Duisburg. . Due Gewerkschaft Verdi ruft zum unbefristeten Streik bei den Schifffahrtsämtern auf. Damit protestiert sie gegen Pläne, 3000 Stellen in der Branche zu streichen. Staus auf den Kanälen könnten die Revier-Wirtschaft hart treffen.
An Staus auf den Straßen haben wir uns gewöhnt. Lange Schlangen von Schiffen auf Rhein, Ruhr und Kanälen gab es seit 21 Jahren nicht mehr. Doch ab Montag droht „der gesamte Schiffsverkehr auf den NRW-Kanälen tagelang zum Erliegen zu kommen“, kündigt die Gewerkschaft Verdi an. Sie hat die Beschäftigten der Wasser- und Schifffahrtsämter zum unbefristeten Streik aufgerufen. Lahmgelegte Schleusen könnten die Region empfindlich treffen.
Warum ruft Verdi zum Streik auf?
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) will die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) völlig umstrukturieren und ein Viertel der rund 12.500 Arbeitsplätze abbauen. Verhandlungen über einen Tarifvertrag zum Schutz der Beschäftigten während des WSV-Umbaus waren in der vergangenen Woche endgültig gescheitert. Bereits Ende April hatten sich 95 Prozent der Verdi-Mitglieder für einen Streik ausgesprochen. Er soll in der nächsten Woche starten.
Inwiefern ist das Ruhrgebiet betroffen?
In Duisburg sind zwei große Außenstellen des WSV ansässig. In Meiderich arbeiten knapp 450 Menschen, in Homberg 200. Sie sorgen für den reibungslosen Verkehr auf den Wasserwegen und vor allem für einen störungsfreien Betrieb der Schleusen, die Rhein und Ruhr mit den Kanälen verbinden.
Wie wichtig sind Rhein, Ruhr und Kanäle für den Gütertransport?
Sehr wichtig. Von den 220 Millionen Tonnen Kohle, Chemikalien und anderen Gütern, die jährlich über deutsche Wasserstraßen transportiert werden, entfallen allein 160 Millionen Tonnen auf den Rhein-Abschnitt zwischen Duisburg und Emmerich. 40 Millionen Tonnen gehen über den Rhein-Herne-, den Wesel-Datteln- und den Dortmund-Ems-Kanal, die alle drei bestreikt werden sollen. Nur 20 Millionen Tonnen entfallen auf den Rest der Republik.
Wie könnte sich der Streik bemerkbar machen?
Neuralgische Punkte sind die Schleusen, durch die alle Binnenschiffe fahren müssen, um Unternehmen längs der Kanäle zu beliefern. Die Schleusen helfen den Schiffen, den erheblichen Höhenunterschied von 40 Metern zwischen Duisburg und Dortmund zu überwinden. Das Schleusen selbst kostet im Durchschnitt 900 Euro.
Warum sind die Schleusen für den Streik strategisch wichtig?
Die Schleusen können nicht umfahren werden. Der mit zwei Mitarbeitern besetzte Steuerstand in Meiderich steuert auch die Schleusen Ruhr in Duisburg und Raffelberg in Mülheim. In Oberhausen und Gelsenkirchen sitzt pro Schicht nur ein „Schichtleiter im Schleusendienst“. Vorteile für Verdi: Die Gewerkschaft verfügt in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung über einen hohen Organisationsgrad und stößt dort deshalb auf eine hohe Streikbereitschaft. Nur noch rund 30 Prozent der Mitarbeiter sind Beamte, die nicht streiken dürfen. Und da die Schleusenwärter eine Fachausbildung haben, können sie während eines Streiks kaum ersetzt werden.
Welche Auswirkungen könnte der Streik haben?
Die Partikuliere, die aus ganz Europa ins Ruhrgebiet kommen, müssen sich auf lange Wartezeiten vor den Schleusen einrichten. 2012 wurden allein in Duisburg 17 055 Schiffe geschleust. An normalen Wochenenden stauen sich bereits bis zu zehn Schiffe vor den Schleusen. „Das geht erheblich ins Geld“, sagt Jörg Rusche, Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Binnenschifffahrt. „Güterschiffe auf dem Rhein verlieren 2000 Euro und mehr pro Tag, auf den Kanälen 1500 Euro.“ Und das in einer Situation, in der „die wirtschaftliche Lage der Schifffahrt alles andere als rosig ist“, so Rusche.
Was haben Unternehmen an den Wasserstraßen zu befürchten?
Das hängt von der Länge des Streiks ab. Der Energieversorger RWE will sich nicht dazu äußern, wie er sicherstellt, dass seine Kraftwerke dann Kohle erhalten. Bei Thyssen-Krupp gibt man sich gelassen. In die Duisburger Stahlwerke kommen täglich 50 000 bis 60 000 Tonnen Kohle, Erz und andere Rohstoffe aus Rotterdam. Da es auf dieser Strecke keine Schleusen gibt, dürfte der Streik den Hochöfen-Betrieb nicht beeinträchtigen.