Essen. . Eon, Evonik und RWE hoffen auf eine hohe Wahlbeteiligung im Mai, um die Populisten in Europa zu schwächen. Thyssenkrupp plant eine Werbekampagne.

Die Vorbereitungen für die Wahlkampagne laufen. In einem Besprechungsraum der Essener Thyssenkrupp-Zentrale präsentiert Jochen Schwarz von der Werbeagentur Bobby & Carl erste Plakatentwürfe. Ein Slogan lautet: „Die Mobilität der Zukunft bringt man nicht auf die Straße, wenn man an jeder Grenze halten muss.“ Darunter steht: „Am 26. Mai ist Europawahl. Mach Dein Kreuz.“ Noch sind die Plakate nicht fertig, aber das Ziel ist klar: Thyssenkrupp will bei den Beschäftigten für die Wahl werben.

„Wir müssen besser erklären, warum wir für unseren Erfolg freie Märkte und freien Handel brauchen – und eben nicht den Rückzug ins nationale Schneckenhaus“, sagt Thyssenkrupp-Chef Guido Kerkhoff. „Es gibt unglaublich viele kleine Beispiele, die zeigen, was Europa für uns als Unternehmen, aber auch für jeden einzelnen jeden Tag bedeutet.“ Ein Beispiel, das auf dem Plakat genannt wird: Ein freies Europa ermöglicht Thyssenkrupp, Lenksysteme für die Autoindustrie in Zusammenarbeit mit Werken in Ungarn, Frankreich, Polen und Deutschland zu bauen.

Aufrufe zur Wahl am 26. Mai

Thyssenkrupp ist nicht der einzige Revierkonzern, der sich dieser Tage mit Europa befasst. Auch die Energieversorger Eon und RWE sowie der Chemiekonzern Evonik wollen durch Appelle an die Beschäftigten zu einer höheren Wahlbeteiligung beitragen.

„Jahrzehntelang gab es einen europäischen und überwiegend auch globalen Konsens, dass mehr Zusammenarbeit zu mehr Wohlstand für alle führt“, sagt Eon-Chef Johannes Teyssen. „Dieser Konsens ist durch eine Reihe von Entwicklungen bedroht.“

Evonik-Chef Christian Kullmann formuliert ein flammendes Plädoyer für Europa. „Der Fortbestand und der Ausbau einer starken Europäischen Union sind aus unserer Sicht zentrale politische Aufgaben unserer Zeit“, sagt er. Kullmann erinnert an das Brexit-Referendum, bei dem die Wähler für einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU votiert haben. „Die Abstimmung in Großbritannien ist auch so ausgegangen, weil es nicht gelungen ist, junge Menschen zu mobilisieren“, urteilt Kullmann. „Das gleiche Risiko besteht nun in Europa – und für die Wahlen Ende Mai.“ Daher werbe er für eine Teilnahme an der Wahl.

„Die Europäische Union bleibt die richtige Antwort“

RWE-Chef Rolf Martin Schmitz kündigt ebenfalls an, er wolle bei den Mitarbeitern für die Europawahl werben. „Die Europäische Union bleibt die richtige Antwort auf die vor uns liegenden Herausforderungen“, sagt Schmitz. „Das gilt gerade auch für die Energiewirtschaft und damit für RWE.“

Ob Einwanderung, Urbanisierung, Demografie, Klimaschutz: „Alle Länder in Europa stehen vor ähnlichen Herausforderungen“, gibt Rolf Buch, der Chef von Deutschlands größtem Immobilienkonzern Vonovia, zu bedenken. Die EU sei ein „Garant für Frieden, Stabilität, Sicherheit und Wohlstand“. Einen Wahlaufruf, wie ihn die Chefs von Eon, RWE, Thyssenkrupp und Evonik planen, wolle er allerdings nicht formulieren, sagt Buch: „Auch wenn wir versuchen, nach innen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Europa für unser Handeln eine relevante Bedeutung hat, rufen wir nicht aktiv zur Teilnahme an der Wahl auf.“ Diese Entscheidung überlasse Vonovia den Mitarbeitern.

Eon-Chef Teyssen beschwört den Zusammenhalt

„Am Beispiel Brexit werden wir alle konkret erleben, was es heißt, wenn das Friedens- und Wohlstandsprojekt Europäische Union aufgekündigt wird“, warnt Kullmann. „Britische Mitarbeiter von uns, die jahrelang in Deutschland arbeiten und leben, werden plötzlich zu Ausländern gemacht und müssen um ihr Aufenthaltsrecht bangen. An den Grenzen wird es wieder intensive Personenkontrollen geben, und auch der Warenverkehr wird massiv behindert werden. Das kann niemand wollen.“

Eon-Chef Teyssen sagt, selbst geeint werde es Europa „schwer haben, im globalen Wettbewerb mit den USA, Asien und aufstrebenden Regionen in vielen Teil der Welt als Wirtschafts-, aber auch als Wertegemeinschaft zu bestehen“. Umso wichtiger sei der innere Zusammenhalt der Europäischen Union: „Eine hohe Wahlbeteiligung kann diesen Zusammenhalt stärken und zugleich die Wahlchancen von Populisten verringern.“