Essen. . Thyssenkrupp als Beteiligungsgesellschaft? Was die neue Holding-Struktur für die Geschäfte rund um Aufzüge und Autoteile bedeutet.

Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff nennt es „flexibles Portfolio-Management“. Gemeint ist eine grundlegend neue Strategie für den Essener Traditionskonzern. Verstand sich Thyssenkrupp bislang als breit aufgestellter Industrie- und Technologiekonzern mit Geschäften, die im Kern zusammengehören, setzt Kerkhoff nun auf eine klassische Holding-Struktur. Unter dem Dach einer vergleichsweise kleinen Zentrale sollen die Unternehmen mit ihren Geschäften rund um Aufzüge, Autoteile, Düngemittelfabriken, U-Boote und Stahl möglichst viel Freiraum erhalten und praktisch wie Firmenbeteiligungen geführt werden.

„Dabei steht die Leistungsfähigkeit der einzelnen Unternehmen im Vordergrund“, sagt Kerkhoff in einem Handelsblatt-Interview, „unabhängig davon, in welchen Eigentümerstrukturen sie verhaftet sind“. Tausende Thyssenkrupp-Beschäftigte müssen sich in Zukunft auf neue Mehrheits- oder Miteigner einstellen.

Das gilt unter anderem für die Aufzugsparte, die als Tafelsilber des Ruhrkonzerns gilt. Schätzungen zufolge ist Thyssenkrupp-Elevator 14 Milliarden Euro wert, der gesamte Konzern mit Schulden und Pensionsverpflichtungen aber erreicht an der Börse lediglich eine Marktkapitalisierung von rund 8,7 Milliarden Euro. Durch einen Börsengang, bei dem Kerkhoff Teile der Sparte zu Geld machen will, soll die klamme Konzernkasse gefüllt werden.

Investoren spekulieren auf Kooperation mit Kone

Investoren erwarten, dass auch konkurrierende Aufzughersteller auf das Thyssenkrupp-Geschäft schielen werden. „Ein mögliches Zusammengehen oder eine Kooperation mit dem Wettbewerber Kone gilt schon seit einiger Zeit als eine strategisch plausible Option“, sagt Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka Investment.

Vorstandschef Kerkhoff bereitet Beschäftigte aus unterschiedlichen Bereichen des Konzerns auf Eigentümerwechsel vor – so auch in der wichtigen Autozuliefersparte. „Wenn sich die Geschäfte in Partnerschaften oder anderen Strukturen besser entwickeln können, dann werden wir uns dem öffnen“, betont er. Im Geschäft mit Bauteilen für Autohersteller, die Windindustrie oder Maschinenbauer sei Thyssenkrupp „nicht so groß“ wie etwa beim Stahl. „Wenn wir in diesem Bereich künftig eine Partnerschaft eingehen, dann müssen wir nicht unbedingt die Mehrheit halten“, stellt Kerkhoff mit Blick auf die Komponenten-Sparte klar.

Partner für Autogeschäft gesucht

Mit mehr als 33.000 Mitarbeitern weltweit, davon etwa 8400 in Deutschland, zählt das Autozuliefer- und Komponentengeschäft zu den großen Sparten von Thyssenkrupp. BMW, Daimler, Ford und VW – die Liste der Autobauer, die zu den Kunden zählen, ist lang. Weltweit fahren früheren Angaben zufolge neun von zehn Premium-Fahrzeugen mit Bauteilen von Thyssenkrupp. Im Branchenvergleich liegen Autozulieferer wie Bosch und Continental allerdings weit vor dem Revierkonzern.

In Konzernkreisen wird betont, Kerkhoff strebe nicht einen Komplett-Verkauf der Sparte an, sondern habe insbesondere Kooperationen in Teilbereichen der Autosparte im Blick.

Von „Zerschlagung“ will der Konzernchef nicht sprechen

Auch für das Stahlgeschäft mit seinen Hochöfen in Duisburg seien nach der gescheiterten Fusion mit dem indischen Konzern Tata in Europa weiterhin Partnerschaften mit anderen Herstellern möglich, sagt Kerkhoff. Bei der aktuellen Haltung der EU-Wettbewerbshüter sehe er aber keine Möglichkeiten für große Zusammenschlüsse. „Deshalb werden wir in einer Mehrheitsposition bleiben.“

Den Begriff „Zerschlagung“ hält Konzernchef Kerkhoff mit Blick auf das neue Vorgehen für unangemessen. „Es ist keine Zerschlagung, wenn sich Beteiligungsstrukturen verändern“, sagt er. „Wir erhalten Thyssenkrupp als Ganzes, bauen es aber um zu einem modernen Unternehmen.“