Hamburg. EZB-Chef Mario Draghi ist für viele der eigentliche Held der Eurokrise. Doch aus Deutschland schlug dem Italiener oft Kritik entgegen - die ihn nicht ganz kalt gelassen hat, wie ein Interview nun belegt. “Es gab diese perverse Angst, dass sich die Dinge zum Schlechten entwickeln, aber das Gegenteil ist passiert.“ Tatsächlich habe sich die Lage entspannt.
Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hat sich in ungewohnt scharfer Form über Kritik aus Deutschland am Kurs der Notenbank in der Eurokrise beklagt.
"Jedes Mal hieß es, "Um Gottes willen, dieser Italiener zerstört Deutschland"", sagte Draghi dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". "Es gab diese perverse Angst, dass sich die Dinge zum Schlechten entwickeln, aber das Gegenteil ist passiert." Tatsächlich habe sich die Lage entspannt: Die Inflation sei niedrig, und die Unsicherheit habe sich verringert. "Die Krise ist nicht überwunden, aber es gibt viele ermutigende Zeichen", betonte der 66-Jährige.
Draghi hatte im Sommer 2012 auf einem der Höhepunkte der Eurokrise die Handlungsfähigkeit der Notenbank bekräftigt: "Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten. Und glauben Sie mir - es wird ausreichen." Zusammen mit der Ankündigung der EZB, unter bestimmten Bedingungen Staatsanleihen von Problemstaaten zu kaufen, gilt diese inzwischen legendäre Aussage als Wendepunkt in der Krise: Die Finanzmärkte beruhigten sich daraufhin, zum tatsächlichen Ankauf von Staatspapieren im Rahmen des neuen Programms kam es bisher nicht.
Bundesverfassungsgericht fällt 2014 ein Urteil
Allerdings hält die Kritik an einer so aktiven Rolle der Notenbank bis heute an. Zum Lager der Kritiker wird insbesondere Bundesbank-Präsident Jens Weidmann gezählt. Draghi sagte dem "Spiegel" nun zum Verhältnis der beiden Finanzwächter: "Unsere Positionen haben sich einander angenähert, und die Zusammenarbeit hat sich verbessert." 2014 fällt das Bundesverfassungsgericht sein Urteil über das umstrittene Anleihekaufprogramm. Draghi betonte, die Notenbank warte dies ab, "wir haben keinen Plan B".
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Weidmann warnte in der "Bild"-Zeitung (Samstag) davor, dass die Finanzkrise wieder aufflammen könnte, wenn die Euroländer den Reformkurs verließen. Der Euro sei in der "Reha", dort brauche es Ausdauer und einen starken Willen, andernfalls bestehe Rückfallgefahr. "Momentan haben sich die Finanzmärkte zwar beruhigt. Aber das kann eine trügerische Sicherheit sein", meinte Weidmann.
Erneut appellierte Deutschlands oberster Notenbanker in der Zeitung an das hochverschuldete Griechenland, den drastischen Sparkurs fortzusetzen: "Hilfe von außen kann nur Zeit kaufen, aber die unerlässlichen Reformen im Land selbst nicht ersetzen." Dazu sagte Draghi dem "Spiegel": "In Griechenland hat sich manches zum Besseren entwickelt, aber das Land muss mehr tun, daran gibt es keinen Zweifel." Es sei aber keine Überraschung, dass die Euroretter mit Athen besonders viel Geduld haben müssten.
Draghi sieht keinen unmittelbaren Handlungsbedarf
Draghi wies eine Verantwortung der EZB an dem Umstand zurück, dass die Sparzinsen der deutschen Banken seit längerem unter der Inflationsrate liegen. Die Zentralbank beeinflusse über den - historisch niedrigen - Leitzins nur die kurzfristigen Zinsen. Draghi räumte aber ein, dass diese Entwicklung zulasten der Sparer ungewöhnlich sei: "Normal und gesund ist das nicht." Unmittelbaren Handlungsbedarf seiner Institution sehe er jedoch derzeit nicht.
Mit Blick auf die Rolle Deutschlands und die neue Bundesregierung betonte der Notenbanker: "Deutschland hilft dem Euro am besten, wenn es seine Wettbewerbsfähigkeit weiter stärkt und das Wachstum fördert. Was immer dabei hilft, ist richtig, alles andere ist falsch." (dpa)