An Rhein und Ruhr. . „Es muss deutlich mehr gegen die marode Verkehrsinfrastruktur getan werden!“ Das fordern Burkhard Landers und Stefan Dietzfelbinger von der Niederrheinischen Industrie- und Handelskammer im Gespräch mit NRZ-Chefredakteur Manfred Lachniet.

Marode Brücken und Kanäle, knappe Flächen für Firmenansiedlungen und drohende Anhebung der Gewerbesteuer und Chancen durch die Hochschulen – über das was aus Sicht von Industrie und Handel gut läuft und was schlecht – darüber sprach die NRZ mit Burkhard Landers, Präsident der Niederrheinischen IHK, und mit IHK-Hauptgeschäftsführer Stefan Dietzfelbinger.

Täglich Staus auf der A59, der A3, auf der A40 sowieso, und auch in den Innenstädten wird mehr gestanden als gefahren. Was sagen Industrie und Handel dazu, was verlangen Sie von der Politik?

Burkhard Landers: Dass deutlich mehr gegen die marode Verkehrsinfrastruktur getan werden muss, mahnen wir schon lange an. Erst die Sperrung der Leverkusener A1-Brücke war doch die Initialzündung für die Politik. Jetzt heißt es für sie aber auch zu handeln. Denn auch die A40-Brücke über den Rhein in Duisburg-Neuenkamp steht auf der Kippe. Sie ist ja bauähnlich mit der Leverkusener Brücke. Eine Baustelle dort wäre sicherlich erheblich schlimmer als derzeit mit der A59-Brücke, unter der die Unternehmen – von Industrie bis Logistik – erheblich leiden. Der innerstädtische Handel sorgt sich zu Recht, ob die Kundschaft nicht zum Teil ausbleibt. Was wir brauchen, ist ein Masterplan, der sowohl die schnelle Finanzierung als auch die Planung und Ausführung zügig auf den Punkt bringt. Fakt ist, wir sind doch schon viel zu spät dran.

Es geht ja nicht nur um Autos, was ist mit der Schiene und den Wasserwegen?

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Landers: Auch hier hinken wir hinterher. Äußerst kritisch ist der Zustand der Wasserstraßen. Die Schleusen sind zum Teil über 100 Jahre alt. Sind die dicht, geht per Schiff gar nichts mehr. Eine weitere Hauptschlagader für den Güterverkehr ist die Fortsetzung der niederländischen Betuwe-Linie, die uns mit dem Seehafen Rotterdam verbindet. Wir müssen bei der Umsetzung des 3. Gleises schneller vorankommen. Damit dieser Flaschenhals nicht noch enger wird, haben wir einen runden Tisch der Verantwortlichen mit der betroffenen Wirtschaft angestoßen. Denn die Unternehmen sehen mit großer Sorge, dass ihre Produkte nicht rechtzeitig ihre Märkte erreichen und umgekehrt fehlende Rohstoffe und Materialien ihre Produktion hier stocken lassen.

Der Wunsch der Wirtschaft nach neuen Gewerbeflächen ist unüberhörbar. Sieht es denn so schlecht aus?

Stefan Dietzfelbinger: Eine aktuelle Befragung, die wir gemeinsam mit der Duisburger Wirtschaftsförderung und dem Handwerk bei den Unternehmen durchgeführt haben, zeigt, dass es an geeigneten Flächen mangelt, und zwar sogar bei kleineren und mittleren Unternehmen, die ihren Betrieb erweitern wollen. Und: Wenn ein Großinvestor mal vor der Tür steht, dann müssen wir wohl passen. Das ist fatal. Deswegen müssen wir mit Nachdruck dafür sorgen, dass gut erschlossene und attraktive Gewerbeflächen auch für Industrie und Logistik zur Verfügung stehen.

Im Nachbarland Niederlande scheinen Veränderungen schneller zu gelingen. Ist das so, woran liegt es? Was kann man von ihnen lernen?

Landers: Wir sehen sehr genau hin, was sich wie bei unseren Nachbarn tut. Beispiel: Die Maas-Häfen werden dort mit erheblichen Mitteln ertüchtigt, weil der Gütertransport ins Hinterland – zu uns und ins Ruhrgebiet – weiter zunehmen wird. Und es ist erstaunlich, wie zügig dort wichtige Entscheidungen getroffen werden. Wir sehen hier einen deutlich pragmatischeren Ansatz und auch das Verständnis, dass das Gemeinwohl Vorrang hat. Die Niederländer können sich schnell auf Veränderungen und Herausforderungen einstellen.

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Ein Paradebeispiel ist die Luftverkehrssteuer. Noch vor der Einführung hier in Deutschland hatten unsere Nachbarn dies getan. Und als sie dann spürten, dass die Zahl der Fluggäste deutlich schrumpfte, weil die Reisenden den Mehraufwand nicht zahlen wollten, haben sie die Steuer schon ein Jahr später gekippt. Nicht nachvollziehbar ist, dass uns das Problem erhalten bleibt. Der Airport Weeze, an sich leistungsstark und ausbaufähig, leidet extrem darunter.

Wie sehen Sie die Zukunft des Airports?

