Essen/Gifhorn. Ab kommenden August wollen die Sparkassen bundesweit beginnen, Girokarten mit Funkchip auszugeben. Mit ihnen sollen Kunden kontaktlos Beträge bis zu 20 Euro elektronisch bezahlen können. Damit wächst die Konkurrenz zum Bargeld. Wird es bald sogar verdrängt?

Wer beim Bäcker die EC-Karte zückt, hat bis dato kaum die Möglichkeit, dort tatsächlich bargeldlos zu zahlen. Die Zeiten sollen sich bald ändern: Ab diesem August wollen die Sparkassen bundesweit neue Girokarten einführen. Sie werden mit einem Funkchip ausgerüstet. Kunden können mit dessen Hilfe Kleinbeträge bis zu 20 Euro elektronisch zahlen, kontaktlos, ohne PIN-Eingabe – und nach Möglichkeit überall, also auch bei Bäcker, Metzger oder Kiosk.

Langfristig geht es mit den neuen Girocards also um nicht weniger, als das sie das Bargeld aus dem Alltag verdrängen könnten. Es ist der zweite Versuch, sozusagen. Denn die neuen Girokarten sollen die Geldkarte ablösen. Die gibt es seit 15 Jahren, aber sie fristet ein Schattendasein in den Geldbörsen (siehe Infobox unten).

"Deutschland ist ein Bargeld-Land - nur wie lange noch?"

95 Prozent der Kunden im Einzelhandel bezahlen laut Bundesbank-Statistik bis dato Beträge bis zu 20 Euro in bar. „Deutschland ist ein Bargeld-Land, nur wie lange noch?“ fragt Ulrich Binnebößel, Sprecher des Handelsverbands HDE. Der Anteil der Kartenzahlung wächst jährlich um etwa 1,5 Prozent, gleichzeit nehmen Bargeld-Transaktionen um etwa 1 Prozent pro Jahr ab. 2012 könnte sich die Konkurrenz zum Bargeld beschleunigen.

Alle 45 Millionen Sparkassen-Kunden sollen bis Ende 2015 Girokarten mit Funkchip erhalten. Karten, die bis Ende 2012 ablaufen, sollen ab August ausgetauscht werden. Die Neuen tragen dann einen NFC-Chip in sich, auf dem man 20 Euro (später vielleicht auch mehr) elektronisch speichern und kontaktlos ausgeben kann.

„In weniger als einer Sekunde ist ein Zahlungsvorgang erledigt“, schwärmt Alexa von der Brelje von der neuen Bezahltechnik. Zudem seien die Karten auch in punkto Hygiene gegenüber Münzgeld ein Gewinn meint von der Brelje. Sie ist Sprecherin der Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg, wo die neuen Girokarten schon bis April verteilt werden: „Wir sind Pilotregion in Deutschland“. Neu ist auch: Anders als bei der Geldkarte können die Bezahlchips direkt im Handel aufgeladen werden, sofern dort ein Lesegerät steht.

Sparkassen wollen jetzt den Handel von der neuen Bezahltechnik überzeugen

Funktioniert Kontaktlos und ohne PIN-Nummer: Die neuen Sparkassen-Karten haben einen NFC-Funkchip. Anders als bei der Geldkarte soll man ihn an jedem Lesegerät im Einzelhandel aufladen können. (Foto: Sparkassen- und Giroverband)
Funktioniert Kontaktlos und ohne PIN-Nummer: Die neuen Sparkassen-Karten haben einen NFC-Funkchip. Anders als bei der Geldkarte soll man ihn an jedem Lesegerät im Einzelhandel aufladen können. (Foto: Sparkassen- und Giroverband)

Auch an Rhein und Ruhr bereiten die Sparkassen die Einführung vor. In Dortmund geht es um 280.000 Karten, in Düsseldorf sind es 250.000 Kunden, die ab der zweiten Jahreshälfte neue Sparkassen-Karten erhalten sollen. Der Handel muss für die neue Technik erst noch gewonnen werden. Bundesweit haben laut Sparkassen- und Giroverband bereits die Parfumerie-Kette Douglas und die Tankstellen-Kette Esso erklärte, bis Ende des Jahres NFC-Lesegeräte einzuführen. Lokal hängt die Umstellung an jeder Sparkasse selbst. Die Sparkasse Duisburg etwa hat in diesem Monat mit der Händlerakquise begonnen.

