Essen. . Als Nachbar hilfsbereit zu sein, ist ein netter Zug. Zum Beispiel, wenn man Pakete für andere annimmt. Rechtlich ist das nicht immer unkritisch.

Pakete für Nachbarn annehmen ist für viele zur Gewohnheit geworden, mitunter eine nervende Gewohnheit, dank Amazon, Zalando und Co. Schließlich boomt der Online-Handel, und Paketzusteller geben sich tagsüber die Klinke in die Hand. Gerade zur Weihnachtszeit steigt das Paket-Aufkommen erheblich.

Im Großen und Ganzen ist man als hilfreicher Nachbar vor Rechtsfolgen gefeit. Es handelt sich schließlich meist nur um eine Gefälligkeit. Aber es gibt Ausnahmen. Man kann die Annahme von Post für andere selbstverständlich verweigern. Manchmal sollte man das sogar. Corinna Reisewitz, Juristin der Verbraucherzentrale NRW räumt mit ein paar Rechtsirrtümern auf.

Ein Nachbar ist ein klar definierter Begriff? Nein, so ist es nicht

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"Dessen Haus oder Wohnung angrenzt oder in der Nähe eines andern ist" - den nennt man im Deutschen "Nachbar", heißt es etwa im Wörterbuch der Brüder Grimm, der ersten systematischen Erfassung des deutschen Wortschatzes. Doch dass der Begriff rechtlich klar ist, das ist eher ein Märchen. Wie genau man den Begriff "Nachbar" definieren muss, ist im Postverkehr sogar "ein ständiger Streitpunkt", sagt Corinna Reisewitz, Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW, mit dem sich schon mehrere Gerichte befasst haben. So reicht es nach gängiger Auffassung nicht aus, wenn der Zusteller auf eine Benachrichtigungskarte nur "Nachbar" schreibt, wenn er eine Postsendung an anderer Stelle im Haus abgegeben hat. Manchen Gerichten, sagt Reisewitz, reicht aber etwa die Angabe "direkter Nachbar" aus. Allgemein gelte: In einem Mehrfamilienhaus sind gemeinhin alle übrigen Hausbewohner Nachbarn. In Hochhaussiedlungen wiederum nur die Mitbewohner auf der Etage.

Es ist nicht entscheidend, ob ich einen Nachbarn wirklich kenne! Falsch

Wenn man weiß, dass es die auf einer Postsendung adressierte Person im Haus nicht gibt, dann sollte man eine solche Sendung nicht annehmen, sagt Corinna Reisewitz, Juristin bei der Verbraucherzentrale NRW. Wenn es sich später als Straftat herausstellt, weil Betrüger zum Beispiel einen falschen Namen auf die Klingel einer leerstehenden Wohnungen gesetzt haben, dann ist dadurch höchst wahrscheinlich ein Schaden entstanden – und zwar dem Absender. Die einzige Adresse in der Sendungsverfolgung ist der Nachbar, der die Sendung für jemand anderen angenommen hat. Kommt es zu einem Verfahren, müsste aber Vorsatz nachgewiesen werden. Der wäre etwa gegeben, wenn man das Paket angenommen hat, im Wissen darum, dass es den Adressat an der Adresse nicht gibt. Das gilt auch, wenn ein Fremder im Besitz der Abholkarte ist und die Postsendung in Empfang nehmen will. Irrtümer des Lebens

Es ist egal, wann ich dem Nachbarn sein Paket aushändige! Nicht ganz

Corinna Reisewitz erklärt: Wenn man mit dem Nachbarn vorher etwas ausgemacht hat, dann steht man rechtlich in einem Auftrags-Verhältnis und sollte sich an die Absprache halten. Das ist zum Beispiel so, wenn der Nachbar den Erhalt einer Sendung angekündigt hat und man vereinbart hat, sie für ihn in Empfang zu nehmen. War man einfach nur da, als der Zusteller klingelte, und nimmt eine Postsendung für jemand anderen im Haus an, dann ist das rechtlich ein Gefälligkeitsverhältnis. Dafür gibt es keine Fristen.

Die Unterschrift ist nur für den Zusteller wichtig. Nun, ja...

Damit quittiert man, dass man die Postsendung angenommen hat. Und man wird für die Sendungsverfolgung erfasst. Es ergibt sich jedoch keine rechtliche Verpflichtung gegenüber dem Postunternehmen. Auch gegenüber dem Absender hat man sich zu nichts verpflichtet. Gegenüber dem Empfänger aber schon...

