Berlin. Obwohl die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahren brummte, haben die Arbeitnehmer immer weniger verdient. Das geht aus einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. Während die Einkünfte von Unternehmern gestiegen sind, sanken die Löhne.

Die deutschen Arbeitnehmer haben in den vergangenen Jahren erstmals während eines Wirtschaftsbooms weniger verdient. Während die Löhne seit 2003 unter dem Strich sanken, stiegen die Einkünfte von Unternehmern und Kapitalanlegern, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Mittwoch mitteilte. Arbeitnehmer werden zudem im Vergleich zu Arbeitgebern - und auch Beamten - stärker mit Abgaben belastet.

Lohnzuwächse fielen der Inflation zum Opfer

Die Lohnsteigerungen von 2003 bis 2008 wurden durch die Inflation aufgefressen, wie die DIW-Studie ergab. Jahr für Jahr sei den Arbeitnehmern daher weniger Geld zum Leben übrig geblieben. Zunächst habe eine Senkung der Löhne die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gestärkt.

Auch die Mitglieder der IG-Metall würden gern mehr verdienen. Foto: ddp
Auch die Mitglieder der IG-Metall würden gern mehr verdienen. Foto: ddp © ddp

Einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik sei aber, dass die Löhne hierzulande auch nach dem Aufschwung, der im Jahr 2004 eingesetzt hatte, weiter gesunken seien. In den ersten vier Monaten dieses Jahres waren die Realeinkommen der Deutschen dagegen nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes erstmals wieder gestiegen. Grund war die niedrige Inflation seit Jahresbeginn.

Von den Erträgen der deutschen Wirtschaft wurden laut DIW im vergangenen Jahr 61 Prozent als Lohn an die Arbeitnehmer ausgezahlt, so wenig wie niemals zuvor. Noch im Jahr 2000 hatte die Quote demnach bei 68 Prozent gelegen. Im Gegenzug seien die Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit und aus Kapitalvermögen in den vergangenen fünf Jahren besonders stark gestiegen. Zwar sei eine solche Entwicklung in Boomzeiten normal, sie verlief aber nun laut DIW «rasant».

Belastungen der Arbeitgeber gesunken

Wie die Wirtschaftsforscher mitteilten, stieg bei den Arbeitnehmern zugleich die Belastung durch Steuern und Sozialabgaben weiter und liegt bei mehr als 50 Prozent. Die Belastungen der Arbeitgeber seien dagegen kaum gestiegen, etwa weil bei der Krankenversicherung die Lasten zu den Arbeitnehmern hin verschoben wurden. Angestellte und Arbeiter müssten zugleich weit mehr von ihrem Lohn für Steuern und Sozialversicherung abgeben als Beamte, die keine Sozialabgaben zahlen müssen.

Die Schwäche der Gewerkschaften hat laut DIW mit zu den sinkenden Reallöhnen beigetragen. Hier im Bild Verdi-Chef Frank Bsirske. Foto: ap
Die Schwäche der Gewerkschaften hat laut DIW mit zu den sinkenden Reallöhnen beigetragen. Hier im Bild Verdi-Chef Frank Bsirske. Foto: ap © AP

Schon in den 80er und 90er Jahren habe es Zeiten gegeben, in denen die Löhne der deutschen Arbeitnehmern gesunken waren, erklärte das DIW. Allerdings habe es in diesen Zeiten keinen Wirtschaftsboom gegeben. Damals hatten den Angaben zufolge vor allem höhere Steuern und Sozialabgaben zu dem Minus bei den Nettolöhnen geführt. Nun habe es aber ein tatsächliches Einkommensminus gegeben.

Schwache Gewerkschaften

Besonders bemerkenswert sei, dass die Löhne in Deutschland zurückgingen, obwohl die Menschen hierzulande immer öfter Berufe mit höherer Qualifikation ausübten. Die schwache Lohnentwicklung sei zudem nicht darauf zurückzuführen, dass die Einkommen von gering Qualifizierten gesunken sei. Vielmehr seien die Einkommen aller Berufsgruppen gesunken. Laut der Studie sei zu vermuten, dass «die großen Beschäftigungsprobleme der Unqualifizierten immer wieder herangezogen werden, um Forderungen nach höheren Löhnen generell im Zaum zu halten».

Als einen Grund für den Rückgang der Löhne auch in Boomzeiten nannte das DIW die schwächere Position der Gewerkschaften. So verliere die Industrie, wo die Gewerkschaften traditionell gut organisiert seien, an Bedeutung. Da aber dieser Trend auch in anderen europäischen Ländern existiere, bleibe auffällig, dass die Löhne hierzulande stärker sanken. (afp)