Essen/Frankfurt/Main. Nach drei Fehlversuchen startet der Chemiekonzern Evonik an diesem Donnerstag in Frankfurt und Luxemburg an der Börse. Mit einem Gesamtvolumen von rund zwei Milliarden Euro für insgesamt 14 Prozent der Evonik-Aktien ist es einer der größten Börsengänge in Deutschland seit Jahren.
Premiere an der Börse: Der Essener Spezialchemie-Konzern Evonik startet an diesem Donnerstag an der Börse. Die Eigentümer des Essener Chemieunternehmens mit 33.000 Beschäftigten hatten im
Februar und März bereits gut zwölf Prozent der Aktien an Investoren abgegeben.
Weitere gut zwei Prozent gehen zu einem Platzierungspreis von 32,20 Euro je
Aktie an institutionelle Anleger. Die RAG-Stiftung als Haupteigentümer (nach dem
Börsengang noch 68 Prozent) deckt aus den Erlösen die dauerhaften Lasten für den
Ausstieg aus der Steinkohleförderung in Deutschland. Ende 2018 schließt die
letzte deutsche Steinkohlezeche. Zweiter Evonik-Eigentümer ist die britische
Beteiligungsgesellschaft CVC.
Die Anleger umgarnt der Konzern in seinem Börsenprospekt mit Dividenden-Versprechen und kündigt Zukäufe an. Doch das Geschäftsmodell birgt auch Risiken - infolge der internationalen Ausrichtung kann etwa die Vogelgrippe in Asien die Nachfrage drücken.
Trikotsponsor von Borussia Dortmund
Die Deutsche Bank und die Investmentbank MainFirst begleiten Evonik an den Aktienmarkt. Ein öffentliches Angebot soll es vor dem Sprung auf das Börsenparkett nicht geben - nur Profi-Investoren sollen sich vor der Erstnotiz am Donnerstag in einem letzten Schritt Aktien im Umfang von voraussichtlich rund zwei Prozent des Grundkapitals sichern. Der Finanzinvestor CVC und die RAG-Stiftung werfen dabei jeweils Aktien für rund 150 Millionen Euro auf den Markt, sie kommen dann noch auf 18 und auf 68 Prozent. Dabei wird Evonik laut Finanzkreisen mit etwas mehr als 15 Milliarden Euro bewertet, rechnerisch ergibt sich daraus bei 466 Millionen Aktien ein Kurs von rund 32 Euro.
Die auch durch seine Werbung auf den Trikots des Champions-League-Halbfinalisten Borussia Dortmund bekannte Evonik wagt sich nur durch die Hintertür aufs Börsenparkett. Sie hatte den Aufwand einer großen Werbetour bei Investoren gescheut. Die beiden Eigentümer hatten stattdessen in den vergangenen Wochen zwölf Prozent an große Investoren wie den Staatsfonds Temasek aus Singapur veräußert. Temasek kontrolliert allein 4,6 Prozent.
40 Prozent Dividende
Die Emissionsbanken setzen darauf, dass einige der früh eingestiegenen Neu-Aktionäre ihre Evonik-Papiere gleich wieder auf den Markt werfen und andere, zu kurz gekommene einsteigen, um den Aktienhandel von Anfang an in Schwung zu bringen. Der Finanzinvestor CVC, der 2008 mit 25 Prozent eingestiegen war, dürfte sich nach dem Börsengang bald von weiteren Papieren trennen wollen.
Die RAG-Stiftung setzt dagegen weiter auf die Dividenden des Chemieriesen. Denn die Essener Stiftung soll mit den Einnahmen, die ihr Evonik in die Kassen spült, für die Folgekosten des auslaufenden Steinkohlebergbaus in Deutschland geradestehen, der unter ihrem Dach gebündelt ist. Und das Geld soll weiter fließen: "Die Gesellschaft beabsichtigt eine jährliche Dividende zu zahlen, die ca. 40 Prozent des jährlichen bereinigten Konzernergebnisses beträgt", kündigte Evonik an. Für 2012 waren 429 Millionen Euro an die Anteilseigner geflossen, 2011 waren es 425 Millionen.
Mut für den neuen Anlauf hatten den Eignern die gestiegenen Bewertungen von Chemieunternehmen gemacht. Im Sommer 2012 waren die Börsenpläne noch auf die lange Bank geschoben worden, weil Anleger nicht bereit waren, die Preisvorstellungen der Stiftung zu erfüllen. Damals war Evonik mit insgesamt zwölf Milliarden Euro bewertet worden - nun sind es drei Milliarden mehr. Der Investor CVC habe damit einen "vernünftigen Schnitt" gemacht, hatte Evonik-Chef Klaus Engel Mitte März gesagt.
Angst vor der Vogelgrippe
Evonik hatte 2012 rund 13,6 Milliarden Euro umgesetzt, der Gewinn lag bei 1,16 Milliarden Euro. Der in mehr als 100 Ländern tätige Konzern beschäftigt über 33.000 Mitarbeiter. Evonik war vom früheren Bundeswirtschaftsminister Werner Müller aus der Taufe gehoben worden - er führt nun die mächtige RAG-Stiftung. Deren Mehrheitsbeteiligung Evonik will in Zukunft auch durch Übernahmen wachsen. "Evonik (..) beabsichtigt, seine Spekulationsaktivitäten in der Zukunft auszuweiten", heißt es im Prospekt. Dieser muss die Anleger auch über Risiken aufklären. So könnte etwa ein Ausbruch der Vogelgrippe in China die Nachfrage nach Futtermittelzusätzen beeinträchtigen, warnen die Juristen. (dpa/rtr)