Rom. . Pesto, Mozarella, Schinken oder Olivenöl - italienische Lebensmittel sind gefragt, doch sie stammen häufig gar nicht aus Italien. Dortige Landwirte haben jetzt erfolgreich gegen einen italienischen Konzern gekämpft, der Käse aus Rumänien als italienisch vertrieben hat.
Italien verkauft seine Beteiligung an einer rumänischen Großmolkerei – das klingt nicht nach einer aufregenden Meldung. Doch dahinter stecken ein Milliardengeschäft und eine internationale Verbrauchertäuschung, der auch deutsche Kunden täglich zum Opfer fallen.
Lactitalia, so heißt die Firma im rumänischen Temesvar, produziert Käse mit so ur-italienischen Namen wie „Dolce Vita“, „Toscanella“ oder „Pecorino“. Mit Italien aber haben diese Produkte ansonsten nichts zu tun, die Milch stammt aus Rumänien oder Ungarn. Die Käserei, so wettert Italiens Bauernverband, fahre also unter falscher Flagge. Und der italienische Staat beteilige sich auch noch an dieser Fälscherei.
Fantasievolle Namen
Bei Lactitalia konnten Italiens Bauern nun einmal einhaken. Doch gegen den noch viel lukrativeren Rest des internationalen Etikettenschwindels sind sie machtlos. Weil italienische Namen gut klingen, modisch sind, für Lifestyle, Urlaub und womöglich die gesunde „Mittelmeer-Diät“ stehen, vermarkten Lebensmittelproduzenten weltweit ihre Ware zunehmend unter italienischen Bezeichnungen. Sie bedrucken Packungen mit mehr oder weniger fantasievollen italienischen Namen („Condimento Aceto Balsamico“), halten sie im Grün-Weiß-Rot der Landesfahne – und schon fällt niemandem mehr auf, dass der „Monteverdi“-Schnittkäse aus der Gegend von München stammt und der Discounter seinen „Lovilio“-Mozzarella im Bayerischen Wald einkauft.
Italiens Bauernverbände regen sich aber nicht nur über die internationalen Falschmünzer auf, sondern ebenso über die „Agro-Piraten“ in der eigenen Lebensmittelindustrie und über eine EU-Gesetzgebung, die alle möglichen Verschleierungen als legal durchgehen lässt.
Zum Beispiel beim Tomatenpüree. Es gehört zu den unersetzlichen Grundstoffen der italienischen Küche – doch die Basis dafür reift heute zum großen Teil unter chinesischer Sonne. Beim letzten Aufschrei, der deshalb durchs Land ging, beeilte sich der zuständige Industrieverband zu versichern, chinesische Ware werde keineswegs in Italien vertrieben, sondern ins Ausland weitergereicht. „Nach Asien und Afrika“, fügte der Verbandssprecher hinzu – aber dass er auch Deutschland meinte, gilt als sicher. Schließlich finden italienische Produkte nirgendwo so viele Abnehmer wie dort.
Umfüllen genügt
153 358 Tonnen eingekochter Tomaten hat Italien 2010 importiert, davon 121 000 Tonnen aus China. Drei Viertel davon waren von Anfang an für den weiteren Export bestimmt. Es bedarf in solchen Fällen – laut EU-Gesetzgebung – nur „eines letzten substanziellen Verarbeitungsschrittes“, und schon kann die Ware als „Made in Italy“ ausgegeben werden: Das Umfüllen vom Schiffscontainer in Konservendosen genügt.
Beim Olivenöl liegen die Verhältnisse ähnlich. Vier von fünf Flaschen enthalten nicht das „italienische“ Extra Vergine, das Etikett und Fantasiename versprechen, sondern Mischungen aus aller Herren Länder, vorzugsweise aus Spanien und Tunesien. Das hat der Coldiretti-Verband herausgefunden, der auch die seit 2009 vorgeschriebenen Herkunftsangaben auf den Flaschen – wenn überhaupt – „nur mit dem Mikroskop“ aufspüren konnte.
Italien, der weltgrößte Exporteur von Olivenöl, erzeugt auf eigenem Boden nicht einmal die Menge, die es selbst verbraucht. Bei 483 000 Tonnen lag die Produktion 2011; im selben Jahr hat das Land 364 000 Tonnen exportiert. In Tunesien, sagen Experten, lässt sich ein Kilo Öl für 10 Cent herstellen; in Italien liegen die Kosten zwischen vier und fünf Euro.
In seinem Bericht über die „Agromafia“ spricht das römische Forschungsinstitut Eurispes von einem Paradox: Einerseits hat sich Italien bei der EU so viele „geschützte Ursprungsbezeichnungen“ (g.U.) und „geschützte geografische Angaben“ (g.g.A.) als Qualitätssiegel eintragen lassen wie kein anderes Land. Bei Massenware andererseits arbeitet Italien genauso eifrig an der Verschleierung der wahren Herkunft.
Prosciutto crudo aus Chile
Laut Eurispes stammen drei von vier Schweinekeulen, die nachher als der beliebte „Prosciutto crudo, made in Italy“ verkauft werden, aus dem Ausland, 91 Prozent davon aus Chile. „Italienische“ Pasta basiert zum größten Teil auf amerikanischem Hartweizen und selbst für den in Italien hergestellten Mozzarella kommen gut zwei Drittel der Milch aus Frankreich, Deutschland oder Österreich, ohne dass die Kunden davon erführen.
Aber warum sich Sorgen machen? Der italienischen Lebensmittelindustrie geht’s bestens; sie verzeichnet Zuwachsraten während der Rest des Landes in Rezession versinkt. Die einzigen in der Branche, die leiden, sind die Bauern, die dieser Art von Wettbewerb nicht standhalten können. Und ihr Sieg im Fall Lactitalia ist auch nur ein Augenblickserfolg. Zumal: Die rumänische Molkerei gehört jetzt zwar nicht mehr Italien – aber weiterhin einem Italiener.