Düsseldorf. . Inkassofirmen blähen bestehende Forderungen an säumige Zahler oft enorm auf. Verbraucherschützer zählen 5000 Fälle allein in Nordrhein-Westfalen.
Die Abzocke von säumigen Zahlern durch Inkassofirmen nimmt beängstigende Ausmaße an, warnt die Verbraucherzentrale (VZ) NRW. Betroffene sprechen von „massiver Kostentreiberei“, sagte VZ-Vorstand Wolfgang Schuldzinski. Gerade beim Eintreiben von Bagatellforderungen von wenigen Euro würden „Wildwest“-Methoden angewandt.
Bei einer Schuld von 20 Euro fielen Gebühren von bis zu 200 Euro an, angemessen seien höchstens 27 Euro. Häufig schalteten Inkassounternehmen zusätzlich einen Anwalt ein, was die Forderung verdoppele. Erlaubt ist dieses zweifache Kassieren nach Einschätzung der Verbraucherschützer nicht.
Verbraucherschützer: Inkassobüros schnell involviert
„Wir reden hier nicht von einigen schwarzen Schafen, sondern von einer großen Branche, die solche Methoden anwendet“, sagte VZ-Juristin Birgit Höltgen.
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Das Problem der Abzocke durch Inkassounternehmen trifft Kunden von kleinen Firmen, aber auch die von großen Konzernen, erklärt die Verbraucherzentrale NRW. So haben die Verbraucherschützer den Onlineshop Zalando, das Telekommunikationsunternehmen 1&1, den Energieversorger Vattenfall sowie den Pay-TV-Anbieter Sky aufgefordert dafür zu sorgen, dass die von ihnen beauftragten Geldeintreiber nicht einfach abkassieren, wie sie wollen.
Die Unternehmen sollen außerdem „mindestens einen Mahnversuch“ beim Kunden starten, bevor sie den Fall an Inkassobüros abgeben. In den meisten Fällen würde eine einfache Erinnerung an die offene Rechnung reichen, ist sich Wolfgang Schuldzinski sicher.
Experten befürchten hohe Dunkelziffer
Das Problem kann laut VZ jeden treffen: eine nicht eingelöste Lastschrift, weil das Gehalt noch nicht auf dem Konto war, ein Zahlendreher bei der Überweisung, eine übersehene Rechnung reichen oft, um mit professionellen Geldeintreibern konfrontiert zu werden. Die Bearbeitung solcher Aufträge sei für die Inkassofirmen einfach und billig, ihr Verdienst riesig.
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Rund 5000 Fälle von „aufgeblähten“ Geldforderungen registrierten die Verbraucherzentralen in NRW im vergangenen Jahr. „Die Dunkelziffer ist sehr hoch“, erklärte Birgit Höltgen. Wie viele Verbraucher die Rechnung zähneknirschend bezahlen und wie viele sich privat mit einem Anwalt wehren, ist nicht bekannt. Es ist aber riskant, die Forderungen nicht zu bedienen. Denn wer nicht reagiert, der bekommt schnell immer höhere Rechnungen.
Experten geben Betroffenen Tipps
Wer den Eindruck hat, wegen einer nicht bezahlten Rechnung abgezockt zu werden, der kann sich an die Verbraucherzentralen wenden. Die Experten erklären dann zum Beispiel, welcher Teil der Forderung berechtigt ist und welcher nicht. Säumige Kunden sollten anschließend dem Inkassobüro genau erklären, warum sie nur einen Teil der Rechnung bezahlen.
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Verbraucherschützer raten auch dazu, jederzeit den Kontostand zu prüfen und auf ausreichendes Guthaben zu achten. Denn wenn nach einer Lastschrift nicht genug Geld auf dem Konto ist, gerät der Kunde automatisch in Zahlungsverzug und kann – sogar ohne Mahnung – unerwartet Post von einem Inkassobüro bekommen – „oftmals horrende Gebühren inklusive“, wie die VZ warnt. Das gilt übrigens auch für Lastschriften, die Stromversorgern oder Telekommunikationsanbietern zur monatlichen Abbuchung erteilt werden und für die Abbuchung der Miete.
Gefahr am Monatsende
Besonders am Monatsende ist die Gefahr groß, in Zahlungsversuch zu geraten. Sollte nur noch ein kleines Restguthaben auf dem Konto sein, dann kann es laut VZ passieren, dass die Bank zum Beispiel eine kleine Lastschrift von 11 Euro für einen Einkauf im Supermarkt nicht einlöst, um sicherzustellen, dass sie ihre Kontogebühren abbuchen kann.