Bonn/Düsseldorf. Die Telekom droht Kunden mit Kündigung, wenn diese nicht bereit sind, ihre Anschlüsse auf IP-Technologie umstellen zu lassen. Viele Kunden in Großstädten erhielten entsprechende Schreiben. Dabei ist bekannt, dass Telefonie über das Internetprotokoll noch nicht zuverlässig funktioniert

Die Telekom will in die technologische Zukunft - und zwar schnell. Für Kunden, die nicht mitwollen, ist kein Platz. Der Bonner Konzern will Kundenanschlüsse möglichst schnell auf IP-Technologie umstellen. Telefon, Internet, Fernsehen - alles über die gleiche Leitung. Wer das nicht will, dem wird mit einer Kündigung des Vertrags gedroht.

Mehrere Verbraucherzentralen berichten von Fällen, in denen Telekom-Kunden ein entsprechendes Schreiben bekommen hätten. Darin werden die Kunden aufgefordert, sich für einen neuen Tarif zu entscheiden. Anderenfalls müsse der Anschluss in absehbarer Zeit gekündigt werden. "Das sind keine Einzelfälle", sagt Peter Lindackers, Jurist und Telekommunikationsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Die Telekom räumt ein: Kunden in 53 Großstädten seien angeschrieben worden. Es gehe allerdings nicht darum, Kunden zu drohen, im Gegenteil: "Wir wollen keinen einzigen Kunden verlieren", sagt Unternehmenssprecher Markus Jodl. Die Umstellung auf IP-Technologie sei aber notwendig. "Wir müssen unser Netz weiterentwickeln, um den Ansprüchen unserer Kunden zu genügen." Dafür müssten die Kunden einen neuen Vertrag bekommen.

Betroffen sind Kunden mit Analog- und ISDN-Verträgen

"Es hat juristische Gründe, dass 'Kündigung' in dem Schreiben steht", erklärt Jodl, es werde ein neuer Service angeboten, dafür sei ein neuer Vertrag nötig. Angeschrieben wurden Kunden mit alten Verträgen, in denen noch von PSTN- oder ISDN-Diensten die Rede ist. Diese Dienste werden durch die IP-Technologie überflüssig, die Support-Verträge der Telekom laufen aus. Deshalb will die Telekom diese Verträge schnellstmöglich umstellen.

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Konkret geht es nach Unternehmensangaben um Double- und Triple-Play-Kunden, die nicht nur einen Telefonanschluss der Telekom haben, sondern auch Internet und TV über die Telekom beziehen. Wer nur einen Telefonanschluss der Telekom hat, dessen Anschluss wird automatisch umgestellt, ohne dass er einen neuen Vertrag bekommt.

Für die Telekom ist die IP-Technologie einfacher und günstiger

Mit der IP-Technologie läuft das Telefon nicht mehr über ein eigenes Frequenzband, sondern über das Band, über das auch Internetdaten übertragen werden. Für Anbieter ist das günstiger, weil sie kein eigenes Telefonnetz mehr unterhalten müssen. "Die einheitliche Struktur des neuen Netzes macht beispielsweise die Wartung einfacher", erklärt Telekom-Sprecher Jodl.

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"Es ist fraglich, ob die Unternehmen den Preisvorteil an die Kunden weitergeben", sagt sagt Peter Lindackers, Jurist und Telekommunikationsexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Davon abgesehen seien die Vorteile für Kunden überschaubar: Mehrere Telefonnummern auf einem Anschluss, einige Internet-Features. "Wer seinen Anschluss hauptsächlich zum Telefonieren nutzt, fuhr mit dem herkömmlichen System besser", sagt er.

Das liegt vor allem daran, dass IP anfälliger für Ausfälle ist. Fiel bei einer Störung der DSL-Leitung bislang nur das Internet aus, bleibt auch das Telefon tot. In Online-Foren berichten Kunden, dass sie immer wieder stundenlang nicht erreichbar seien.

Juristisch haben Verbraucher keine Chance

Juristisch ist gegen das Vorgehen der Telekom kaum etwas zu machen: "Die Telekom hat - genau wie der Kunde - ein Kündigungsrecht. Solange das Unternehmen die Frist einhält, ist das rechtens", sagt Verbraucherschützer Lindackers. Er rät Betroffenen, die Gelegenheit zu nutzen, um Telekom-Tarife mit Konkurrenzangeboten zu vergleichen.

Heute telefonieren 3,5 Millionen Telekom-Kunden mit IP-Technologie. Bis Ende 2018 will die Telekom ihr komplettes Netz - 31 Millionen Festnetz- und mehr als 17 Millionen umgestellt haben.