Bonn.. Kommt nicht in die Tüte: In Deutschland öffnen die ersten Lebensmittelgeschäfte, die auf Verpackungen verzichten und die Waren lose anbieten. Kunden bringen ihre Vorratsdosen oder Papiertüten mit und füllen so viel ab, wie sie brauchen. Mit diesem Konzept wollen die Anbieter der Müllflut begegnen.

Die Einkaufstüten sind auf den Küchentisch gehievt, dann wird es lästig: Tomaten stecken in Styroporschalen, Gurken in Cellophanfolie. Beim Auspacken kommt ein Haufen Müll zusammen. Geht es nach Hilke Deinet, muss das alles gar nicht sein. Sie hat in ihrem Geschäft die Verpackungen, wo es möglich ist, abgeschafft.

Deinet hat in Bonn vor gut zwei Monaten eine Art modernen Tante-Emma-Laden eröffnet: Freikost Deinet. Die Kunden kommen sozusagen mit der Tupperdose zu ihr, sie bringen Flaschen, Schachteln und Körbe mit. In den Regalen stehen die transparenten Spender mit roten Linsen, Milchreis, Nudeln. Der Kunde hält die eigene Vorratsdose darunter, öffnet einen Hahn und füllt sich die Menge ab, die er braucht. Das Waschmittel lässt sich aus Kanistern abfüllen. In Körben liegen Äpfel und Trauben, Möhren und Salat, Kartoffeln und Eier. Das Konzept, das zunächst Retro wirkt, ist im Einzelhandel Avantgarde.

Knopf drücken, Etikett aufkleben und zu Kasse gehen

Für die hiesigen Kunden ist das Plastik-freie Einkaufen ungewohnt. In Süßwarengeschäften kann man sich schon mal Nüsse und Trockenfrüchte abfüllen, im Kiosk mal Gummizeug, aber sonst?

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Zwischen den Regalen steht deshalb auch eine kleine schwarze Tafel, in Kreide steht darauf die Anleitung zur neuen Art des Einkaufs: „Gefäß mit Deckel auf Waage stellen – Einen der roten Knöpfe drücken – Etikett auf Gefäß aufkleben – nach Lust und Laune befüllen + zur Kasse gehen“. Alles wird nach Gewicht abgerechnet, und das des Behälters freilich abgezogen.

Preis für die lose Ware ist günstiger als bei verpackten Waren

Billiger wird es auch. Deinet sagt: „Der Preis für die lose Ware ist durch die Bank günstiger als Ware gleicher Qualität in Verpackungen.“ Die 32-Jährige hat den Laden zusammen mit ihrem Mann gegründet, die Idee schwirrte ihr schon lange im Kopf herum. Auf einer Reise nach Australien fiel ihr auf, dass dort in den Supermärkten viel mehr lose Ware verkauft wird.

Ihr Anliegen: „Ein rundum nachhaltiger Lebensmittelladen.“ Dazu gehören Biowaren, die möglichst direkt vom Erzeuger kommen. Und eben so wenig Verpackungen wie möglich. Da macht sie nur bei wenigen Produkten eine Ausnahme, etwa beim Fleisch oder bei der Milch.

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Unternehmerin Deinet irritiert das alles nicht. Sie sagt: „London ist London. Wir sind wir. Wir hätten den Laden nicht aufgemacht, wenn wir nicht davon überzeugt wären, dass es läuft“. Und bisher laufe es „gut“. Am Anfang sei es zwar schwierig gewesen, Lieferanten zu finden. „Der Markt ist nicht auf den Verkauf ohne Verpackungen eingestellt.“ Doch „nach intensiver Recherche“ sei das nun gelöst. Und nun kämen zum Einkaufen Alte und Junge, Ökos und Nicht-Ökos – „alles querbeet“, sagt Deinet. Sie liegt im Trend.

Wer keine Vorratsdose mithat, kauft eine Papiertüte

Nur: An Vorratsdosen denken, den Einkauf bestens vorbereiten – wird das nicht anstrengend? „Im Zweifel haben wir auch Papiertüten,“ sagt Hilke Deinet. Für eine Tüte kann man freiwillig einen „Solidaritätsbeitrag“ von 15 Cent zahlen, die einem guten Zweck zugute kommen. Man kann aber auch so rechnen: Wer seinen Einkauf schon im Laden in eigene Vorratsdosen packt, kann sie Zuhause direkt in den Schrank räumen. Am Ende spart das Zeit.