Essen. . Mit einem „Appell für Europa“ stellt sich der Initiativkreis Ruhr Nationalisten und Populisten entgegen. Revierkonzerne planen Europa-Kampagne.

Das einflussreiche Wirtschaftsbündnis Initiativkreis Ruhr sagt Nationalisten und Populisten in Europa den Kampf an. „Jetzt ist es Zeit, die europäische Idee zu stärken“, heißt es in einem „Appell für Europa“, den der Initiativkreis nach einer Vollversammlung in Essen veröffentlicht hat. „Nur ein Europa mit solidarischen Mitgliedsstaaten kann sich globalen Herausforderungen wie Migration und Flucht oder dem Klimawandel mit Aussicht auf Erfolg stellen“, betonen Bernd Tönjes und Thomas A. Lange, die Moderatoren des Bündnisses, die den Aufruf unterzeichnet haben.

Mehr als 70 große Unternehmen und Institutionen aus der Region gehören zum Initiativkreis Ruhr. In den kommenden Wochen wollen unter anderem Konzerne wie Thyssenkrupp, Evonik, RWE, Innogy und Vonovia ihre Beschäftigten zur Wahl am 26. Mai aufrufen. Die Kampagne des Wirtschaftsbündnisses läuft unter dem Motto „#europasindwir“. Auch Unternehmen wie BP, RAG, Kötter, National-Bank, Signal Iduna, Steag, Trimet, Wilo und Vivawest wollen sich an Aktionen beteiligen und zum Beispiel auf eigenen Werbeflächen, im Internet oder in Firmennetzwerken Flagge für Europa zeigen.

„Populisten und Nationalisten Einhalt gebieten“

„Jetzt ist es Zeit, Populisten und Nationalisten Einhalt zu gebieten“, mahnen Tönjes und Lange, die den Initiativkreis Ruhr ehrenamtlich führen. Hauptberuflich stehen sie an der Spitze des Evonik-Großaktionärs RAG-Stiftung beziehungsweise der Essener National-Bank.

Die Europäische Union sei seit mehr als einem halben Jahrhundert die Basis für Frieden, Stabilität und Wohlstand, so Tönjes und Lange. „Sie ist mehr als ein Wirtschaftsverbund; sie ist eine Wertegemeinschaft.“ Der europäische Gedanke sei aber „an einem kritischen Punkt“ angekommen. „Die gemeinsamen Werte und Errungenschaften der Europäischen Union für alle Bürgerinnen und Bürger geraten durch populistische und nationalistische Tendenzen zunehmend in Gefahr.“

Das Wirtschaftsbündnis aus dem Ruhrgebiet ist bunt gemischt. Auch Initiativkreis-Mitglieder wie die Gewerkschaft IG BCE, die Bank im Bistum Essen, die Emschergenossenschaft, die Unternehmensberatung EY, Westlotto, das Katholische Klinikum Bochum und die Kanzlei Kümmerlein beteiligen sich an der Europa-Kampagne.

Besondere Bedeutung für das Ruhrgebiet

Der Initiativkreis Ruhr betont, ein europäischer Binnenmarkt sei eine wesentliche Voraussetzung für eine prosperierende Wirtschaft, die Arbeitsplätze schaffe. Zudem stehe Europa im Wettbewerb mit anderen führenden Wirtschaftsräumen wie den USA und Asien. „Insbesondere die Exportnation Deutschland ist auf freien Handel sowie arbeitsteilige Fertigung von Produkten an Standorten in verschiedenen Ländern angewiesen“, betonen die Unternehmenslenker. Davon profitiere insbesondere das Ruhrgebiet als industrielles Zentrum und Logistikdrehscheibe.

Vor wenigen Wochen hatten bereits die Chefs der großen Ruhrgebietsunternehmen Eon, Evonik, RWE und Thyssenkrupp eindringlich vor einem Erstarken der Populisten in Europa gewarnt. „Jahrzehntelang gab es einen europäischen und überwiegend auch globalen Konsens, dass mehr Zusammenarbeit zu mehr Wohlstand für alle führt. Dieser Konsens ist durch eine Reihe von Entwicklungen bedroht“, sagte Eon-Chef Johannes Teyssen unserer Redaktion. Eine hohe Wahlbeteiligung könne den Zusammenhalt in Europa stärken „und zugleich die Wahlchancen von Populisten verringern“.

Thyssenkrupp, Evonik und RWE melden sich zu Wort

Auch Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff zeigte sich mit Blick auf Europa besorgt. „Es ist schon erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit es manchen gelingt auszublenden, was Europa für uns bedeutet“, betonte er. „Da sind aus meiner Sicht auch wir als Unternehmen gefordert. Wir müssen besser erklären, warum wir für unseren Erfolg freie Märkte und freien Handel.“

Die Europäische Union bleibe „die richtige Antwort auf die vor uns liegenden Herausforderungen“, sagte RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. Evonik-Chef Christian Kullmann verwies auf die Brexit-Abstimmung, bei der die Wähler für einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU stimmten. „Die Abstimmung in Großbritannien ist auch so ausgegangen, weil es nicht gelungen ist, junge Menschen zu mobilisieren“, gab Kullmann zu bedenken. „Das gleiche Risiko besteht nun in Europa – und für die Wahlen Ende Mai. Die Gefahr, dass europafeindliche Kräfte an Einfluss gewinnen, ist real.“ Deshalb rufe er die Mitarbeiter von Evonik auf, wählen zu gehen.