Mülheim/Dortmund. Tanzen ist absolut in – auch bei Kindern und Jugendlichen. Die Konkurrenz für anerkannte Tanzlehrer aber wächst. Wer in der Branche überleben will, muss Mut und Kreativität beweisen. Und unternehmerisches Geschick.
Lang, lang, kurz, kurz, lang ... Lange her, dass Sie die Tango-Schrittfolge in Ihrem Tanzkurs lernten? Tanzen ist absolut angesagt. Doch die Tanzschulen sehen sich einem wachsenden Konkurrenzdruck ausgesetzt – nicht zuletzt durch Angebote in Kirchengemeinden, Sportvereinen oder Volkshochschulen.
Thorsten Ritter schwebt über das Parkett. Das Headset im Ohr, die Arme und Beine in Dauerbewegung. Während er für den Wiener Walzer „Strecke macht”, erklärt er zugleich seinen Schülern, was er tut, baut absichtlich Fehler in seine Schrittfolgen ein, erzählt Anekdoten. Der Mülheimer ist aber nicht nur der smarte Tanzlehrer, Moderator und Conférencier, an dessen Lippen die Schüler hängen. Vor und nach dem Unterricht ist Ritter auch Buchhalter, Einkäufer und Eventmanager.
„Ich bin in erster Linie Unternehmer”
„Ich bin in erster Linie Unternehmer”, sagt der Inhaber der Tanzschule Ritter von sich selbst. Wie viele seiner Kollegen kommt er aus dem professionellen Tanzsport, holte internationale Preise und trat gemeinsam mit seiner Frau in Shows und auf Bällen auf. Nach einer vierjährigen Ausbildung zu Tanzlehrern machte sich das Paar 1997 in Mülheim selbstständig.
„Wir hatten mehrere Angebote, bestehende Tanzschulen zu übernehmen. Wir entschieden uns aber für eine Neugründung.” Ohne die Patina, die althergebrachten Schulen mit kleinen holzvertäfelten Räumen und gestrengen Lehrern anhaftete. Das piefige Tanzschul-Image, das vor Jahrzehnten Generationen von Jugendlichen den Spaß am Gesellschaftstanz verdarb, hat die Branche weitgehend abgelegt.
„Die Knigge-Fibel verteilen wir nicht. Wir achten bei Kindern und Jugendlichen aber darauf, dass sie sich respektvoll untereinander verhalten”, so Ritter. Im Gegensatz zu Tanzlehrern, die ihren Schülern beibringen, wer wen zuerst zu grüßen hat und wie man mit Messer und Gabel isst, legt der Mülheimer eher Wert auf Beweglichkeit und Motorik, die bei vielen Kindern nachlasse.
„Man muss in schlechten Zeiten investieren, um in guten davon zu profitieren”
Ganztagsunterricht an den Schulen und wachsender Leistungsdruck – Ritter beobachtet, dass sich das Freizeitverhalten der Jugendlichen ändert. Hiphop- oder Videodance-Kurse kann er frühestens ab 16 Uhr anbieten. Ein Grund, warum er sich entschloss, mitten in der Krise zu investieren. Im Dezember will er mit seinen fünf Lehrern ein neues Tanzhaus in der Mülheimer Innenstadt mit dann drei Sälen beziehen. Ritter: „Man muss in schlechten Zeiten investieren, um in guten davon zu profitieren.”
Den anderen Weg ging Heiko Feltens, der seit 40 Jahren die Dortmunder Traditions-Tanzschule Conradi leitet. 1872 gegründet, gehört sie zu den ältesten in Deutschland. 1975 baute sie Feltens zu einer der größten aus: 2300 m2 und in der Spitze 20 Mitarbeiter. „Zum richtigen Zeitpunkt haben wir uns Ende der 90er Jahre dann kleiner gesetzt. Sonst wären wir heute pleite”, erzählt der Tanzlehrer. Damals hatte er sich die zurückgehende Geburtenrate in Dortmund und die wachsende Konkurrenz angeschaut. „Mit drei Leuten und einem Saal kommen wir heute gut hin.”
„Wir spüren den Rückgang in der Gastronomie”
Sah Feltens in den 80er Jahren wöchentlich 2000 Tänzer vor den Conradi-Spiegeln, sind es heute im Schnitt nur noch 400. Wie alle Tanzschulen muss sich auch das Traditionshaus nicht nur gegen deutlich mehr Mitbewerber durchsetzen, sondern auch der Wirtschaftskrise trotzen. „Seit dem Sommer haben wir weniger Neuanmeldungen, die Stammkunden aber bleiben”, bestätigt Christiane Bock von der Dortmunder Tanzschule Bailar den Trend, den auch andere beobachten. Tanzparkett und Restaurant sind bei ihr auf engstem Raum in einem Fachwerkhaus vereint – ohne Lichtanlage und Discokugel. Bock: „Wir spüren den Rückgang in der Gastronomie.”
Das Tanzfieber vermögen die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aber nicht abzukühlen. „Tanz gewinnt permanent an Beliebtheit”, sagt Christian Götsch vom Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband. Das beflügelt auch die Kreativität. Die Tanzschulen wollen neue Trends anbieten.