Berlin. . Versicherungen berechnen ihre Tarife zunehmend nach individuellen Kriterien. Bei der Auto-Haftpflicht kann das Fahrverhalten eine Rolle spielen, bei der Lebensversicherung ein Laster wie Rauchen. Nach welchen Kriterin die Anbieter sonst noch ihre Tarifmodelle zusammenstellen – ein Überblick.
Die rund 17.000 freiberuflichen Hebammen in Deutschland befürchten gerade das Ende ihres Berufsstandes. Dabei fehlt es nicht am Bedarf für ihre Leistungen bei der Geburtshilfe. Vielmehr bringt sie die vorgeschriebene Haftpflichtversicherung in Schwierigkeiten. Deren Kosten sind in den vergangenen Jahren explodiert. Vor zehn Jahren berechneten die Versicherungen den Geburtshelferinnen unter den Hebammen noch 1352 Euro im Jahr für die Absicherung von Fehlern. In diesem Sommer steigt der Betrag auf 5096 Euro. Diese Summe können viele der Freiberuflerinnen nicht stemmen.
Das Risiko wird auf alle Versicherten umgelegt
Grund für die Anhebung sind die hohen Kosten in den wenigen Fällen, in denen tatsächlich etwas schief geht. Da können sich Schadenersatzforderungen schon mal auf einige Millionen Euro summieren. Dementsprechend kalkulieren die Versicherer auch die Tarife. Das entspricht dem Prinzip der Branche, das Risiko auf alle Versicherten umzulegen. Dieser Grundsatz gilt in allen Sparten der Versicherungen. Die Unternehmen berechnen dabei auch immer häufiger das Risiko einzelner Kunden, Schäden zu verursachen. Und danach richten sich häufig auch die Kosten für eine Police.
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Aus der Kfz-Haftpflicht kennen die meisten Autofahrer dies schon eine Weile. In den letzten Jahren haben die Anbieter ihre Tarife von immer mehr einzelnen Faktoren abhängig gemacht. Über 50 Tarifmerkmale hat das Vergleichsportal Check24 gezählt. Und alle haben Einfluss auf die am Ende stehende Berechnung der Kosten.
Beamte fahren besser
Ein abgeschlossener Stellplatz mindert die Kosten ebenso wie der Besitz eines Eigenheims. Eine Wohnung in einem Gebiet, in dem besonders viele Unfälle passieren oder Autos gestohlen werden, verteuert die Haftpflichtversicherung. „Die Versicherungen finden immer mehr darüber heraus, welche Faktoren die Risiken wie beeinflussen“, sagt Hasso Suliak vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Die Spannen bei den Beiträgen sind dadurch beträchtlich. Zwischen zwei und zehn Prozent Rabatt bringt zum Beispiel Wohneigentum bei der Autoversicherung. Beamte fahren im Durchschnitt um zehn Prozent besser als der Rest der Bevölkerung. Und diese Tarifvielfalt wird immer weiter entwickelt. Neuester Trend ist die Telematik. So bietet die Sparkassen-Direktversicherung seit Jahresbeginn einen speziellen Service. Kunden können sich eine Telematik-Box ins Auto einbauen lassen. Die Box zeichnet das Fahrverhalten auf, also zum Beispiel wie schnell und zu welchen Tageszeiten das Fahrzeug bewegt wird. Bei einem guten Fahrverhalten winken bis zu zehn Prozent Rabatt bei der Versicherung.
Elektronische Datensammlung des Fahrverhaltens
Andere Versicherungen testen den Einsatz von Telematik noch. Die Kontrolle der Fahrer durch elektronische Datensammlungen könnte jedoch die Tariflandschaft erheblich verändern. Das glauben zumindest die Experten der Beraterfirma Bain & Company. „Bei Wohlverhalten des Versicherten sind Rabattierungen von 20 bis 30 Prozent bei gleichem Fahraufkommen oder mittelfristig sogar ,Pay-as-you-drive’-Tarife denkbar“, heißt es in einer Analyse. Es könnte also übersetzt dazu kommen, dass Versicherungsgebühren nur für den Zeitraum bezahlt werden müssen, in dem das Auto auch genutzt wird
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Ausdifferenzierte Tarife kennen die Verbraucher auch aus den anderen Sparten, zum Beispiel der Lebensversicherung. Da fragen die Vermittler bei Vertragsabschluss schon mal nach Vorerkrankungen oder ob der Kunde raucht. Auch das Alter spielt bei der Risikobewertung eine Rolle. Dieses Unterscheidungsmerkmal steht in der EU aber Meldungen zufolge auf dem Prüfstand. Dagegen laufen die Versicherungen Sturm. „Der Abschluss einer Lebensversicherung für einen 18-Jährigen unterscheidet sich grundlegend von dem eines 80-Jährigen aufgrund der unterschiedlichen Lebenserwartung“, erläutert der GDV. Der Verzicht auf risikogerechte Tarife sorge für steigende Prämien für den Durchschnitt der Versicherten.