Essen. . Verhandlungskompromiss mit dem Konzernvorstand ohne Rainer Einenkel, den Betriebsratschef aus dem Revier. Bochum soll nur noch Komponenten bauen. Der Zafira soll bis 2016 gebaut werden, das Werk in Bochum zum Komponenten-Standort entwickelt werden.
Nach allem, was er als Betriebsratschef des Bochumer Opel-Werks bisher erlebt hatte, fehlte Rainer Einenkel auf seiner Fahrt nach Rüsselsheim gestern die Phantasie dafür, wie die Krisengespräche mit einem Tusch beendet werden sollten. Er sollte es früh erfahren: Der Genosse Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug hatte den „Durchbruch“ bereits über dpa verkündet, bevor Einenkel das Papier auch nur zu Gesicht bekommen hätte.
Keine Verhandlung, keine Abstimmung – in dem „Mastervertrag“ war alles fein ausformuliert, was er nun unterschreiben sollte. Er tat es nicht – und ging damit auf Konfrontationskurs zu seinen Kollegen in Rüsselsheim. „General Motors hat das wie aus dem Lehrbuch gemacht und allen anderen Werken den Eindruck vermittelt, sie seien gerettet, wenn einer auf der Strecke bleibt“, sagt Einenkel. Der eine ist das Werk in Bochum.
Die Interessenkonflikte liegen auf der Hand. Schäfer-Klug hatte für sein Stammwerk in Rüsselsheim die Verlagerung von 700 Ingenieurs-Stellen ins Ausland verhindert. Eisenach bekam zwei neue Modelle zugesagt, Kaiserslautern Bestandsschutz für 1800 Stellen.
Zafira soll bis 2016 gebaut werden
Was – ohne Einenkel – für Bochum ausgehandelt wurde, ist komplizierter: Der Zafira soll bis 2016 gebaut werden, das Werk zum Komponenten-Standort entwickelt werden. „Etwa 600“ Arbeitsplätze sollen im Teilebau entstehen. „Wie viele genau, welcher Qualität und welchen Inhalts – alles offen“, sagt Einenkel. Dazu soll es 600 Jobs im Warenlager geben. Die Getriebefertigung soll noch nicht wie geplant in diesem Jahr geschlossen werden, sondern später. Wann genau? Steht nicht drin. Ab dem zweiten Quartal 2013, also ab April, soll aber die Nachtschicht wegfallen und mit ihr 700 Stellen.
Einst arbeiteten 20.000 Menschen im Opel-Werk
1962: Das Werk entsteht nach ungefähr zwei Jahren Bauzeit auf einem ehemaligen Zechengelände. Das erste Auto, das vom Band rollt, ist ein Kadett A. Das Werk ist für 10 000 Beschäftigte konzipiert, viele der damaligen Arbeiter kommen aus dem Bergbau.
1967: Der Mittelklassewagen Olympia kommt ins Programm. Drei Jahre später sind es der Ascona und der legendäre Manta, die ab 1970 in dem Werk vom Band gehen.
1979: Zum Jahresende arbeiten mehr als 20 000 Menschen im Bochumer Opel-Werk. Verschiedene Modelle aus der Serie Kadett werden bis 1991 produziert.
1991: Der Astra wird in die Produktionslinie aufgenommen, bis 2004 wird das Fahrzeug gefertigt, ab 1999 der Siebensitzer Zafira.
2004: Opel beschäftigt in Bochum noch etwa 9000 Mitarbeiter.
2012: Opel feiert Jubiläum in Bochum. Das Werk besteht seit 50 Jahren. Rund 13,5 Millionen Autos wurden gebaut. Das Werk beschäftigt noch rund 3300 Menschen.
2013: Die IG Metall einigt sich mit dem Opel-Management auf das Ende der Autoproduktion im Jahr 2016. Danach soll das Werk in einen Komponenten- und Logistikstandort umgebaut werden.
Einenkel konstatiert, dass die Drohung, das ganze Werk bereits 2014 zu schließen, vom Tisch sei. Auch werde nicht mehr die Kündigung der 700 Stellen noch in diesem Jahr gefordert. Stattdessen soll Opel Abfindungen, Altersteilzeit oder Ersatzjobs bieten. Nur steht im Papier auch der Satz, Kündigungen gebe es nur mit Zustimmung des Betriebsrats. „Was dieser Passus heißen soll, lasse ich von unseren Juristen prüfen“, sagt Einenkel.
Da die Einigung noch in einen Tarifvertrag gegossen werden muss, sind viele Details zu klären und damit ist auch weiterhin ein Scheitern möglich. „Vor einem Tarifabschluss steht die Zustimmung unserer Mitglieder“, betont auch Knut Giesler, NRW-Chef der IG Metall. Denn nur, wenn eine Lösung für 700 Beschäftigte gefunden wird, gilt für alle anderen Opel-Mitarbeiter in Deutschland eine um zwei Jahre bis 2016 verlängerte Zusage von Opel, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Für alle gilt zudem: Sie sollen bis 2015 alle Tariferhöhungen bis zum nächsten Abschluss verschieben.
IG Metall spielte auf Zeit
Für die IG Metall ging es darum, möglichst viel Zeit für die Bochumer zu gewinnen. Mit einer Transfergesellschaft bis 2018 blieben den Betroffenen, die nicht im Werk bleiben können, fünf Jahre Zeit für die Stellensuche. Der Fahrplan sieht so aus: Autobau bis 2016, allerdings mit immer weniger Personal. Gleichzeitig soll eine Teilefertigung aufgebaut werden. Von den aktuell 3300 Arbeitern im Werk blieben nach dem Ausscheiden der 700 noch 2600 übrig, für 600 käme die Teilefertigung in Frage, blieben 2000. Im Lager, das derzeit 450 Stellen hat, entstünden nur wenige neue Jobs, die kein echter Ersatz für Fertigungs-Stellen wären.
Solidarität mit Opel
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Nun ruhen die Hoffnungen auf der Entwicklungsgesellschaft, die Opel mit der Stadt gründen will, sie soll mindestens weitere 1000 Stellen rund ums Werk ansiedeln. Damit blieben 1000 Opelaner, denen nur die Transfergesellschaft bliebe.
Einenkel sind solche Rechnungen zu vage. „Das ist doch nichts, was ich meinen Leuten als Sicherheit anbieten kann“, sagt er. Deshalb hat er das Paket nicht unterschrieben. Die nächste Frist läuft nun bis Ende März. Der Druck auf ihn wird weiter wachsen.
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