„Bisher ist Bargeld das günstigste Zahlungsmittel“, sagt HDE-Sprecher Binnebößel. Der Abrechnungsaufwand schlägt laut Studien des HDE mit etwa 2 Cent Pro Transaktion zu Buche. Zahlt ein Kunde dagegen mit EC-Karte, kostet das den Händler mindestens 8 Cent, ab etwa 25 Euro Einkaufswert gar 0,3 Prozent des Umsatzes. Binnebößel: „Hinzu kommen noch Kosten für Terminal, Telefonanschluss und Netzbetreiber“, die durchschnittlich noch mal zehn Cent ausmachen können. Pro Zahlungsvorgang. Die Funkchip-Girocard soll zwischen 1 und 3 Cent Gebühr je Transaktion kosten, Leitungskosten fallen nicht an. Binnebößel: „Das Preismodell ist für den Handel attraktiv“.

Das Smartphone als virtuelle Geldbörse – Google Wallet und Co.

Aber auch andere Zahlungssysteme stehen in diesem Jahr vor der Markteinführung. „Der E-Commerce wandert in die reale Welt“, beobachtet man beim HDE. So ist der Online-Bezahldienst PayPal dabei, sich auch im stationären Einzelhandel als Bezahlplattform anzudienen. Nutzer zahlen per Smartphone, dessen Kamera die Rechnung per QR-Code einliest und in sekundenschnelle auf das Händlerkonto überweist; abgebucht wird von der Mobilfunkrechnung.

Auch Google hat eine virtuelle Brieftasche in den USA im Probelauf, die auch in Europa starten soll. „Google Wallet“ setzt dabei auf NFC-Technik, die bereits jetzt in einigen Smartphone-Modellen steckt. Doch beim HDE hat man in punkto Google Bauchschmerzen, sagt Sprecher Binnebößel: „Als Gegenleistung will Google kein Geld, sondern Informationen: Was wird eingekauft, wo wird eingekauft.“

Knackpunkt Datenschutz - wie sicher ist die NFC-Technik?

Ohnehin sind nicht alle Datenschützer von den neuen Zahlungstechniken begeistert. Laut Sparkassen- und Giroverband sind auf dem NFC-Chip „nur zahlungsrelevante Daten gespeichert, keine Personenbezogenen“. Auch eine direkte Verbindung zur Kontonummer der Karte sei nicht per Funk abrufbar Jedoch lässt sich damit verfolgen, was man wo bezahlt hat. Aus Sicht des Verbandes bietet das eine "bessere Transparenz als bei Bargeld“.

Die Near Field Communication-Technik NFC ist eine Weiterentwicklung der umstrittenen RFID-Chips, erklärt Prof. Tim Gyneysu von der Ruhr-Universität Bochum. Das will man beim Sparkassen- und Giroverband auf keinen Fall so kommunizieren: „RFID ist was anderes“, behauptet Sprecherin Michaela Roth. Der Grund: RFID hat in Deutschland keinen guten Ruf. Der Bielefelder Datenschutzverein Foebud, Ausrichter der deutschen Big Brother Awards, spricht bei RFID gar von Spionagechips, weil sie Kundenverhalten – vom Nutzer unbemerkt – festhalten können. Die Chips sind in der Logistik weit verbreitet, mit ihnen lassen sich etwa Warenströme und –Bestände auf Knopfdruck erfassen.

Auch interessant

„Karten mit NFC-Technik sind ein kleiner Computer“, erklärt Prof. Tim Gyneysu. Sie haben einen Speicher, ein kleines Programm, ausgelesen werden sie per Induktionstechnik, was auch aus 30 Zentimeter Entfernung funktionieren könne. NFC-Chips seien „sicherer als der Computer zuhause“, meint Gyneysu. Allerdings gebe es „viele Angriffsmöglichkeiten“, die sich vor allem auf die Lesegeräte konzentrieren würden. Wenn diese zuverlässig sind, wie es die Sparkassen betonen, hält Gyneysu die Girokarten-Technik für „sehr sicher“.

Anders urteilt er über die Kombination aus Handy und NFC-Chip, worauf man etwa beim Modell Google Wallet setzt: Die Virus-Gefahr bei Handys, vor allem mit Android als Betriebssystem, sei sehr groß. Sein Urteil: Das Handy als Bezahlmittel verfügt über „keine gesicherten Komponenten“.