Essen. . Die Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis im Frühjahr 2011 war rechtswidrig. Das Land Hessen kann im Streit über die ein entsprechendes Urteil nicht wie erhofft in Revision gehen. Der Betreiber, der Essener Energieriese, kann nun auf Schadenersatz hoffen.

Ob man zu den Gewinnern oder Verlierern zählt, das hängt zuweilen maßgeblich vom Zeitpunkt ab. Jürgen Großmann, Chef des RWE-Konzerns in Zeiten der Reaktorkatastrophe von Fukushima, handelte sich in der öffentlichen Wahrnehmung in jenem Frühjahr 2011 den Ruf eines bockigen Atom-Dinos ein, weil er allein auf weiter Flur die Auseinandersetzung mit der Bundesregierung suchte – und gegen die vorübergehende Stilllegung des Kernkraftwerks Biblis klagte. Gestern gab das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig RWE letztinstanzlich recht.

Die Anordnung des hessischen Umweltministeriums zur dreimonatigen Stilllegung der Blöcke Biblis A und B ist rechtswidrig. Die Leipziger Richter bestätigten ein entsprechendes Urteil des Kasseler Verwaltungsgerichtshofs, indem sie die Beschwerde des Landes Hessen gegen das Kasseler Urteil abwiesen. Damit ist der Weg für den Essener RWE-Konzern frei, auf zivilrechtlichem Wege Schadenersatz von Hessen einzufordern.

Die Rede ist von 187 Millionen Euro, die im Wesentlichen aus der dreimonatigen Abschaltung des Blockes Biblis A resultieren. Block B befand sich damals in der Überholung und war nicht am Netz. Eine RWE-Sprecherin kündigte die Schadenersatzklage an, wollte sich aber nicht zur möglichen Schadenersatzsumme und dem Termin der Klage äußern.

RWE kann auf Schadenersatz hoffen

Damit hat RWE nun die Chance, zumindest materiell einen Ausgleich für die Stilllegung zu erhalten. Gleichwohl hat der Essener Energieriese mit seiner Klage in der damals hitzigen Debatte kurz nach der Katastrophe einen heftigen Imageschaden erlitten. So verzichteten der Düsseldorfer Eon-Konzern wie auch der baden-württembergische Energiekonzern EnBW auf eine Klage gegen das dreimonatige Atom-Moratorium.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte drei Tage nach der Kernschmelze aufgrund eines starken Erdbebens in Fukushima entschieden, die sieben ältesten Kernkraftwerke vorübergehend stillzulegen (Moratorium) und alle 17 einer Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Dies geschah auf der Basis des damals gültigen Atomgesetzes mit der Begründung der „vorsorglichen Gefahrenabwehr“.

Eon schloss sich der Klage nicht an

Schon damals kritisierten Experten wie der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier die Begründung als zu dünn. Es fehle offensichtlich die Rechtsgrundlage. Dies bestätigten der Kasseler Verwaltungsgerichtshof und nun auch das Bundesverwaltungsgericht. Das Land Hessen ist betroffen, weil es als Atomaufsicht den politischen Willen aus Berlin vollzog.

RWE hatte die Klage damals auch damit begründet, dass man als Aktiengesellschaft den Interessen der Eigentümer verpflichtet sei. Der Eon-Konzern, der sich wohl überraschend für die Essener der Klage nicht anschloss, argumentierte, ein gemeinsames Vorgehen mit der Politik habe größere Vorteile für die Aktionäre. Damit war die Atomwirtschaft gespalten.

Aber nur in der Frage des Moratoriums. Eon und RWE haben ge­gen die spätere Änderung des Atomgesetzes mit der dauerhaften Stilllegung aller Atomanlagen vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Spätestens 2022 müssen die neun verbliebenen Atomkraftwerke vom Netz.