Essen. . Dass Karstadt sechs Häuser schließen will, ist jetzt offiziell. Doch der neue Karstadt-Chef Stephan Fanderl deutet bereits weitere Einschnitte an. Es gebe „weitere acht bis zehn Filialen, bei denen die Situation ähnlich ist“. Außerdem fordert Fanderl Einsparungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld.
Kaum ist es beschlossene Sache, dass Karstadt sechs Häuser aufgibt, spricht der neue Konzernchef Stephan Fanderl schon offen über zusätzliche Einschnitte beim Filialnetz des Essener Warenhauskonzerns. Es gebe „weitere acht bis zehn Filialen, bei denen die Situation ähnlich ist“ wie in den Häusern, die in wenigen Monaten geschlossen werden, sagte der neue Karstadt-Chef dem „Handelsblatt“. Um welche Standorte es sich handelt, ließ der Manager offen. Mehr als 20 der aktuell 83 Filialen von Karstadt sind offenbar verlustreich und sollen eine letzte Chance zur Bewährung erhalten. „Jeder Händler verfügt immer über eine Liste mit Standorten, die kein Geld verdienen“, erklärte Fanderl. „Aber unsere Liste ist mit mehr als 25 Prozent aller Filialen lang, viel zu lang.“
In der Nacht zum Freitag – nach einer bis spät in den Abend andauernden Aufsichtsratssitzung – bestätigte das Unternehmen, dass bis Mitte nächsten Jahres zwei klassische Warenhäuser in Hamburg-Billstedt und Stuttgart geschlossen werden. Außerdem sollen die Filialen der auf junge Mode spezialisierten Karstadt-Kette K-Town in Köln und Göttingen sowie die Schnäppchenmärkte des Konzerns in Paderborn und Frankfurt/Oder ihre Tore zumachen. Fanderl zufolge sind davon 350 Arbeitsplätze betroffen.
„Diese Häuser stecken nachhaltig in den roten Zahlen, und es gibt nach unserer Analyse keine Möglichkeit, diese zu drehen – unter anderem aufgrund der Kaufkraft, der Wettbewerbssituation am Standort oder weil sich – wie bei K-Town – das Konzept nicht durchgesetzt hat“, sagte der Karstadt-Chef zur Begründung. Ohne zum Teil sehr schmerzliche Entscheidungen wie auch Filialschließungen werde es nicht gelingen, „das Überleben des Gesamtunternehmens“ zu sichern.
Verdi rechnet mit Abbau von rund 2000 Stellen
Zusätzlich ist nach Angaben der Gewerkschaft Verdi der Abbau von rund 2000 Stellen in der Karstadt-Hauptverwaltung in Essen und den verbleibenden Warenhäusern geplant. Konkurrenten von Karstadt kommen nach Einschätzung von Fanderl mit rund 15 bis 20 Prozent weniger Personal aus. Dies gelte nicht nur für die Filialen, sondern auch für die Verwaltung in Essen. Hier arbeiten derzeit rund 1700 Beschäftigte.
Von den derzeit noch rund 17 000 Beschäftigten der Warenhauskette erwartet Fanderl weitere finanzielle Zugeständnisse. „Wir müssen über Einsparungen beim Weihnachts- und Urlaubsgeld sprechen und darüber, die Tarifpause über 2015 hinaus zu verlängern“, betonte der neue Karstadt-Chef. Die „Tarifpause“ von Karstadt war schon in der Vergangenheit auf massive Kritik des Betriebsrats und der Gewerkschaft Verdi gestoßen. Im vergangenen Jahr hatte die Konzernleitung angekündigt, bis 2015 aus der Tarifbindung auszusteigen. Mögliche Lohnerhöhungen aus Tarifrunden gehen somit an den Karstadt-Beschäftigten vorbei.
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Karstadt-Sanierung soll drei Jahre dauern
Die Zugeständnisse seien notwendig, da Karstadt das zurückliegende Geschäftsjahr erneut mit einem Umsatzrückgang beendet habe und das Unternehmen nach wie vor defizitär sei, sagte Fanderl. Er sei sich aber sicher, dass die Karstadt-Mitarbeiter nach einer erfolgreichen Sanierung „so bezahlt werden, wie es im deutschen Handel üblich ist“. Für die Sanierung von Karstadt seien „sicher drei Jahre“ erforderlich. Ziel sei es, eine Rendite aus dem täglichen Geschäft in Höhe von zweieinhalb bis drei Prozent zu erzielen.
Für den Konkurrenten Kaufhof findet Fanderl im „Handelsblatt“ übrigens lobende Worte. „Wenn es darum geht, für die eigene Kundschaft zu arbeiten, keine großen Sprünge zu machen, aber mit Blick auf Sortiment, Preis und Service immer ein wenig besser zu werden – ja, dann ist Kaufhof eine Orientierungsgröße und hat ordentlich gearbeitet in den letzten Jahren. Ordentlicher als Karstadt“, sagte der neue Karstadt-Chef. Eine mögliche Fusion beider Unternehmen bezeichnete er als „eine der Fantasien, die den deutschen Handel antreiben“. Aber: „Momentan ist das für Karstadt weit weg.“
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Viel Kritik der Gewerkschaft, aber auch etwas Lob für den neuen Chef
Die Gewerkschaft Verdi und der Karstadt-Betriebsrat kritisierten die angekündigten Filialschließungen. „Für die Beschäftigten ist das heute ein bitterer Tag. Erneut werden sie für die Managementfehler der letzten Jahre bestraft“, sagte Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. „Statt genaue Ursachenforschung zu betreiben, warum Karstadt in der Krise ist, wird überstürzt die Entscheidung gefällt, einzelne Filialen zu schließen und in weiteren Filialen noch mehr Personal abzubauen.“
Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt kritisierte, die Entscheidungen nehmen vielen Karstadt-Beschäftigten „ihre Existenzgrundlage“. „Das ist bitter und uns bleibt nur, in den anstehenden Verhandlungen all unsere Möglichkeiten zu nutzen, um für die betroffenen Kolleginnen und Kollegen eine Perspektive zu schaffen.“ Sehr bedauerlich sei darüber hinaus, dass die neuen Konzepte ohne die Kenntnisse der Beschäftigten und der Arbeitnehmervertreter erarbeitet worden seien, fügte Patzelt hinzu. Ein bisschen Lob erhält der neue Karstadt-Chef allerdings auch von der Gewerkschaft. „Herr Fanderl hat große Expertise im Handel und das ist genau das, was Karstadt jetzt auch braucht“, sagte Verdi-Sprecherin Eva Völpel am Freitagmorgen im RBB-Inforadio.