Landers: Der Airport ist ein Pfund für unsere Region und darüber hinaus. Er ist nach Passagieren der drittgrößte Flughafen in NRW und verfügt über freie Kapazitäten. Deshalb verstehen wir nicht, dass das Land ihn ohne nachvollziehbaren Grund nur als regional bedeutsam bewertet, während etwa der kleinere Airport Münster/Osnabrück als landesbedeutsam eingestuft wird. Nach dem derzeitigen Entwurf des Landesentwicklungsplans bedeutet das, dass sich Weeze nur mit Zustimmung des Flughafens Düsseldorf entwickeln könnte. Ein Unding. Es gibt inzwischen genügend Stimmen, die sich eher für eine sinnvolle Kooperation zwischen beiden aussprechen, indem Weeze Düsseldorf, wo es zunehmend Kapazitätsengpässe gibt, entlastet. Wir sind aber guter Hoffnung, dass die Landespolitik in die richtige Richtung steuert.

Bald tagen in den Städten und Kommunen die neuen Räte. Und gerade bei den ärmeren Kommunen steht sicher eine Diskussion über die Gewerbesteuer an, eben deshalb, weil sie knapp bei Kasse sind. Was sagen Sie den Kommunalpolitikern?

Dietzfelbinger: Finger weg von einer weiteren Erhöhung der Hebesätze. Es wird den Unternehmen schon zu viel in die Tasche gegriffen. Unverständlich ist, dass manche Kommunen sogar auf Jahre eine Anhebung festgelegt haben. Wer vernünftig und solide wirtschaften will, muss an allererster Stelle seine Ausgaben in den Griff bekommen. Heißt: Wir fordern hier mehr unternehmerisches Denken. Dass es auch anders geht, sehen wir zum Beispiel an der Gemeinde Weeze, die sogar eine Steuersenkung durchgesetzt hat. Jeder Standort sollte hier ein positives Signal geben – für die ansässige Wirtschaft und für potenzielle Investoren.

Der RVR setzt sich ebenfalls neu zusammen, deutlich vergrößert. Freuen Sie sich auf das neue Gremium, das ja auch in der städtischen Planung mitwirkt?

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Dietzfelbinger: Wir setzen auf eine engere Kooperation der Kommunen, doch:Was soll daran erfreulich sein, wenn eine Institution aufgebläht wird und das Ruhrgebiet sich gegenüber dem Umland abschottet? Das Ganze wird auch zu mehr Bürokratie führen. Es darf keine Grenzen der Zusammenarbeit geben. Die Kommunen müssen sich die Freiheit erhalten, dort, wo es sich anbietet, zu kooperieren. Das betrifft auch die gemeinsame Bereitstellung von Flächen. Im Übrigen zeigen auch Studien: Es wäre besser, das Ruhrgebiet würde sich enger mit dem Umland zusammentun, statt sich abzuschotten. Die positiven Effekte können wir hier am Niederrhein feststellen.

In Kleve ist eine neue Hochschule auch mit einem Campus in Kamp-Lintfortgegründet worden. Dazu haben wir in der Region die Universität Duisburg-Essen. Was muss geschehen, damit daraus auch neue Arbeitsplätze entstehen?

Landers: Zunächst einmal gehen davon wie auch von dem neuen Standort der FOM Hochschule für Oekonomie & Management in Wesel ganz wichtige Impulse in unsere Region. Für die Unternehmen ist es entscheidend, ihr Augenmerk nicht nur auf die Absolventen der Hochschulen zu richten, sondern sie auch schon während des Studiums kennenzulernen und wenn möglich auch zu begleiten. Die Wirtschaft kann in ihrem Umfeld hervorragenden Fachkräftenachwuchs rekrutieren. Und der soll natürlich in unserer Region bleiben. Dass die noch junge Hochschule Rhein-Waal schon einige tausend Studierende zählt, ist fantastisch. Unsere IHK unterstützt von Anfang an diese Entwicklung und fördert auch mit unserem erfolgreichen Förderverein die Netzwerkbildung zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Studierenden.

Was wünschen Sie sich noch für die Wirtschaft und die Region?

Landers: Letztlich geht es doch immer um Wettbewerbsfähigkeit, um Planungssicherheit und verlässliche Rahmenbedingungen. Nur so ist der Wegfrei für Investitionen und für die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Dabei spielt eine sichere und bezahlbare Energieversorgung eine große Rolle. Dass hier einiges im Argen liegt, spürt ja jeder an seiner Geldbörse. Bedrohlich ist es geradezu für die energieintensive Industrie, die hier in unserer Region stark vertreten ist. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz darf in seiner jetzigen Fassung nur ein Zwischenschritt sein. Beispiel: die Einbeziehung der Energie-Eigenerzeugung für Neuanlagen in die EEG-Umlage. Immerhin gibt es noch einen Bestandsschutz für Altanlagen bis 2017. Fakt ist, das die Belastung von Eigenerzeugung schädlich ist: Sie bedeutet einenzusätzlichen Kostendruck für die Unternehmen, insbesondere für den Mittelstand. Am Ende darf kein Flickwerk bestehen, sondern eine wirtschaftlich tragbare Lösung, die auch in den Augen der EU-Kommission Bestand hat. Es bleibt also noch einiges nachzubessern.