Brüssel. Niedersachsens Sperrminorität als zweitgrößter VW-Aktionär bleibt erhalten: Der Europäische Gerichtshof hat eine Klage der EU-Kommission gegen das seit 53 Jahren bestehende entsprechende Gesetz zurückgewiesen. Deutschland entgeht damit auch einer Geldstrafe von bis zu 70 Millionen Euro.
Deutschland hat sich im jahrelangen Rechtsstreit mit der Brüsseler EU-Kommission um die Zulässigkeit des VW-Gesetzes durchgesetzt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies am Dienstag eine Klage der Kommission ab, die Sonderrechte zugunsten des Lande Niedersachsen stellten weiterhin eine Verletzung des freien Kapitalverkehrs im EU-Binnenmarkt dar. Die Kommission signalisierte, dass sie nunmehr keine weiteren rechtlichen Schritte plant. „Die Sache ist erledigt.“
Das Urteil der 15 Luxemburger Richter repräsentiert damit einen Sieg auf ganzer Linie für die Bundesrepublik als Beklagte, für das Land Niedersachsen, um dessen Einfluss bei VW es geht, und für den Autobauer selbst. Formal entschied das Gericht in dem „Vollstreckungsverfahren“ lediglich, ob Deutschland die Vorgaben eines ersten Urteils aus dem Jahr 2007 vollständig umgesetzt habe.
Die Kommission hatte das bestritten: Nur zwei der drei seinerzeit beanstandeten Punkte seien in der Neufassung des VW-Gesetzes korrigiert worden. Das Gericht stellt demgegenüber fest, die Bundesrepublik sei „ihren Verpflichtungen fristgemäß nachgekommen“.
Bei Volkswagen reichen 20 Prozent der Aktien für eine Sperrminorität
Nach der Sonderregelung des VW-Gesetzes haben Aktionäre in dem Wolfsburger Konzern bereits eine Sperrminorität, wenn sie – wie das Land Niedersachsen - 20 Prozent der Anteile halten. Das deutsche Aktiengesetz verlangt hingegen mindestens 25 Prozent.
Die Sonderregelung hatte der EuGH seinerzeit indes nur „in Verbindung mit“ einer Begrenzung für das Stimmrecht einzelner Aktionäre auf 20 Prozent beanstandet. Weil letztere im Zuge der Novellierung beseitigt wurde, seien beide Punkte erledigt, erklärte der Gerichtshof jetzt. Er folgte damit dem Gutachten seines Generalanwalts und der Argumentation der deutschen Seite.
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Der zuständige Brüsseler Binnenmarkt-Kommissar Michel Barnier erklärte prompt, er akzeptiere das Urteil, obwohl die Kommission eine andere Rechtsauffassung habe. „Eine Klärung war im Interesse alles Beteiligten nötig“, sagte Barniers Sprecherin. Das Urteil beende eine langwierige Auseinandersetzung. Damit verzichtet Barnier auf die Möglichkeit, gegen die Sperrminorität in einer neuerlichen Klage vorzugehen.
"Sieg über die marktradikale Ideologie"
Deutsche Abgeordnete im Europa-Parlament begrüßten fraktionsübergreifend den Luxemburger Spruch. „Die Vernunft hat heute über marktradikale Ideologie gesiegt“, erklärten die SPD-Parlamentarier Bernd Lange und Matthias Groote.
CDU-Mann Burkhard Balz lobte, das Urteil schaffe endlich Rechtsklarheit. „Es ist ein gutes Signal für Niedersachsen, insbesondere die dortigen Produktionsstandorte und Zulieferer … Das VW-Gesetz ist ein Erfolgsmodell. Es hat zu einer guten, langfristig orientierten Unternehmenskultur geführt, Arbeitsplätze gesichert und aus VW das gemacht, was es heute ist.“