Washington. . Opel-Mutter General Motors bekommt erstmals seit 104 Jahren eine Chefin: Die Ingenieurin Mary Barra führt ab Mitte Januar den zweitgrößten Autokonzern der Welt. Mit Barra erhält die Riege von Frauen in den Führungsetagen großer US-Firmen mächtigen Zuwachs.

Es ist eine der letzten Männer-Bastionen in der amerikanischen Welt der Großkonzerne. Im Büro des Vorstands des Autobauers General Motors (GM) in Detroit hat seit 104 Jahren stets ein Mann das letzte Wort. Das ist bald Geschichte. Wenn Dan Akerson (65) sich im Januar wegen der Krebserkrankung seiner Frau früher als geplant in den Ruhestand verabschiedet, nimmt mit Mary Barra zum ersten Mal eine Frau auf dem Chef-Sessel Platz. Die 51-jährige Mutter von zwei Kindern im fortgeschrittenen Teenager-Alter wird damit in den USA die wichtigste Entscheiderin in einer traditionell von „Auto-Kerlen“ (car guys) beherrschten Industrie.

Mit Barra bekommt zudem die Riege von Frauen in den Führungsetagen großer US-Firmen mächtigen Zuwachs. Zuletzt sorgten hier Marissa Mayer (Yahoo), Virginia Rometty (IBM), Meg Whitman (Hewlett-Packard) oder Sheryl Sandberg (Facebook) für Schlagzeilen.

Barra ist GM-Urgestein. Ihr Vater arbeitete fast 40 Jahre als Werkzeugmacher für General Motors. Schon als Kind war das Mädchen aus dem Mittleren Westen eher an Mathematik und Physik interessiert denn an Puppen. Mit 19 studierte Barra am firmeneigenen In­stitut Elektrotechnik und arbeitete danach als Ingenieurin bei GM. Ein Ingenieur an der Spitze – auch das ist neu. Bisher hatten meist die Zahlenmenschen das Sagen bei der Opel-Muttergesellschaft.

Barra war auch in Entscheidungen um Standort Bochum eingebunden

Bei GM, schreibt die „Detroit Free Press“, erwarb sich die Liebhaberin schneller Autos aus dem eigenen Marken-Portfolio wie Camaro oder Corvette einen Ruf als detailsichere Fachfrau. „Sie weiß, wie man Autos baut. Und kann dabei auf das Macho-Gerede verzichten, dass man dazu Benzin in den Adern haben muss“, erklärte ein Analyst bei Bloomberg.

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Vor fünf Jahren, als GM wirtschaftlich auf den Abgrund zusteuerte, wurde Barra die Alleinverantwortung für die Produktion in allen GM-Werken weltweit übertragen. Als Entwicklungschefin, zuständig für ein 15-Milliarden-Dollar-Budget, zog sie 2012 auch in den Opel-Aufsichtsrat ein und war seither in alle Entscheidungen um den Standort Bochum eingebunden. Vor vier Jahren schließlich wurde Barra Chef-Personalerin. Mit diesem Titel ausgestattet, zog die als „witzig und messerscharf denkend“ beschriebene Frau durch die angestaubte Unternehmenskultur und erklärte die zehn Seiten umfassende Kleider-Ordnung für nichtig. Seither gilt schlicht, dass GM‘ler „angemessen“ angezogen sein müssen.

Barra wird die erste Chefin sein, die nicht mehr mit dem Makel eines Unternehmens in Staatshand leben muss. 2010 übernahm de facto das Finanzministerium die Führung und ersparte GM so die Pleite. Bis Jahresende wird Washington die restlichen Aktien abgestoßen haben. Die Rettungsaktion hat den US-Steuerzahler knapp zehn Milliarden Dollar gekostet. Eine Totalpleite wäre wohl um einiges kostspieliger geworden.

Mary Barra eilt der Ruf voraus, verbindlich und prägnant sein zu können. Auf einer Tagung des Magazins Fortune, das Barra regelmäßig in der Liste der 100 einflussreichsten Frauen der Welt führt, umriss sie ihre Kernaufgabe als oberste Produkt-, Design- und Qualitätswächterin jüngst so: „Keine beschissenen Autos mehr!“