Ich bin nicht der Empfänger, also hafte ich für nichts? Nein 

Wenn ich ein Paket annehme, es dem tatsächlichen Empfänger dann einfach vor die Wohnungstür lege und es wird gestohlen, dann habe ich mich fahrlässig verhalten und kann dazu verurteilt werden, Schadenersatz zu leisten. Wenn einem das Paket, das man für den Nachbarn angenommen hat, hinfällt oder man stolpert darüber und beschädigt den Inhalt, dann handelt man ebenfalls fahrlässig. Den Schaden könnte man dann seiner Haftpflichtversicherung melden, die müsste dafür aufkommen. Andere Situation: Das Paket wird aus der Wohnung gestohlen - wer haftet dann? "Sobald man eine Postsendung für einen Nachbarn annimmt und in der Wohnung aufbewahrt, gehört sie zum Hausrat", erklärt Corinna Reisewitz von der Verbraucherzentrale NRW. Kommt es zum Diebstahl aus der Wohnung, muss die Hausratversicherung für den Schaden einspringen, sofern man eine hat. Sonst gibt es keine Haftungsverpflichtung. Handelt es sich um einen „Versendungskauf“, trägt der Händler das „Preisrisiko“. Das heißt: Der Händler muss dem Empfänger in einem solchen Fall den Preis zurückerstatten. Gleiches gilt auch bei Ebay-Käufen von gewerblichen Händlern. Bei privaten Käufen oder Sendungen gilt das nicht.

Der Zustand der Postsendung kann mir egal sein! Nein, sollte es nicht

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Man sollte immer auf Beschädigungen achten, auch wenn eine Postsendung nicht an jemand anderen adressiert ist und man nur eine Gefälligkeit etwa für einen Nachbarn leistet, rät Corinna Reisewitz. Ist die Verpackung deutlich eingerissen oder anderweitig beschädigt, sollte man die Annahme besser verweigern, einfach um Ärger zu vermeiden, um den sich besser der eigentliche Empfänger kümmert. Hat man dennoch eine bereits beschädigte Sendung angenommen, kann man dafür aber nicht belangt werden. Das muss der tatsächliche Empfänger dann mit dem Absender ausmachen, oder mit dem Postunternehmen. "In der Regel ist es in solchen Fällen so, dass der Absender der Sendung beim Postdienst eine Schadensmeldung macht", sagt Corinna Reisewitz. So haben es die meisten Postfirmen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt. Das Postunternehmen muss dann prüfen, wie es zu dem Schaden gekommen ist.

Postsendungen dürfen überhaupt nicht bei Nachbarn abgeliefert werden? Eigentlich nicht...

Die Postunternehmen haben in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt, dass Sendungen auch an Nachbarn zugestellt werden. "Der absendende Auftraggeber ist damit einverstanden, dass die Übergabe auch an eine andere Person erfolgen darf", heißt es etwa beim Paketdienst "Hermes". Dazu zählt Hermes "anwesende Mitglieder und Angestellte eines Haushalts" oder "unmittelbare Nachbarn des Adressaten". Bei DHL gilt eine Postsendung als ordnungsgemäß zugestellt, wenn sie bei einem "Ersatzempfänger" abgegeben wurde; das kann ein "Hausbewohner" oder ein "Nachbar" sein. Der Paketdienst DPD wiederum könnte die Sendung auch im Nachbarhaus abgegeben haben. In den AGB heißt es dazu: Nach dem ersten erfolglosen Zustellversuch "ist DPD berechtigt" einen "empfangsbereiten Nachbarn des Empfängers" aufzusuchen". Soweit sich im selben Haus niemand finde oder es dort keinen gebe, kann die Sendung "in einem/einer in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen (jedoch nicht weiter als 50 Meter entfernten) Nachbarhaus/Nachbarwohnung" zugestellt werden.

Worauf Corinna Reisewitz noch hinweist: Man kann als Absender eine "Ersatzzustellung" auch ausschließen, etwa beim Abgeben des Pakets oder online, wenn man die Sendungsnummer hat. Wenn man keine Pakete für andere annehmen möchte, sollte man das dem Zusteller mitteilen; "meist haben die Zusteller feste Bezirke", sagt Corinna Reisewitz. Ein Hinweis an der Tür oder Klingel dürfte auch wirken. Aber das sei vielleicht mit Blick auf das Nachbarschaftsverhältnis nicht so positiv, meint Reisewitz.

Informationen und Formulare, etwa für Beschwerden gegenüber Paketdiensten, hat die Verbraucherzentrale auf einer Internetseite zusammengestellt: www.paket-aerger.de