechtsbestimmung allen Brütereien in Deutschland zur Verfügung stehen. Damit wird das Verfahren serienreif – und das Tierschutzgesetz greift...

… inwiefern?

Wirbeltiere dürfen nach deutschem Recht nicht ohne vernünftigen Grund getötet werden. Damit ist Kükenschreddern verboten, sobald das Verfahren zur Geschlechtsbestimmung allgemein verfügbar ist. Mithilfe der Geschlechtsbestimmung im Ei ist es möglich, das Geschlecht von Küken aus Legelinien vor dem Schlüpfen zu bestimmen. Weibliche Küken - künftige Legehennen - werden dann ausgebrütet, während das Ausbrüten männlicher Küken unterbleibt.

Wie viele Küken werden dann im nächsten Jahr noch getötet?

Wie schnell die Technik zur Geschlechtsbestimmung tatsächlich allen Brütereien zur Verfügung steht, kann ich ihnen nicht auf den Tag genau sagen. Auf jeden Fall werden wir dann beim Tierschutz große Schritte weiter sein.

Tierschützer fordern, männliche Küken weder zu schreddern noch vor dem Schlüpfen auszusortieren - sondern die Geflügelwirtschaft umzustellen. Was spricht eigentlich dagegen, Hühner zu züchten, die sowohl der Eier- als auch der Fleischproduktion dienen?

Das ist ein richtiger Gedanke, und das ist eine der Alternativen. Leider hat sie sich am Markt noch nicht durchgesetzt, auch nicht beim Verbraucher. Abnehmer für Hähnchen, die weniger Fleisch ansetzen, gibt es leider noch nicht genug. Mit meinem Ministerium fördere ich ein Projekt, das die verschiedenen Aspekte der Haltung dieser sogenannten Zweinutzungshühner untersucht.

Die großen deutschen Lebensmittelhändler haben - nach langem Zögern - einen Beitrag zum Tierwohl geleistet. Rewe und Co. haben einheitliche Kennzeichnungen eingeführt, damit sich die Verbraucher beim Fleischkauf einfacher über die Haltungsbedingungen von Rindern, Schweinen und Hühnern informieren können. Wie bewerten Sie das?

Das ist ein erster Schritt. Der Handel hat gesehen, dass ich es mit der staatlichen Tierwohl-Kennzeichnung ernst meine.

Der Handel hat Sie überholt.

Nein, er hat ja kein Tierwohlsiegel eingeführt, sondern versucht, bestehende Labels einzusortieren. Der Handel hat kein neues Prüfkriterium, keinen rechtlichen Rahmen, kein neues Label entwickelt, auch keine eigenen Kontrollen dafür. Ein staatliches Tierwohl-Siegel hat muss anspruchsvoller sein, vor allem den ganzen Lebenszyklus von der Aufzucht bis zur Schlachtung im Blick, haben, nicht nur die Stallhaltung. Erst dann kann man von einem Mehr an Tierwohl sprechen. Die Verbraucher wollen auf einen Blick erkennen, ob das Fleisch, das teurer ist, auch auf mehr Tierwohl beruht. Das zeigt unser Kennzeichen.

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Nur lässt Ihr Siegel weiter auf sich warten – und soll anfangs nur für Schweinefleisch gelten.

Was heißt warten? Es gibt klare europarechtliche Vorgaben. Mein Gesetzentwurf liegt bei der EU zur Beglaubigung, das kann ich nicht übergehen, so sind die Regeln. Dann müssen das Gesetz und die Verordnung durch den Bundestag. Ein schlichtes Haltungskennzeichen muss das nicht. Gründlichkeit ist mir wichtiger als Schnelligkeit. Wir werden das Kennzeichen auch auf Geflügel oder Rind ausweiten.

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    Wie stark wirkt sich das auf die Fleischpreise aus?

    Fleisch, das höheren Tierschutzanforderungen entspricht, wird natürlich teurer. Die Kosten für mehr Tierwohl – mehr Platz für die Tiere etwa – können die Halter nicht alleine tragen. Bessere Haltungsbedingungen sollten auch den Verbrauchern etwas wert sein. Ohnehin ist Fleisch in Deutschland teilweise unanständig billig.

    Woran denken Sie?

