Essen.. Obwohl das Praktikum in den letzten Jahren mehr und mehr den Ruf bekommen hat, Uni-Absolventen auszubeuten, bleibt es immer noch der Einstieg in das Berufsleben. Wenn man einige zentrale Aspekte beachtet, kann man aber ein Praktikum absolvieren, ohne dabei ausgenutzt zu werden.

Das Praktikum ist in Verruf geraten. Nicht erst, seit Bärbel Höhns Oberhausener Kreisverband der Grünen jüngst für sechs Monate einen Praktikanten suchte und vier Euro Stundenlohn anbot, gilt es vielen als Synonym für Ausbeutung unter dem Deckmäntelchen von Ausbildung.

Von einer „Generation Praktikum“ ist die Rede, die sich von einer Kurzzeit-Stelle zur nächsten hangelt, um gegen einen Hungerlohn richtig viel Arbeit wegzuschaffen, während der Chef sich ins Fäustchen lacht. Was folgt daraus für Studenten und Hochschulabsolventen? Von Praktika lieber die Finger lassen? Und wenn man sich doch darauf einlässt – unter welchen Bedingungen sollte man das tun? Was Berater raten und wie Essener Unternehmen mit dem Thema umgehen.

Nicht wahllos in ein Praktikum stürzen

Andrea Podschadel ist Karriereberaterin an der Uni Duisburg-Essen. Sie mahnt zur Differenzierung. Das eine seien die studentischen Praktika, die oft vorgeschriebener Teil der akademischen Ausbildung sind und bei denen man akzeptieren müsse, dass sie in der Regel nicht vergütet werden. Jenen Ratsuchenden dagegen, die entweder freiwillig während des Studiums ein Praktikum absolvieren wollen oder gar mit dem Gedanken spielen, nach dem Abschluss zunächst eine Praktikantenstelle anzunehmen, empfiehlt sie, ganz genau hinzusehen. „Auf keinen Fall sollte man sich wahllos in ein Praktikum stürzen.“

 Doch woran erkennen junge Leute nun ein faires, zielführendes Angebot? „Die Frage, die man sich stellen muss, ist: Was bringt es mir individuell?“, sagt Andrea Podschadel, „kann ich mich an dieser Stelle ausprobieren, kann ich viele Fragen stellen?“ Zu den Indikatoren dafür, dass ein Praktikum seinen Zweck erfüllen wird, zählt zum Beispiel, ob ein Mentor, ein Ansprechpartner bereit steht. Auch sollte es zumindest einen groben Ausbildungsplan, eine Struktur geben.

Praktika sollten nicht verdammt werden

Praktika in Bausch und Bogen zu verdammen, sei ohnehin der falsche Weg, sagt Podschadel, im Gegenteil: „Wenn jemand am Ende des Studiums ganz ohne praktische Erfahrungen da steht, kann es auf dem Arbeitsmarkt schwierig werden.“ Sofern Inhalte und Rahmenbedingungen stimmen, könne das Praktikum sogar für Absolventen eine Option sein. „Ich würde davon nicht grundsätzlich abraten. Ich kenne viele ehemalige Studenten, die nach einem Praktikum übernommen wurden.“

Auch ein längerer Zeitraum spreche nicht unbedingt dafür, dass der Praktikumsanbieter lediglich eine günstige Arbeitskraft suche. „Wenn ich selbstständige Projekte machen darf, können auch sechs Monate sinnvoll sein“, so Podschadel. Sie kenne nur wenige Fälle, in denen Praktikanten sich ausgenutzt fühlten. Nun habe sie in ihrem Beratungsalltag an der Uni besonders häufig mit angehenden Ingenieuren zu tun. Bei Geistes- und Gesellschaftswissenschaftlern etwa lägen die Dinge schon anders. „In sozialen Einrichtungen – wie in allen Bereichen, die ohnehin unterfinanziert sind – gibt es selten bezahlte Praktika.“

Große Unternehmen sind Musterschüler unter den Praktika-Anbietern

Musterschüler unter den Praktika-Anbietern sind dagegen die großen Unternehmen. Sie haben die nötige Infrastruktur, um junge Leute entsprechend gewisser Standards zu beschäftigen und können es sich wahrscheinlich auch gar nicht leisten, an dieser Stelle anfällig zu sein für Kritik. „Selbst bei nur vierwöchigen Praktika gibt es einen Vertrag“, so Peter Hoscheidt, Sprecher bei RWE, „das läuft alles zentral über die jeweilige Personalabteilung.“

Praktikanten bekommen bei RWE monatlich etwa 900 Euro brutto, ihnen wird anteilig Urlaub gewährt. Hochschulabsolventen stelle das Unternehmen grundsätzlich nicht als Praktikanten ein, so Hoscheidt. Doch auch studentische Praktika könnten bei RWE bis zu neun Monate laufen. „Wir wollen ja, dass die jungen Leute aktiv mitarbeiten können.“

Ähnlich sieht es bei ThyssenKrupp aus. „Je länger, desto besser“, sagt Sprecher Kilian Rötzer, „ein Monat ist zu kurz“. Bis zu einem halben Jahr dauerten bei ThyssenKrupp Praktika, „die für uns ein wichtiges Mittel auf allen Ebenen sind“. Circa 700 Euro verdienen Praktikanten in der AG.

„Trainingsmaßnahmen beim Arbeitgeber“ in der Kritik

Einen Sonderfall in der Welt der Praktika stellen jene dar, die die Arbeitsagentur Firmen ermöglicht, damit sie sich Bewerber im Alltag ansehen können. „Trainingsmaßnahmen beim Arbeitgeber“ nennen sich diese Einsätze im Agentur-Jargon. Sie können bis zu sechs Wochen dauern, das Amt zahlt weiter, dem Arbeitgeber entstehen keine Kosten.

Praktika dieser Art waren heftig in die Kritik geraten, weil einzelne Unternehmen offenbar ihren zeitweiligen Mehrbedarf an Personal günstig zu decken suchten – Stichwort Versandhandel und Weihnachtsgeschäft. Aus Sicht der Arbeitsagentur hat sich das Programm dennoch bewährt. Etwa 500 Essener absolvierten 2012 eine entsprechende „Trainingsmaßnahme“, in mehr als 70 Prozent der Fälle habe sich daraus ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis ergeben.