Düsseldorf/Berlin. . Die Nahverkehrsbetriebe kündigen deutliche Preissteigerungen an, sollte die Bundesregierung ihre Pläne für eine Strompreisbremse verwirklichen. Auch die Windenergie-Branche schlägt Alarm. Viele Projekte würden in NRW wegfallen.
Im Vorfeld des Energiegipfels zur Strompreisbremse am kommenden Donnerstag schlagen die betroffenen Branchenverbände Alarm. So müssten die Fahrgäste im öffentlichen Nahverkehr mit „sehr hohen Fahrpreiserhöhungen“ rechnen, falls der Bahn und den Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs wie geplant die Befreiung von der Ökostrom-Umlage gestrichen werde, kündigte der Präsident des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Jürgen Fenske, an.
Die Belastungen der Bahn und des Schienennahverkehrs machten einen hohen dreistelligen Millionenbetrag aus, den die Branche nicht ausgleichen könne. „Es macht für die Umwelt, für Klima und Energie keinen Sinn, wenn wir den öffentlichen Personennahverkehr in Deutschland schwächen“, sagte Fenske im ZDF-Magazin Wiso, das Montagabend ausgestrahlt wird.
38 Euro im Jahr mehr für Tickets
Der Verband macht folgende Rechnung auf: Eine dreiköpfige Familie mit einem Jahresverbrauch von 2000 Kilowattstunden im Jahr würde durch die Streichung der Vergünstigung 1,20 Euro im Jahr sparen. Für ein Mehrfahrtenticket pro Woche und ein Job-Ticket müsste diese Familie etwa in Köln 38 Euro im Jahr mehr bezahlen.
Auch interessant
Am Donnerstag wollen sich Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten auf dem Energiegipfel über Grundsatzfragen zur Eindämmung der Strompreissteigerung und eine Änderung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) verständigen. Das Gesetz soll bereits am 1. August in Kraft treten. Ein Punkt in dem Plan der Bundesregierung ist die stärkere Belastung energieintensiver Betriebe, sofern diese nicht im internationalen Wettbewerb stehen. Auch die SPD spricht sich dafür aus.
Der nordrhein-westfälische CDU-Chef Armin Laschet warnte vor weiteren Belastungen der Industrie. „Die Wirtschaft trug letztes Jahr mit über zehn Milliarden Euro mehr als die Hälfte der Kosten des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes. Die Grenze der Belastbarkeit ist überschritten“, sagte Laschet im „Spiegel“. Das EEG sei ein „Förderprogramm zur Deindustriealisierung Deutschlands“. Laschet sprach sich dafür aus, die Mehrwertsteuereinnahmen durch die Energiewende in Höhe von einer Milliarde Euro einzubringen, um die Kosten zu senken.
Die Mehrwertsteuer ist allerdings eine Gemeinschaftssteuer, die Bund und Ländern zusteht, was eine Einigung schwer macht. Die SPD fordert einen Grundfreibetrag auf die Stromsteuer, der eine Entlastung von 800 Millionen Euro bringen soll.
Viele Windkraft-Projekte stünden auf der Kippe
Insgesamt soll die Strompreisbremse der Bundesregierung knapp 1,9 Milliarden Euro einsparen. 2012 lag die EEG-Umlage, die die Stromkunden mit ihrer Rechnung zur Förderung der Erneuerbaren bezahlen müssen, bei rund 20 Milliarden Euro. 2013 legte die Umlage je Kilowattstunde von 3,6 auf 5,3 Cent zu, was eine vierköpfige Familie im Schnitt rund 180 Euro im Jahr mehr kostet.
Auch interessant
Von den Plänen zur Strompreisbremse sind auch Windanlagen an Land betroffen. So schrieb Enercon als Deutschlands größter Hersteller von Windkraftanlagen einen Brandbrief an den NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). „Rund 80 Prozent der ab August fertigzustellenden Projekte in NRW werden wegfallen, sollten die Vorschläge Gesetzeskraft erlangen“, heißt es in dem Schreiben, das dieser Zeitung vorliegt. Damit seien die Klimaschutzziele Nordrhein-Westfalens „akut gefährdet“. Derzeit sind in NRW nach Angaben des Umweltministeriums etwa 200 Windanlagen in den kommenden 18 Monaten geplant. Das Land hatte sich vorgenommen, bis zum Jahr 2020 den Anteil der Windenergie an der Stromerzeugung von drei auf 15 Prozent anzuheben.
Krisengipfel mit Remmel
Enercon wolle selbst Vorschläge machen, wie die Öko-Strom-Umlage zu begrenzen sei, „ohne einen Kahlschlag der Windindustrie zur Folge zu haben“. In NRW beschäftigen die Windkraftanlagenbauer direkt etwa 10.000 Mitarbeiter. Die Bundesregierung will mit einer Absenkung der Vergütung auf acht Cent je Kilowattstunde 40 Millionen Euro im Jahr einsparen.
Am Montag findet in Grevenbroich ein Krisengipfel mit Ökostrom-Verbänden, Unternehmen, Investoren und Remmel statt.