    Zum Beispiel an das Angebot einer Supermarktkette: Hähnchenschenkel, hundert Gramm für 15 Cent – das ist unanständig. Ich kann mich da richtig aufregen, und zwar über die Anbieter wie über die Käufer. Das hat ja nichts mit einem kleinen oder großen Geldbeutel zu tun. Man muss nicht jeden Tag Billigfleisch essen. Wenn man verlangt, dass Tiere besser gehalten werden, dann sollte man verstehen, dass das nicht für 15 Cent zu haben ist.

    Getreide wird knapp, hat die Welternährungsorganisation errechnet. In diesem Jahr kann die Ernte den weltweiten Bedarf nicht decken. Wie reagiert die Bundesregierung auf diese Hiobsbotschaft?

    Niemand in Deutschland muss um seine Nahrung fürchten. Wir haben Lager, in denen noch ausreichend Getreidevorräte sind. Ein Grund für den Engpass ist das vergangene Dürre-Jahr, das zu erheblichen Ernteausfällen geführt hat. Wir brauchen Pflanzen, die resistent sind gegen Wetterkapriolen und Klimawandel. Wir dürfen bei der Pflanzenforschung nicht nachlassen.

    Plädieren Sie für Gentechnik?

    Die grüne Gentechnik hat hierzulande keine Akzeptanz. Das muss man hinnehmen. Ich setze allerdings große Hoffnungen auf neue Züchtungsmethoden. Mit dem Crispr-Verfahren – der sogenannten Genschere - kann man das Erbgut von Pflanzen gezielter und schneller positiv beeinflussen, als das durch klassische Züchtung geht. Im Ergebnis ist beides nicht zu unterscheiden. Es geht um Erntesicherung und den Einsatz von weniger Pflanzenschutzmitteln.

    Klöckner: „Die Landwirtschaft wird einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung der europäischen Klimaziele leisten.“
    Klöckner: „Die Landwirtschaft wird einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung der europäischen Klimaziele leisten.“ © dpa | Lisa Ducret

    Der Europäische Gerichtshof stuft auch das als Gentechnik ein.

    Mit diesem Urteil müssen wir umgehen. Aber schauen Sie: Weltweit hungern mehr als 800 Millionen Menschen, weitere zwei Milliarden sind mangelernährt. Bis zum Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung um weitere zweieinhalb Milliarden Menschen anwachsen. Die müssen satt werden. Ein hungriger Magen findet keinen Frieden. Nicht genug zu essen zu haben, destabilisiert die Demokratie. Da können wir uns nicht leisten, den technologischen Fortschritt außer Acht zu lassen.

    Sie könnten sich auch darauf konzentrieren, den Klimawandel aufzuhalten.

    Die Landwirtschaft wird einen wichtigen Beitrag zur Einhaltung der leisten. Anders als etwa der Verkehr kann die Landwirtschaft auch CO2 binden – etwa durch Aufforstung oder den Aufbau von Humus.

    Ihre bisherigen Vorschläge bleiben reichlich vage - gerade bei der Tierhaltung, aus der große Mengen an Treibhausgasen kommen...

    Mein Ministerium hat als erstes umfangreiche und konkrete Eckpunkte zur Einsparung von Treibhausgasen vorgelegt hat. Das Methan, das Rinder ausstoßen, ist dabei ein wichtiges Thema. Die Menge hängt aber wesentlich von der Fütterung ab. Hier müssen wir ansetzen. Im Übrigen ist der Viehbestand schon rückläufig. Das Umweltbundesamt, das zum Umweltministerium gehört, hatte sich hier verrechnet und von einem Aufwuchs beim Tierbestand gesprochen. Mittlerweile wurde das korrigiert.

    Wie denken Sie über die Schüler, die jeden Freitag während des Unterrichts für mehr Klimaschutz demonstrieren?

    Es ist gut, dass sich Jugendliche für das Klima engagieren. Wichtig ist, dass sie das auch auf ihren eigenen Lebensstil übertragen. Die Handy-Produktion, Klamotten, Ferienreisen - all das hat auch Auswirkungen auf das Klima.

    • Klimakaktivistin mit vielen prominenten Zuhörern:

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    Und die Schulpflicht?

    Ich will diese Diskussion nicht anheizen, es ist schon viel dazu gesagt worden. „Saturdays for Future“ wäre aber auch eine Möglichkeit.

    (von Jochen Gaugele und Theresa Martus)