In diesem Jahr drohen erstmals mehr als 10.000 Lehrstellen unbesetzt zu bleiben. Vor allem Bäcker, Metzger und Restaurants finden kaum Nachwuchs.
Essen. Den Backstuben, Metzgereien und Restaurants geht der Nachwuchs aus. Kurz vor Beginn des neuen Ausbildungsjahres zeichnet sich ab, dass die Betriebe für noch mehr Lehrstellen niemanden finden als schon in Vorjahren. In diesem Jahr dürften erstmals mehr als 10.000 Ausbildungsplätze in NRW unbesetzt bleiben.
„In vielen Unternehmen tickt unaufhaltsam eine demografische Uhr“, sagte Christiane Schönefeld, NRW-Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA). Viele Mitarbeiter gingen bald in den Ruhestand, sie seien immer schwerer ersetzbar. Die Betriebe hätten das erkannt und böten deshalb in diesem Jahr auch deutlich mehr Ausbildungsplätze an. Nur stoßen sie damit aber auf weniger Jugendliche.
Noch 47.000 Ausbildungsplätze sind unbesetzt
Aktuell sind landesweit noch 47.000 Lehrstellen unbesetzt – 2650 mehr als vor Jahresfrist. Damit droht erstmals eine fünfstellige Lücke, denn bereits im vergangenen Ausbildungsjahr blieben trotz besserer Zwischenbilanz am Ende rund 9600 Lehrstellen frei. Probleme bekommen vor allem jene Berufe, die auch in den Vorjahren schon als wenig beliebt bei den Schulabgängern galten. Zu wenige wollen Lebensmittel herstellen oder verkaufen. Auch auf den Bau und als Kraftfahrer auf die Straße zieht es kaum noch Jugendliche.
„Das ist ein katastrophaler Trend“, sagt Adalbert Wolf, Landesinnungsmeister des Fleischerverbands NRW. Sein Handwerk laufe in einen „dramatischen Nachwuchsmangel“ hinein. Um das ändern zu können, müsse sich das gesamte Lebensmittelhandwerk wieder mehr lohnen. Für die 565 noch freien Metzger-Lehrstellen gibt es nur 85 Bewerber. Ähnlich sieht es im Bäckerhandwerk und in der Gastronomie aus. Den Restaurants gehen sowohl die Köche als auch die Servicekräfte aus.
Besonders krass ist das Desinteresse der Jugendlichen am Verkauf von Lebensmitteln: Hier kommt auf elf freie Stellen nur ein Bewerber. Bäcker und Konditoren haben es schon schwer, Verkaufsnachwuchs zu finden, mit Abstand am unbeliebtesten ist aber die Ausbildung zur Verkaufs-Fachkraft in Fleischereien: Die 749 Plätze dürften bei noch 56 Bewerbern zum größten Teil leer bleiben.
Die Bundesagentur für Arbeit hält Imageprobleme der Berufe für entscheidend. Die Arbeitgeber dürften sich dadurch aber „nicht entmutigen lassen, sich weiter in der Ausbildung engagieren und vielleicht auch neue Wege ausprobieren“, sagt BA-Chefin Schönefeld. Sie rät den Betrieben, vermehrt auch junge Menschen anzusprechen, die zunächst nicht als erste Wahl gelten.
Bäckereien setzen vermehrt auf Flüchtlinge
Laut der Bäcker-Innung Rhein-Ruhr machen viele Betriebe das längst. „Wir decken unseren Bedarf immer mehr auch mit Flüchtlingen und stellen fest, dass die meisten eine gute Einstellung mitbringen und gerne arbeiten gehen“, sagt Obermeister Bernd Siebers. Das Bäckerhandwerk leide wie viele andere Berufe auch darunter, „dass Ausbildung bei den jungen Leuten offenbar nichts mehr zählt“. Dabei gebe es in allen Handwerksberufen gute Verdienst- und viele Aufstiegsmöglichkeiten.
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Rein rechnerisch können landesweit 100 Bewerber aus 160 noch freien Stellen auswählen. Sogar im Ruhrgebiet gibt es derzeit für jede unbesetzte Stelle noch einen Bewerber. Dies, obwohl es hier anders als im Rheinland, Münsterland und Südwestfalen noch immer eher zu wenige Ausbildungsplätze gibt. Weil die angebotenen Stellen mit den Berufswünschen der Jugendlichen aber oft nicht zusammenpassen, werden auch zwischen Duisburg und Dortmund viele Betriebe diesmal keine Azubis finden.
Jeder dritte Bewerber hat Hochschulreife
Ein Problem für die weniger gut bezahlten Handwerksberufe ist offenkundig auch, dass immer mehr Bewerber mit höheren Schulabschlüssen eine Ausbildung anstreben, aber zumindest perspektivisch auch ein hohes Gehalt. Inzwischen hat laut Bundesagentur mehr las jeder dritten Bewerber (34 Prozent) eine Hochschulreife. Unter ihnen spricht sich offenbar ganz allmählich herum, dass etwa auch im IT-Bereich eine Ausbildung den Einstieg ebnen kann. So stieg gegen den Trend die Zahl der Bewerber um eine Ausbildung zum Softwareentwickler und Programmierer um 260 an. Auch Sanitär- und Heizungstechniker wollen rund 160 mehr Jugendliche werden als im Vorjahr. Trotzdem sind das auch in diesem vergleichsweise gut bezahlten Beruf immer noch deutlich weniger als es freie Lehrstellen gibt.