Essen. Die Bahn will auf Glyphosat verzichten, die Regierung es bis 2021 verbieten. Die Revier-Städte und Straßen NRW nutzen seit Jahren Alternativen.

Die Deutsche Bahn will auf das umstrittene Pflanzenschutzmittel Glyphosat verzichten. Wie sie unlängst erklärte, teste sie für die Unkrautbekämpfung in ihren Gleisbetten Alternativen. Die Städte im Ruhrgebiet setzen sie längst ein, versprühen seit Jahren kein Glyphosat mehr auf ihren Grünflächen oder an den Wegesrändern. Stattdessen rupfen, mähen, flämmen und verdampfen sie das Unkraut. Was davon am effektivsten ist, wird von Stadt zu Stadt unterschiedlich bewertet, wie eine WAZ-Umfrage ergab

Das Herbizid Glyphosat, Basis des Monsanto-Mittels Roundup, steht im Verdacht, krebserregend zu sein. Der Bayer-Konzern, der Monsanto vor einem Jahr übernommen hat, bestreitet das vehement. In den USA hat das Unternehmen mehrere Klagen verloren und ist zu millionenschweren Schadenersatzzahlungen verdonnert worden. Bayer gibt sich überzeugt, in den Berufungen mit seinen Unbedenklichkeits-Studien zu Glyphosat die Urteile drehen zu können. In Europa gerät Bayer aber mit Glyphosat ebenfalls in die Defensive, Österreich hat es unlängst verboten, Deutschland will es bis 2021 verbannen. Und Bayer nicht ganz zufällig bis dahin Alternativen entwickeln.

Im Essener Gruga-Park wird das Unkraut von Hand entfernt – wie hier beim Freiwilligen-Jäten.
Im Essener Gruga-Park wird das Unkraut von Hand entfernt – wie hier beim Freiwilligen-Jäten. © FUNKE Foto Services | Ulrich von Born

Hauptsächlich verwendet wird Roundup im konventionellen Ackerbau. Weil das Total-Herbizid sehr effektiv gegen Unkraut wirkt, haben es aber auch Zierpflanzenzüchter, Baumschulen, Hobbygärtner und Platzwarte über viele Jahre gern genutzt. Doch das Image von Glyphosat ist auf seinem Tiefpunkt angekommen, viele Baumarktketten haben Herbizide mit Glyphosat aus dem Programm genommen. Wie das missliebige Unkraut alternativ bekämpft werden kann, machen die Kommunen seit Jahren vor. Auf öffentlichen Grünflächen dürfen sie es seit 2016 laut „Gesetz zum Schutz der Kulturpflanzen“ ohnehin nur noch in Ausnahmen einsetzen. Manche haben Glyphosat oder jegliche Herbizide per Ratsbeschluss gleich grundsätzlich verboten, auch den Landwirten, denen die Kommunen Flächen verpachten. Was die Revierstädte stattdessen tun - ein Überblick:

  • In Essen gibt Grün und Gruga an, das Unkraut ausschließlich mechanisch zu bekämpfen, also per Hand und mit entsprechenden Werkzeugen.
  • Mülheim, Gelsenkirchen, Witten rupfen, schrubben und schneiden ebenfalls, flämmen aber auch mit Unkrautbrennern.
  • Oberhausen setzt auf mechanische Werkzeuge, auf größeren Flächen aber auch einen „Infrarot-Heater“ ein. Seine Strahlen lassen die Pflanzen binnen weniger Tage absterben.
  • Castrop-Rauxel setzt neben Unkrautbrennern vor allem auf Geräte wie Wildkräuterbürsten und Freischneider. Nachdem alle Varianten getestet worden seien, setzten sich tendenziell die mechanischen Methoden auch gegen die thermischen durch, heißt es aus der Stadt.
  • Dortmund geht mit heißem Wasser und Hochdruckpistolen sowie mechanischem Gerät gegen Disteln, Giersch & Co. vor. Die Stadt betont zudem, sein Straßenbegleitgrün auf insektenfreundliche Blumen- und Kräuterwiesen umzustellen. Das sei „viel weniger pflegeintensiv als Rasenflächen oder geordnete Beete“ und führe dazu, dass gar nicht erst so viel Unkraut wachse.

Bisher als unverzichtbar gilt Glyphosat der Deutschen Bahn, um ihre Gleise dauerhaft frei von Unkraut zu halten. Mit Unterstützung des Bundesumweltministeriums soll es nun so schnell wie möglich ersetzt werden. Dagegen nutzt der für die Autobahnen, Bundes- und Landstraßen zuständige Landesbetrieb bereits kein Glyphosat mehr, wie Straßen NRW mitteilt. Seine Straßenmeistereien dürften auch andere Herbizide nur für eine einzige Ausnahme nutzen: die Bekämpfung der Herkulesstaude. Eine Verfügung erlaubt bis Ende 2020 den gezielten Einsatz von Unkrautvernichtern gegen den zur Plage gewordenen Bärenklau – „mit Ausnahme glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel“.

Erlaubt bis 2022, aber nicht mehr erwünscht

Die EU erlaubt den Einsatz von Glyphosat auf Feldern und in Gärten noch bis 2022, was manchen Mitgliedsstaaten zu lange ist. So hat Österreich als erstes EU-Land Glyphosat komplett verboten. Deutschlands Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) will den Verbrauch bis 2021 durch diverse Maßnahmen weitgehend beenden, Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) das Herbizid zunächst aus Privatgärten verbannen.

Eine personalintensive, harte und schweißtreibende Arbeit: Unkrautjäten auf einem Bohnenfeld in Sachsen.
Eine personalintensive, harte und schweißtreibende Arbeit: Unkrautjäten auf einem Bohnenfeld in Sachsen. © ZB | Sebastian Willnow

Die größten Probleme Glyphosat zu ersetzen, haben die Bauern im konventionellen Ackerbau. Sie spritzen das Mittel zwischen der Ernte und der neuen Aussaat auf die Felder, um sie bis auf Weiteres von unerwünschtem Kraut zu befreien. Das anschließend ausgebrachte Saatgut ist immun gegen das Gift, weshalb es weitgehend ungestört wachsen kann. Diese hocheffektive und günstige Methode sorgt für höhere Erträge. Biobauern ernten deutlich weniger Getreide je Hektar, das entsprechend teurer wird. „Wir würden uns über gleichwertige Alternativen zu Glyphosat freuen“, sagt Marilena Kipp, Sprecherin des Rheinischen Landwirtschafts-Verbands, „aber bisher gibt es sie noch nicht.“

Nach der Getreideernte wird ein Feld mit Glyphosat von Unkraut befreit und so für die nächste Aussaat vorbereitet.
Nach der Getreideernte wird ein Feld mit Glyphosat von Unkraut befreit und so für die nächste Aussaat vorbereitet. © dpa | Steven Lüdtke

Für Ackerbauern schwer zu ersetzen

Glyphosat sei für konventionelle Landwirte schwer zu ersetzen – auch, weil es die Böden schone. Die Alternative sei es, die Felder nach der Ernte wieder zu pflügen. Davon sei man in den vergangenen Jahren aber aus gutem Grund immer mehr abgerückt, weil es ein starker Eingriff in den Boden sei und Erosionen auslöse. Weil bisher völlig unklar sei, wie die Landwirte ab 2021 oder 2022 gegen das Unkraut vorgehen sollen, herrsche „große Unsicherheit“ unter den Ackerbauern.