Berlin. Schlaghosen, Hippiekleider, dicke Boots – viele Modeschätze der Vergangenheit kommen später wieder. Meist aber nicht für die gleiche Zielgruppe.

Jeder hat sie: die Modeperlen der Vergangenheit, an die man sich mit den Freunden bei einem Glas Wein zurückerinnert. "Weißt du noch, als wir damals alle diese Tattoo-Ketten getragen haben?" Oder: "Erinnert ihr euch noch daran, als wir uns alle Bandanas um den Kopf gebunden haben?" Diese modische Nostalgie ist unter anderem darin begründet, dass die Gegenwart häufig als glanzlos und schwierig wahrgenommen, die Vergangenheit aber idealisiert wird, sagt Anita Krizanovic, Stylistin aus Berlin. Und das passiert ganz unabhängig davon, in welcher Zeit man eigentlich gerade lebt.

Mode-Nostalgie als Erinnerung an "bessere" Zeiten

Aber nicht nur darin liegt die Mode-Nostalgie begründet. Denn meist erinnert man sich an Kleidung und Accessoires, die man als Teenie und als früher Twen trug. Sie sind eben aus einer Zeit, in der man viel erlebt und experimentiert hat, erklärt Inka Müller-Winkelmann, Stilberaterin aus Schildow (Brandenburg). "Da hatte man so seine Sachen, mit denen man Zugehörigkeit demonstrieren wollte."

Auch interessant

Teils waren diese Klamotten auch den damaligen Vorbildern nachempfunden. Daher ist das Erinnern an diese Modeschätze der Vergangenheit auch ein Erinnern an das Lebensgefühl von damals und die emotionale Verbindung mit den Ikonen, sagt Christine Halina Schramm, die an der Internationalen Modeschule Esmod in Berlin Marketing unterrichtet.

Generationen haben andere Vorstellung von Jugendmode

Für die heute 30-Jährigen waren das zum Beispiel die Grunge-Musiker, die sie in ihrer Jugend begleiteten. Sie denken zurück ans klassische Tank Top, an zerschnittene Hosen mit Löchern und an Karo-Hemden. Auch ein Symbol der 90er: die gute alte Trainingsjacke. "Jeder hat sie geliebt", sagt Schramm. Wer heute in den 50ern steckt, hat ganz andere modische Erinnerungen und hütet vielleicht noch diverse Schätze im Schrank. Etwa eine Lederjacke aus rauerem Material, oder Schuhe mit Pfennigabsätzen, beschreibt Schramm.

Doch nicht nur die individuellen Schätze wecken in der Mode nostalgische Gefühle. Es gibt auch Reminiszenzen an Kleidungsstücke früherer Zeiten, die man eben nicht selbst miterlebt hat, sagt Krizanovic. Es sind dann Erinnerungen an eine Idee, erklärt die Stylistin. So lassen sich die heute 30-Jährigen in ihrer jetzigen Mode gerne von den 70ern und dem Boho-Schick inspirieren.

Modebranche macht sich emotionale Nostalgie zunutze

Die Nostalgie macht sich die Branche auch zunutze. So kommen manche Motive und Schnitte immer wieder. Die Mode bringt eigentlich selten Innovationen hervor, sagt Schramm. Sie lebe aus der Kombination von dem Alten mit dem Neuen. Deshalb ist die Schlaghose auch schon mehrfach wieder aufgetaucht. Deshalb sieht man in diesem Sommer auch wieder die Blümchenkleider.

Auch interessant

Was das aber nicht bedeutet: dass die alten Schätze tatsächlich genau in ihrer alten Erscheinungsweise wiederkommen. So wird etwa am Material geschraubt. Eine Schlaghose kommt jetzt seltener als Breitcord-Variante daher, sondern gerne als Denim. Und die Schnitte sind angepasst, sagt Krizanovic.

Skandal-Hotpants aus den 70ern sind heute alltagstauglich

So gibt es zwar das Powerdressing für die Frau nach wie vor - aber nicht mit den überdimensionalen Schulterpartien, gibt Krizanovic ein Beispiel. Die guten alten Blümchenkleider sind heute weiter geschnitten, zeichnen eine andere Silhouette. Und waren die Hot Pants in den 70ern noch ein Skandal und gleichzeitig Rebellion für mehr Freiheit, sind sie heute alltagstauglich geworden.

Und was passiert nun mit den eigenen Modeperlen, die noch im Schrank hängen? Für manche Dinge ist die Zeit tatsächlich einfach abgelaufen, sagt Müller-Winkelmann. So wirken Fußkette und Hüftkette bei Frauen ab 30 schon etwas seltsam, ab 40 seien diese Stücke dann ganz passé. "Man sollte nicht mehr versuchen, auszusehen wie 18", sagt die Stilberaterin. "Das ist albern." Ist die Zeit für das spezielle Stück aber wiedergekommen, könnten zum Beispiel die eigenen Kinder von den Schätzen im Schrank profitieren. (dpa)