Tengelmann schließt die alte Zentrale in Mülheim, die meisten Beschäftigten müssen gehen. Christian Haub über die Kündigungen und seine Pläne.

Mülheim. Die Tengelmann-Gruppe löst ihre alte Zentrale mit rund 250 Beschäftigten auf und plant einen Neustart. Am Mittwoch wurde der entsprechende Sozialplan unterzeichnet. Warum es zu Kündigungen kommt und wo der Familien-Mischkonzern künftig sein Kerngeschäft sieht, erläutert Tengelmann-Chef Christian Haub im Gespräch mit Stefan Schulte.

Herr Haub, Sie verlassen diesen historischen Standort, wie schwer fällt Ihnen das?

Christian Haub: Das ist emotional wirklich nicht leicht, auch für mich hängen 50 Jahre Erinnerungen an diesem Gebäude der alten Schokoladenfabrik. Doch es ist ein riesiges Areal und für unsere neue, schlankere Struktur viel zu groß.

Sie wickeln ihre alte Verwaltung nun komplett ab. Warum verkleinern Sie die Zentrale nicht einfach?

Wir wollen ganz bewusst einen Schlussstrich unter die sehr vom Supermarktgeschäft geprägte Vergangenheit ziehen. Unsere Zentrale hat künftig ganz andere Aufgaben und nur noch 40 Mitarbeiter, deshalb müssen wir sie neu aufstellen. Tengelmann Twenty-One wird deutlich internationaler besetzt sein und eine neue Unternehmenskultur entwickeln. Wir werden uns voll auf die Entwicklung neuer Strategien und Geschäftsfelder sowie die Ausbildung von Führungskräften fokussieren. Und unsere Tochtergesellschaften eigenständig arbeiten lassen.

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Das heißt, die Belegschaft der alten Zentrale ist nicht mehr geeignet für die neue Zentrale?

Der überwiegende Teil wird uns leider verlassen, nur manche werden in die neue Holding mitgehen. Das ist angesichts der Größe und der veränderten Aufgaben leider unumgänglich. Dieser Neubeginn ist die Fortsetzung des bereits von meinem Bruder begonnenen Umbaus der Firma. Es ist die logische Konsequenz vor allem aus der Trennung von unserer Supermarktkette Kaiser’s/Tengelmann.

Kommt es zu Kündigungen?

Ja, nach Ablauf unserer Beschäftigungsgarantie Mitte Oktober werden betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Das müssen wir, weil die jetzige Holding Ende 2019 ihr operatives Geschäft einstellt. Wir sanieren ja nicht, sondern lösen die alte Zentrale als Ganzes auf. Ich wünsche mir, dass unsere Mitarbeiter möglichst bald wissen, wie es für sie weitergeht. Wir unterstützen sie dabei mit einem Sozialplan, der ihre oft jahrzehntelange, loyale Mitarbeit würdigt. Er enthält die besten Bedingungen, die es je bei Tengelmann gegeben hat. Wer kurz vor der Rente steht, dem helfen wir bei der Überbrückung. Auch Ältere ab 55 Jahren und Alleinerziehende erhalten zusätzliche Hilfen, weil es für sie besonders schwierig ist, sich neu zu orientieren.

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Wohin wollen Sie das Unternehmen steuern? Bleibt Tengelmann ein Händler oder wird sich die neue Holding auf Finanzbeteiligungen konzentrieren?

Der Handel bleibt ein Schwerpunkt, unsere Einzelhandelsketten Obi, Kik und Tedi sind nach wie vor unser größtes Standbein, gefolgt von den Immobilien. Aber auch in den Finanzbeteiligungen wollen wir uns weiter in konsumorientierten Märkten bewegen. Denn davon verstehen wir am meisten.

Also doch kein so radikaler Neuanfang.

In der Zentrale werden wir ganz anders arbeiten und strategisch neue Schwerpunkte setzen. Ganz wichtig ist mir der neue Bereich der Talententwicklung. Das wird im Wettbewerb ein entscheidender Faktor sein, um unsere einzelnen Geschäftsfelder künftig erfolgreich führen zu können. Und wir werden in der Zentrale neue Geschäftsfelder und dafür auch neue Märkte suchen.

Zum Beispiel?

In den USA etwa sind gesunde Ernährung und ein besserer Lebensstil ganz große Themen. Nachhaltige Mode, Bio-Kosmetik und -Lebensmittel sind sehr interessante, zukunftsträchtige Bereiche, und das nicht nur in den USA.

Tengelmann-Chef Christian Haub
Tengelmann-Chef Christian Haub © Lars Heidrich / FUNKE Foto Services

Herr Haub, wo sehen Sie für Ihre Töchter die größten Wachstumschancen?

Für die Immobiliengesellschaft gibt es eine klare Wachstumsstrategie vor allem in Nordamerika und Polen. Aber auch der stationäre Einzelhandel hat trotz der Abflüsse in den Internethandel eine Zukunft, davon bin ich fest überzeugt. Hier wird es eher darum gehen, unsere stationären Geschäfte digital optimal zu flankieren. Beides muss Hand in Hand gehen.

Ihr Bruder Karl-Erivan hatte ein Faible für Risikobeteiligungen an Start-ups. Sie auch?

Ja, sicher, Tengelmann Ventures bleibt ein wichtiger, innovativer Bestandteil der Gruppe. Dass wir so früh etwa bei Zalando eingestiegen sind, war ein Glücksgriff. Doch die Zeiten der großen Chancen von Start-ups im Onlinehandel sind vorbei. Deshalb stellen wir uns beim Risikokapital breiter auf, schauen uns zum Beispiel auch Fintechs und Mobilitäts-Start-ups an.

Wo sehen Sie Tengelmann in zehn Jahren?

An dem Punkt, an dem die sechste Generation ein gesundes, breit aufgestelltes Familienunternehmen übernehmen kann.