Berlin. Der Fernverkehrsmarkt ist in kräftiger Bewegung: 109 neue Buslinien haben die Bundesländer bereits genehmigt, seit der Markt dafür nun ein halbes Jahr geöffnet ist. Die Zahl der Verbindungen wächst stetig - und nicht nur die Deutsche Bahn reagiert. Viele andere Anbieter wollen erst noch mitmischen.

Reisenden steht ein halbes Jahr nach Öffnung des Fernverkehrsmarktes für Busse ein wachsendes Angebot an Verbindungen zur Verfügung. Bislang hätten die Bundesländer 109 Fernbuslinien genehmigt, weitere 53 seien beantragt, berichtete die "Bild"-Zeitung vom Dienstag unter Berufung auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der SPD im Bundestag. Das Bundesverkehrsministerium gehe davon aus, dass das "Verkehrsaufkommen im Fernbuslinienverkehr kurzfristig weiter ansteigt".

Erst kürzlich hatte der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) mitgeteilt, die Zahl der Fernbuslinien in Deutschland habe sich im Vergleich zum Sommer vergangenen Jahres inklusive Flughafenzubringerbussen nahezu verdoppelt. Der BDO spricht bereits heute von einem flächendeckenden Netz. Neue Linien kämen hinzu.

ADAC und Deutsche Post wollen gemeinsam auf den Markt

Viele Anbieter weiten ihre Streckennetze derzeit aus. Bis Ende des Jahres wollen der ADAC und die Deutsche Post gemeinsam auf dem Markt aktiv werden. Bislang hatten Jahrzehnte alte gesetzliche Regelungen dafür gesorgt, dass nur auf wenigen Strecken im Fernverkehr auch Busse fahren durften. Die Regelungen dienten ursprünglich dazu, den Eisenbahn-Fernverkehr vor der Konkurrenz durch andere Verkehrsträger zu schützen.

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Von Dagobert Ernst und Kai Wiedermann

Jetzt fährt auch die Bahn manchmal lieber Bus. Zwischen Nürnberg und Mannheim brausen vom kommenden Montag an (12.8.) sechsmal täglich IC-Busse hin und her. So heißen die Fernbusse der Deutschen Bahn, mit denen die Fahrt genauso viel kostet wie die Zugreisen zwischen denselben Orten. Doch wer von Nürnberg nach Mannheim den Zug benutzt, muss mindestens einmal umsteigen (in Frankfurt), mitunter sogar zweimal (in Stuttgart und Heidelberg). Der Bus fährt durch und braucht laut Plan knapp drei Stunden, das sind 20 bis 40 Minuten weniger als der Zugreisende inklusive Umsteigezeit braucht.

Mit solchen Angeboten will die Deutsche Bahn Lücken im eigenen Netz schließen, wie eine Sprecherin erklärt. Zugleich hält der bundeseigene Konzern damit die private Konkurrenz mittelständischer Busunternehmer in Schach, die neuen Freiraum genießt. Denn der Markt für nationale Fernbuslinien mit Distanzen über 50 Kilometer ist nach fast 80 Jahren Beschränkungen seit 1. Januar weitgehend freigegeben. Als dritte Kraft sind die Mitfahrzentralen im Spiel. Sie können meistens den günstigsten Preis bieten.

Berlin ist der bedeutendste Fernbus-Halt

Fernbusse sind meist billiger als die Bahn. Gelockt wird mit Schnäppchen ab neun Euro. Jeden Monat kommen neue Strecken hinzu. An diesem Freitag (9.8.) zum Beispiel geht das Unternehmen MeinFernbus mit einer Linie von Berlin nach Oberstdorf im Allgäu an der Start. Inzwischen gebe es rund 160 Verbindungen, sagt die Hauptgeschäftsführerin des BDO, Christiane Leonard. Im Herbst 2012, vor der Marktöffnung, waren es lediglich 44.

Berlin ist der bedeutendste Ausgangs- und Zielpunkt für Fernbusse. Das hat einen historischen Grund. Ein Gesetz verhinderte bis Ende 2012 Fernbusverkehr parallel zu Bahnstrecken. Nur die Bahn selbst etablierte mehr als 30 Busverbindungen in die geteilte Stadt - mit ihrem Unternehmen Berlin Linien Bus (BLB). Auf die stark aufkommende Konkurrenz will die Bahn dosiert reagieren. "Wir haben nicht vor, den Markt aufzurollen", sagt Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg.

Mitfahrzentralen bieten viel mehr Verbindungen an

Bislang scheint es keine Verlierer zu geben. Die Bahn meldete im ersten Halbjahr eine konstante Fahrgastzahl, und auch die Mitfahrzentralen haben "weiterhin regen Zulauf", sagt Thomas Rosenthal, Sprecher von Carpooling.com. Das Unternehmen betreibt im Internet unter anderem die Marke mitfahrgelegenheit.de. Über das Portal werden nach Angaben Rosenthals monatlich 3,5 Millionen Sitzplätze in Privatautos vermittelt. Mit Fernzügen sind pro Monat gut zehn Millionen Menschen unterwegs.

Rosenthal erklärt die ungebrochene Nachfrage außer mit den niedrigen Preisen damit, dass die Mitfahrzentralen im Vergleich zu Bahn und Bus viel mehr Verbindungen anböten - und das fast zu jeder Tageszeit. Auch der "soziale Faktor" spiele eine Rolle: Die Mitfahrer wollten gerne neue Leute kennenlernen. Schließlich mache eine Bewertung der Teilnehmer, eine Buchungsbestätigung sowie die Möglichkeit der Vorauszahlung das System zuverlässiger als bisher.

Bus-Lobby hofft vor allem auf junge Kunden

Die Busbranche glaubt, dass vor allem jüngere Leute vom eigenen Auto auf den günstigeren Bus umsteigen. Die Bus-Lobbyistin Leonard hofft, dass das dichter werdende Busnetz zwischen den großen Städten erst der Anfang ist. Als nächstes dürften kleinere Städte eingebunden werden. Und dann gebe es noch großes Potenzial für touristische Fahrten von den Großstädten in Feriengebiete.

Der Erfolg stehe und falle allerdings mit den Busbahnhöfen. Derzeit gibt es 53 größere Stationen. "Wir brauchen mehr Stationen an attraktiven Standorten", sagte Leonard. Die Fahrgäste müssten sich dort sicher fühlen und gute Anschlussmöglichkeiten haben. Beim Ausbau sollten die Kommunen helfen. (dpa/afp)