Berlin. . Nie mehr böses Erwachen am Montagmorgen des ersten Arbeitstages: Auf der Plattform “Kununu“ können sich Bewerber schon vorab ein Bild von ihrem künftigen Arbeitgeber machen. Die Website sammelt Bewertungen von Mitarbeitern über ihre Firmen: Einheitliche Systeme garantieren dabei eine faire Vergleichsbasis. Die aktuellen Bewertungen entkräften so manches Vorurteil.

Wer kauft schon gern die Katze im Sack? Das dachten sich auch die Gründer von „Kununu“, einem Bewertungsportal im Netz, das inzwischen jeden Monat 1,5 Millionen Menschen besuchen. Dabei geht es jedoch nicht um Restaurants oder Kaffeemaschinen, sondern um Bewertungen von Mitarbeitern über ihre Arbeitgeber. „Kununu“ bedeutet auf Suaheli „unbeschriebenes Blatt“; und eben das sollen potenzielle Arbeitgeber für Bewerber künftig nicht mehr sein, nachdem sie die Seiten der Tochter des Karrierenetzwerks Xing besucht haben.

Der Marktführer im deutschsprachigen Raum hat seit seinem Start 2007 fast eine halbe Million Bewertungen von Mitarbeitern und Bewerbern von über 140 000 Firmen gesammelt. Jeden Tag kommen nach Angaben des Wiener Unternehmens 200 neue Bewertungen hinzu. In Deutschland können sich Bewerber derzeit aus rund 370 000 Einlassungen anderer ein Bild über ihren künftigen Dienstherren machen. „Auf Kununu ist vom Dax-Konzern bis zum Metzger jeder bewertet“, heißt es in Wien. Zumindest die großen Konzerne haben längst erkannt, wie wichtig freundliche Darstellungen ihrer Firma auf Bewertungsportalen wie „Kununu“, „Companize“, „Jobvoting“ oder „Meinchef.de“ sind.

Eine äußerst subjektive Veranstaltung

Die Portale sind typische Erscheinungen des Social-Media-Zeitalters. Insofern versteht es sich von selbst, dass es sich um eine äußerst subjektive Veranstaltung handelt. Schaut man sich beispielsweise die Bewertungen über den Onlinehändler Amazon an, wird deutlich, wie unterschiedlich Angestellte ihren Brötchengeber bewerten. Während der eine über „Leistungsdruck“ klagt und viele „verbrauchte und unglückliche Menschen“ angetroffen haben will, freut sich ein anderer über den „tollen Job, große Vielfalt und viel Verantwortung“.

Insgesamt kommt Amazon in 223 Erfahrungsberichten mit 3,05 von fünf möglichen Punkten gar nicht so schlecht weg, wie man nach den ganzen Schauergeschichten über Amazon glauben könnte. Der Internetkonzern Google, kürzlich zum besten Arbeitgeber der Welt gewählt, schnitt in Deutschland mit 3,92 Punkten zwar besser ab – in einer anderen Galaxie aber spielt der Primus nicht. Ähnlich bewertet werden Bosch, Siemens und die Deutsche Telekom.

Standardisiertes Bewertungssystem soll ganzheitliches Bild vermitteln

Wie seriös sind die Bewertungsportale? Wie stellen die Betreiber sicher, dass nicht die Frustrierten und Lästermäuler die Bewertungen beherrschen? „Kununu“ verweist auf ein standardisiertes Bewertungssystem mit einer Skala von eins bis fünf, womit sichergestellt werden soll, dass auch ohne ausformulierte (Schmäh-)Kommentare ein „ganzheitliches Bild“ vom Arbeitgeber entsteht. Es gelten klare Regeln: Personen dürfen nicht bewertet werden; Firmeninterna sind tabu; „diskriminierende, beleidigende, rufschädigende, rassistische und vulgäre Aussagen“ sind ebenfalls verboten. Nach Angaben des Unternehmens wird jede Bewertung geprüft und gegebenenfalls gestoppt. Technische Filter fischen Schimpfwörter und Namen heraus. Spammailadressen werden nicht akzeptiert.

Jeder Arbeitgeber kann zudem Einspruch einlegen, wenn er die freiwilligen oder auch gesetzlichen Regeln verletzt sieht. Was aber nicht bedeutet, dass Firmen gegen jede missliebige Bewertung vorgehen können. Im Gegenteil: Die „Kununu“-Macher versichern, sich jeder unangemessenen Einflussnahme von Firmen zu erwehren. Mit manipulierten, geschönten Bewertungen schadeten sich Firmen nur selber, ist man überzeugt, weil sie von der Community schnell erkannt würden – und so letztlich nur auf den Arbeitgeber zurückfielen.

Zwei Drittel der Jobsuchenden durch die Bewertungen beeinflusst

Firmen haben andere Möglichkeiten, die Mundpropaganda in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sie können (kostenfrei) zu den Bewertungen Stellung nehmen, oder, gegen Gebühr, eine Anzeige (Arbeitgeberprofil) schalten, die aber keinen Einfluss auf die Bewertungen haben soll. Clevere Konzerne wie Siemens, die Telekom oder Bayer weisen Mitarbeiter inzwischen explizit darauf hin, sie auf „Kununu“ zu bewerten. Sie wissen: Auf diese Weise kommen nicht nur die frustrierten, sondern – so das Kalkül – auch die zufriedenen, aller Erfahrung nach weniger mitteilsamen Menschen zu Wort.

Aufhalten lassen sich „Kununu“ und Co. jedenfalls kaum mehr. Jeder vierte Internetnutzer liest nach einer Studie des Branchenverbandes Bitkom heute bereits Bewertungen über Arbeitgeber im Netz. Mehr als zwei Drittel gaben in der Umfrage an, ihre Entscheidung werde davon bei der Jobsuche beeinflusst. In den Personalabteilungen wird das aufmerksam registriert, so manche rare Fachkraft könnte sich schließlich abschrecken lassen. „Kununu“ selbst kommt als Arbeitgeber mit 4,31 von fünf Punkten auf dem hauseigenen Portal übrigens ziemlich gut weg.