Essen. Der 70-jährige Hartmut Mehdorn ist neuer Vorstandschef der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg und soll den Skandal-Airport wieder auf Kurs bringen. Mehdorn hat einen Dreijahresvertrag unterschrieben und erhält ein Jahresgehalt von gut einer halben Million Euro.
Bei Reisen über drei Stunden nutze er lieber das Flugzeug als den ICE, hat Hartmut Mehdorn (70) zur Empörung der Belegschaft gesagt. Da war er noch Bahnchef. Aber die Liebe zur Fliegerei ist gut für den neuen Job: Binnen drei Jahren muss der Manager den noch vor dem Start flügellahm gewordenen Hauptstadtflughafen ans Netz bringen. Dafür erhält er gut eine halbe Million Euro Jahresgehalt.
Distanzierte Kanzlerin
Die Berufung ist der bisher letzte Paukenschlag in der schrägen Geschichte des Pannen-Objekts im märkischen Sand – nicht nur, weil es ausgerechnet Mehdorn war, der in einer kurzen 16-monatigen Zeit als Vorstand von Air Berlin den Flughafen wegen der Startverzögerungen verklagt hat und der jetzt quasi seine eigene Klage widerlegen muss.
„Wenn man denkt, schlimmer geht es nicht, überzeugt einen der Aufsichtsrat zuverlässig vom Gegenteil“, findet die Grüne Renate Künast. Auch die Kanzlerin hielt bei ihrer Gratulation Distanz: Mehdorn übernehme eine komplexe Aufgabe, die einer alleine nicht schaffen werde, sagte sie. „Ich kann nur jedem, der an dem Projekt mitarbeitet, eine glückliche Hand wünschen.“
Herzlich ist anders. Warum ist Hartmut Mehdorn so unbeliebt?
Merkel feuerte Mehdorn als Bahnchef
Mit Angela Merkel hat er eine gemeinsame Geschichte. Sie hat den von Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) angeheuerten Vorstandsvorsitzenden der Bahn AG 2009 gefeuert, nachdem er die vereinte Wut der Bahnfahrer auf sich gezogen hatte: In zehn Jahren ließ der Manager die beliebten Interregios abschaffen, manche Weichen von Heizungen befreien, Instandsetzungswerke schließen, die Bahncard zur Abschaffung freigeben. Er wollte für den Ticket-Kauf am Schalter einen Zuschlag kassieren und startete das umstrittene Projekt Stuttgart 21. Aller Umbau galt der Idee, das zweitgrößte Logistikunternehmen der Welt zu werden und dem am Ende gescheiterten Börsengang. Im Berliner Bahn-Tower nehmen sie dem Manager seine Regierungszeit heute noch übel. Nachfolger Grube drückt eine kaum einzufangende Verschuldung des Staatsbetriebs als Erbe.
Bahn kommt. Mehdorn geht.
Mit Matthias Platzeck, dem Potsdamer Ministerpräsidenten und Flughafen-Aufsichtsratsvorsitzenden, ist es erneut ein Sozialdemokrat, der dem oft schroff auftretenden Ingenieur eine mächtige Herausforderung zutraut: Schon vier Mal ist der Eröffnungstermin des neuen Hauptstadt-Airports verschoben worden. Die Kosten sind explodiert. Die Entrauchungsanlage funktioniert nicht und damit die Sicherheitstechnik. Dächer und Wände sind undicht. Die Gepäckbeförderung lahmt. Rolltreppen sind zu kurz. Derzeit ruhen die Arbeiten weitgehend. „Es ist mit Sicherheit komplex, technisch anspruchsvoll und schwierig“, umschrieb der neue Flughafenchef gestern seinen Job. „Das hier ist ja kein Puppenspiel.“
Nicht immer diplomatisch
Deutet der Satz zudem auf den Umgangston hin, der künftig draußen in Schönefeld herrscht? Diplomat war Mehdorn nie. Als Bahnchef legte er sich gerne mit dem Bundestag an. „Mehdorn hat Ecken und Kanten. Die werden wir ihm nicht mehr abschleifen“, gibt sich Klaus Wowereit (SPD), Regierender in Berlin, von vornherein demütig.
Die erste Sollbruchstelle mit der Politik zeichnet sich ab. Während Platzeck für ein striktes Nachtflugverbot eintritt, hält Hartmut Mehdorn nichts davon: Berlin müsse sich an internationale Standards gewöhnen.