Essen. Initiativkreis-Moderator und Evonik-Chef Klaus Engel signalisiert der Bundesregierung die Bereitschaft der Wirtschaft für eine weitere Unterstützung der Energiewende. NRW dürfe aber „nicht der Verlierer werden“, forderte Engel am Dienstagabend vor 3000 Gästen in der Philharmonie Essen.
Nordrhein-Westfalen ist Deutschlands Energiezentrum. Essen ist die Stadt der Stromkonzerne. Dass hier heftig um die deutsche Energiewende gestritten wird, die 2011 durch das Atom-Drama von Fukushima ausgelöst wurde: fast eine Selbstverständlichkeit.
Und notwendig, glaubt Klaus Engel, Moderator des Initiativkreises Ruhr. Etwa 3000 Zuhörer hatte Dienstagabend die Runde „Der Phönix fliegt“ in der Essener Philharmonie. Engel schrieb seinem Gastredner Peter Altmaier, dem Chef des Bundeskanzleramtes, ins Stammbuch: „Die Energiewende wird hier zunehmend kritisch gesehen. Das liegt nicht nur an den stetig steigenden Strompreisen.“
Wenig optimal gelaufen
Engel will eine Debatte über das Management der Energiewende, das er bisher für wenig optimal hält, über den Schutz der heimischen Wirtschaft vor steigenden Energiekosten – und vor allem eine über die Lastenverteilung in Deutschland, über „das Verhältnis zwischen den Windländern im Norden, den Sonnenländern im Süden und dem Land Nordrhein-Westfalen, das mit seinen Kraftwerken einen entscheidenden Beitrag zur Versorgungssicherheit leistet“.
Er meint, es sei ein Unding, wenn ein Grundstückseigentümer in Schleswig-Holstein durch „ein paar Windräder eine beachtliche Rendite erwirtschaftet“ und der Scheunenbesitzer in Bayern mit der Photovoltaik auf dem Dach verdient und dagegen die meisten Menschen im Ruhrgebiet – meist Mieter – nicht kassieren könnten, sondern über die Strompreise den Löwenanteil für die Anlagen der anderen zahlen müssten. „Es geht hier um das industrielle Rückgrat unseres Landes. Dieses Rückgrat darf nicht gebrochen werden.“
Innovationsmotor für das Ruhrgebiet
Vom Ruhrgebiet als Rückgrat spricht auch CDU-Mann Peter Altmaier, der für die verletzte Kanzlerin gekommen ist und der bis zur Bundestagswahl für die Energiepolitik verantwortlich war. Er will dieses Rückgrat natürlich nicht brechen. Er wolle es eher stärken, sagt er, weil er wisse, „welche Rolle die Region als Energie-Region für ganz Deutschland spielt“. Altmaier jedenfalls hebt hervor: Die Energiewende „kann für das Ruhrgebiet ein enormer Innovationsmotor werden“. Nur müsse NRW seine Potenziale stärker nutzen. Und Bund und Länder müssten an einem Strang ziehen.
Ein Satz, den sicher auch der Präsident des Bundesverbandes der Industrie (BDI), Ulrich Grillo, unterschreibt, der aber vor allem „Planungssicherheit und Verlässlichkeit“ verlangt „für Industrieunternehmen an Rhein und Ruhr“.
Die soziale Bedeutung
Für die Verbraucher an Rhein und Ruhr haben die steigenden Stromkosten, mit denen eben der notwendige Aufbau der erneuerbaren Energien in anderen Teilen Deutschlands finanziert wird, eine starke soziale Bedeutung. Die Forsa-Umfrage im Revier, in Auftrag gegeben vom Initiativkreis Ruhr, belegt das eindrücklich. Je 75 Prozent der Arbeiter und der Rentner, 69 Prozent der Angestellten und sogar 59 Prozent der Beamten halten es für nicht vertretbar, dass die Strompreise wegen der Energiewende deutlich gestiegen sind. Solche Einschätzungen haben natürlich Folgen für die allgemeine Meinung zum Vorhaben, stärker auf die erneuerbaren Energien zu setzen. Mit dem Begriff verbinden die Menschen immer öfter Strompreissteigerungen. Positive Gefühle löst das bei den wenigsten aus – bei fünf Prozent. Tendenz sinkend. „Einfach gerechter müssten die Kosten verteilt werden“, fordert deshalb Rolf Rosenbrock, der Vorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, „Energie- und Sozialpolitik dürfen nicht länger gegeneinander ausgespielt werden“.