Frankfurt.. Auch in Frankfurt gehen Praktikanten bei Investmentbanken an ihre Grenzen. Viele machen es bewusst. Oft werden Arbeitszeitvorschriften verletzt. Deutsche Bank, Commerzbank sowie andere deutsche und ausländische Institute setzen auf Praktikanten, die oft bis zum Umfallen arbeiten.
Dunkler Anzug, weißes Hemd, gedeckte Krawatte. Der 26-jährige Jura-Student, der gerade sein erstes Staatsexamen mit besten Noten gemacht hat, sieht schon aus wie ein gestandener Banker. Dabei ist er nur Praktikant für einen Sommer.
Jeden Morgen sitzt Matthias (Name geändert) pünktlich um acht an seinem Schreibtisch im Büro einer ausländischen Investmentbank in Frankfurt. 2000 Euro im Monat bekommt Matthias für das Praktikum. Das ist verglichen mit anderen Praktika viel Geld, doch wenn man sieht, wie der junge Mann 70 bis 80 Stunden pro Woche ranklotzt, wenig.
Der tragische Tod des deutschen Praktikanten bei der Bank of America Merrill Lynch in London hat ein bedenkliches Licht auf die Gepflogenheiten in der Branche geworfen. Noch sind die Ursachen für den Tod des 21-Jährigen aus der Nähe von Freiburg nicht aufgeklärt. Fakt aber ist: Er hat bis zum Umfallen geschuftet – nächtelang.
Dienst auch am Wochenende
Auch Matthias ist oft bis 22 Uhr, mitunter bis Mitternacht oder länger in der Bank und steht am nächsten Morgen wieder auf der Matte. Oft gehört der Samstag, mitunter auch der Sonntag dazu. Es geht um Firmenübernahmen und Firmenkäufe. Um die Mandate für solche lukrativen Geschäfte ringen die großen Investmentbanken. Diese Geschäfte werden oft über mehrere Zeitzonen in Europa, Amerika und Asien verhandelt.
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Da wollen ehrgeizige Studenten wie Matthias dabei sein. In jeder Sekunde und zu jeder Uhrzeit. Sie sehen sich schon als Teil einer Elite, die selbst für ein Praktikum penibel ausgewählt wird – Top-Abi, fehlerfreies Englisch und beste Studien-Zeugnisse vorausgesetzt.
Denn: „Die Praktikanten werden voll eingebunden. Sie bewerten Firmen und Bilanzen, widmen sich juristischen Fragen“, sagt ein erfahrener Banker in Frankfurt. Wer gut ist, darf auf einen hoch bezahlten Job als Investmentbanker hoffen. „Das schlaucht natürlich. Aber die jungen Leute wollen das. Sie machen das freiwillig“, sagt er.
„Unverzichtbares Mitglied des Teams“
Privatleben gibt es während des Praktikums faktisch nicht. Das bestätigen Berichte anderer Praktikanten im Internet. „In der furchtbarsten Phase habe ich bei 3500 Euro Verdienst zehn Tage am Stück, inklusive Wochenende, durchgeackert. Jeden Tag 14 bis 18 Stunden. Am elften Tag war ich so platt, dass ich vorm Computer eingenickt bin“, schreibt einer. Als er mal um 22 Uhr gegangen sei, habe ein Kollege moniert, er mache wohl einen frühen Feierabend.
In der Branche spricht man nicht gern darüber, obwohl Commerzbank, HSBC Trinkaus, Berenberg Bank oder die Mittelstandsbank IKB etliche Praktika in ihren Investmentbank-Sparten anbieten. Auch die Deutsche Bank. Der Praktikant werde „unverzichtbares Mitglied des Teams“, wirbt sie, bei mindestens 800 Euro im Monat. Zu Arbeitszeiten und weiteren Details möchte sie sich nicht äußern.
Äußerst kritisch beäugt man dies bei der Gewerkschaft Verdi. Für Praktikanten gelte auch bei Investmentbanken das Arbeitsschutzgesetz, sagt Verdi-Sprecher Christoph Schmitz. Die tägliche Arbeitszeit dürfe nicht länger als acht Stunden, in Ausnahmefällen zehn Stunden dauern. Ruhezeit und Abwesenheit von der Arbeitsstelle müssten mindestens elf Stunden betragen. Natürlich könnten Praktikanten auch nachts arbeiten, aber: „Dann muss das die Bank durch Schichtpläne regeln“.
Ein „beklopptes System“
Dies alles diene dem Schutz des Arbeitnehmers und seiner Gesundheit. „Selbst wenn ein Praktikant freiwillig länger arbeiten will, ist das nicht zulässig. Das Gesetz ist für beide Seiten verpflichtend“, sagt Schmitz. Matthias wird als Jurist diese Vorschriften kennen. Aber die Karriere ist ihm wichtiger.
In London ist nach dem tragischen Tod des Studenten eine Debatte entbrannt. Von „Sklaverei“ ist die Rede. Auch erfahrene Banker in Frankfurt, die die Hektik und das Gehabe im Investmentbanking skeptisch beäugen, sprechen von einem „bekloppten“ System am Rande der Legalität.