Duisburg. Ein Pferd ist kein Schaukelstuhl zum Abschalten, findet Gabriela Grillo. Sie muss es wissen – als ehemalige Dressur-Olympiasiegerin. Die Aufsichtsratschefin des Duisburger Zinkspezialisten Grillo sprach über eine der härtesten Schulen des Lebens, ihre Pferdeliebe und Zwiesprachen mit Tiere

Frau Grillo, helfen Sie mir, ein Jugendtrauma aufzuarbeiten! Zu meiner Reiterzeit fanden Mädchen Pferde spannender als mich.

Grillo: Ist das wahr?

Leider ja. Woran lag's?

Zunächst einmal finden sich Mädchen oder Jungs in einem gewissen Alter eh doof. Unabhängig davon gibt ein Pferd Jugendlichen Bestätigung. Sie werden angenommen – egal, ob sie jung oder alt, arm oder reich sind, aussehen wie ein Star oder nicht. Vielleicht fühlen sich da viele vom Pferd besser verstanden als vom Menschen. Zudem kann man das Pferd pflegen, hat Verantwortung - das weckt bei Mädels mütterliche Instinkte. Aus der Jugend kenne ich aber ebenso viele Reiter, die ihr Pferd ebenso liebevoll gepflegt haben.

Wurden Sie damals auch vom Reiten vereinnahmt?

Reiten war der entscheidende Faktor. Ich hatte eine große Reiterclique, in der ich aufgewachsen bin. Aber vereinnahmt – nein. Ich habe von Kind auf auch Musik und Literatur geliebt und notfalls mit der Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen.

Hatten Sie, eine Grillo, eine herausgehobene Stellung?

Die Herkunft interessiert unter echten Reitern keinen Menschen. Sie interessiert vor allem kein Pferd.

Welche Bedeutung haben Pferde heute für Sie?

Eine ganz große. Leider habe ich im Augenblick so gut wie keine Zeit, zu reiten. Sitze ich wieder mal auf dem Pferd, merke ich, wie ich das Reiten vermisse. Auch ein Pferd putzen oder pflegen ist eine schöne Tätigkeit. Ich gehe schon noch täglich in den Reitstall und freue mich, mit meinen Pferden herumzuknuddeln oder mit ihnen Zwiesprache zu halten. Das tut mir gut und den Pferden auch.

Was hat Ihnen das Reiten für Ihre spätere Aufgabe als Konzernchefin gebracht?

Bei meinem Start (Gesellschafterin bei Grillo-Handel Anm. d. Red.) haben sich die Mitarbeiter gedacht: Gut, sie hat beim Reiten gelernt, diszipliniert zu arbeiten, und ist bereit, sich durchzubeißen. Daher haben sie gesagt: Du kannst bleiben, hast eine Chance verdient. So hat mir das Reiten die Chance gegeben, diese Aufgabe zu übernehmen.

Inwiefern half Reiten noch?

Reiten ist eine der außergewöhnlichsten Schulen, die der Mensch fürs Leben machen kann. Bei meinem Pferd Ultimo hatte ich maximal zu fünfzig Prozent das Sagen. Ich lernte, nicht den Beherrscher zu spielen, sondern zum Konsens zu kommen. Das sollte für einen Betrieb auch gelten. Als Reiter lernt man, sich in das andere Wesen hineinzuversetzen, um es besser verstehen zu können. Man bekommt einen Blick dafür, ob jemand authentisch ist oder etwas vorspielt. Zudem kann man mit der Zeit ohne Sprache kommunizieren. Ich habe gelernt, dass es Dinge gibt, bei denen es ungesund ist, wenn man ihnen das eigene Tempo aufpfropfen will. Teamfähigkeit ist etwas, das in der Reiterei besonders gut gelernt werden kann.

Können Sie beim Reiten abschalten?

Abschalten in dem Sinne kann ich nicht, ein Pferd ist ja kein Schaukelstuhl. Ein sensibles Pferd merkt sofort, wenn man nicht bei der Sache ist und zeigt das deutlich. Beim Reiten muss man aber alles andere wegschieben. Das tut Überlegungen und Problemen auch mal ganz gut, weil man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Wenn man vom Pferd absteigt, sieht man die Dinge manchmal ganz frisch. Insofern wäre es günstig, ich würde öfter reiten.

Was vermissen Sie, wenn Sie nicht reiten?

Zum einen die Kommunikation ohne Worte, die gut tut. Zum anderen fehlt mir die körperliche Arbeit. Ich empfinde rein geistige Arbeit als anspruchsvoll und schön, aber die zufriedene Ermattung, wenn man körperlich gearbeitet hat, vermisse ich. Ich bin daher wild entschlossen, bald wieder eine Stunde pro Tag zu reiten.

Wollen Sie weniger arbeiten?

Nein, aber ich versuche, eine andere Struktur in mein Arbeitsleben zu bekommen.

Tagsüber arbeiten, abends reiten?

Mir wäre es lieber, den Tag mit Reiten zu beginnen, und nicht abends erschöpft aufs Pferd zu steigen. Ein Pferd ist nicht dazu da, um zu „landen”.

Vervollständigen Sie bitte diese beiden Sätze: Ein Leben ohne Pferde wäre für mich..

... unvorstellbar.

Ohne mein Olympia-Pferd Ultimo wäre ich...

... um einen ganz wichtigen Teil in meinem Leben ärmer. Ultimo war meine ganz große Pferdeliebe.