Essen. . Längst sind es nicht mehr nur die Chinesen, die deutsche Produkte abkupfern. Nach Erkenntnissen des Verbandes der Maschinen- und Anlagenbauer kopieren auch immer mehr deutsche Firmen die Produkte ihrer heimischen Mitbewerber. Beispiel für Produktpiraterie ist ein patentierter Wischmopphalter.
„Geniales Wischgerät“, „gute Erfindung“, loben begeisterte Kunden. „Meine Frau liebt ihn“, schreibt der nächste Nutzer – politisch etwas unkorrekt – auf der Homepage der Firma Sprintus aus Weissach.
Es geht um den „Magic-Click“, ihren patentierten Wischmopphalter. Sprintus verkauft ihn für rund 14 Euro. Das Unternehmen musste feststellen, dass ein konkurrierender Putzmittel-Vertrieb aus dem Nordbayerischen sein geniales Produkt einfach kopiert hat und billiger anbot. Bei der jährlichen Preisverleihung des „Plagiarius“ in Solingen im Februar schafften es die Kopierer aus Bayern auf Platz 3.
Das dokumentiert: Deutsche kopieren Deutsches. Die heimatliche Betriebsspionage kommt viel öfter als geahnt vor. „Deutschland ist ein Plagiatsland“, stellt der Verband der Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) fest. Alle zwei Jahre untersucht er, wie stark Firmen unter Produktpiraterie leiden. Der neue Report fällt für „Made in Germany“ ernüchternd aus.
Deutschland bei Plagiaten gleich hinter China
„Deutschland liegt mit 23 Prozent als Herkunftsland von Plagiaten auf Platz zwei hinter der Volksrepublik China“, so der Bericht. Schlimmer: „Während bei Plagiaten aus China häufig von minderer Qualität und Funktion gesprochen wird, können die Plagiate deutschen Ursprungs als Hightech-Plagiate bezeichnet werden.“
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Noch sind zwar Grenzen, Häfen und Flughäfen Hauptkampfzonen im Kampf gegen Produktpiraten. Der Zoll hat 2013 nachgemachte oder gefälschte Waren im Wert von 134 Millionen Euro beschlagnahmt. Der Trend zieht an.
2012 stellten die Fahnder Werte von 127 Millionen, 2011 erst von 82 Millionen Euro sicher. Meist geht es um „persönliches Zubehör“ – Sonnenbrillen, Taschen, Uhren, Schmuck vor Schuhen und Pflegemittel. China bleibt Herkunftsland Nr.1 für Plagiate. Auch die Türkei holt auf.
Komplette Maschinen werden kopiert
Aber Deutschland? Immer schon hatte der VDMA die Heimat in Verdacht. „Wir gingen in den letzten Jahren aber davon aus, dass es sich bei den Plagiaten aus Deutschland um weiche Produkte handeln musste“ – Bedienungsanleitungen, Produktfotos, Kataloge. „Diese Aussagen müssen wir nach Auswertung der vorliegenden Daten komplett revidieren.“
Ganze Maschinen, Komponenten und Ersatzteile werden von Deutschen in Deutschland kopiert. Auftraggeber dafür ist oft der Wettbewerber auf dem Markt. „Knapp 90 Prozent der betroffenen Unternehmen zeigen mit dem Finger auf die Konkurrenz“, heißt es in dem Report.
Wie wird abgekupfert? Meist durch exakten Nachbau, das sogenannte Reverse Engineering. 66 Prozent der Unternehmen sind davon betroffen. In 43 Prozent der Vorgänge nehmen laut der VDMA-Umfrage unter 337 Anlagenbau-Firmen ausgeschiedene Mitarbeiter das Produktwissen zum nächsten Arbeitgeber mit.
Acht Milliarden Euro Schaden durch Plagiate
Der wirtschaftliche Schaden ist enorm – zumal betrogene Unternehmen oft auch noch den Ärger mit ungerechtfertigten Garantieforderungen und Schadenersatzklagen haben. Auf rund acht Milliarden Euro beziffern die Anlagenbau-Experten die Ausfälle. Und deshalb greift die Industrie jetzt zu ungewöhnlichen Mitteln.
Auf der Hannover-Messe haben sie ein Kooperationsabkommen mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz unterschrieben. Produktpiraterie aufzuklären – bisher: die aus dem Ausland –, war schon immer Sache der Geheimdienste. Jetzt sollen sie in die Betriebe gehen und auch über das Abkupfern im Inland informieren.