Essen. Ein internes Papier der Steag aus der Feder von IG BCE-Chef Michael Vassiliadis schreibt Strategie und Standorte des Energieversorgers fest. Hintergrund: Unter den Stadtwerken, die an der Steag beteiligt sind, ist Unruhe ausgebrochen. Sie fürchten ein Auseinanderbrechen des Versorgers.

Unter den sieben kommunalen Stadtwerken im Ruhrgebiet, denen die Mehrheit am fünftgrößten Stromerzeuger Steag gehört, ist erneut erhebliche Unruhe ausgebrochen. Hintergrund ist die künftige Strategie der Steag und die Sorge, der Stadtwerkeverbund könnte auseinanderbrechen.

Die Debatte entspinnt sich an einem Papier zur Zukunft der Steag, das IG BCE-Chef Michael Vassiliadis entworfen und unterschrieben hat. Auch Evonik-Chef Klaus Engel hat als Vorstandsvorsitzender des 49-Prozent-Anteilseigners unterzeichnet. Es fehlt noch die Unterschrift des designierten Steag-Aufsichtsratschefs Guntram Pehlke, der derzeit versucht, die beteiligten Gesellschafter innerhalb des Stadtwerke-Verbundes (Essen, Bochum, Dinslaken, Oberhausen, Duisburg und Dortmund mit DEW 21 und DSW 21) für seine Unterschrift hinter sich zu sammeln.

Pehlke-Wahl könnte wackeln

Pehlke soll vom Aufsichtsrat im Januar im Umlaufverfahren als Nachfolger von Hermann Janning an die Spitze des Aufsichtsrates gewählt werden. Das aber steht möglicherweise in Frage, wenn Pehlke, Vorstandschef der Dortmunder Stadtwerke AG (DSW 21), das Papier nicht unterzeichnet. Die Vertreter von IG BCE und Evonik haben in dem Gremium die Mehrheit.

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Hintergrund des Papiers ist offenbar Misstrauen gegenüber Pehlkes Strategie. Jedenfalls zieht Vassiliadis für die Steag und mit Blick auf die Beschäftigten mächtige Korsettstangen ein: Steag solle „in ihrer jetzigen Form und als Ganzes fortgeführt“ werden, als „unabhängiges Unternehmen mit Sitz in Essen“. Auch sollen die Tochtergesellschaften an den bisherigen Standorten erhalten bleiben, heißt es in dem Papier, das unserer Zeitung vorliegt. Und weiter: „Die Gesellschafter unterstützen die Geschäftspolitik der Steag weiterhin mit dem Ziel, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten.“

So weit so gut. Brisant ist das Papier gleich am Anfang unter den Punkten 1. und 2. Dort schreiben die Unterzeichner quasi die Strategie des Erzeugers fest: Modernisierung des bestehenden Kraftwerksparks, mittelfristiger Aus- und Umbau des derzeit stark auf Steinkohle basierenden Kraftwerkspark durch Investitionen in Gas- und Dampf-Kraftwerke, Ausbau der Kraftwärme-Koppelung sowie der Erneuerbaren Energien.

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Punkt 2 lautet „Führung der Steag durch die Gesellschafter“ und entmachtet die kommunalen Stadtwerke zum Teil: „Wesentliche Entscheidungen, die die Unternehmensstrategie oder die Unternehmensstruktur betreffen, treffen die Gesellschafter einstimmig.“ Bei Unstimmigkeiten solle es einen Eskalationsmechanismus zur Vermittlung geben, der „auch den Aufsichtsratsvorsitzenden der Evonik einbezieht“. Aufsichtsratschef ist Werner Müller, der auch die RAG-Stiftung als Evonik-Muttergesellschaft führt.

Werner Müller als Moderator

Nach Informationen der WAZ Mediengruppe wächst der Widerstand unter den Stadtwerken gegen das Papier. Es nehme eine Strategie-Diskussion vorweg, beschneide die Rechte der Mehrheitsgesellschafter.

Pehlke, der womöglich um seine Wahl zum Aufsichtsratschef fürchten muss, wirbt bei den Gesellschaftern für Verständnis. Es handele sich lediglich um ein „Wohlfühlpapier“ mit Blick auf die Arbeitnehmerinteressen. Das Dokument habe „keine rechtliche Verbindlichkeit“, da die Unterzeichner „nicht alleinvertretungsberichtigt“ seien. Diese Argumentation führt wiederum bei einigen Stadtwerken zu heftigem Kopfschütteln.

Evonik-Chef Engel bewertete die Unterlage zur Steag-Zukunft auf Anfrage indes als ein „für uns wichtiges und bedeutendes Papier für die zukünftige Entwicklung der Steag“. Vassiliadis sagte, „die Vereinbarung bringt Sicherheit für die Beschäftigten an Ruhr und Saar.“ In einem schwierigen Umfeld seien die Eckpunkte für eine „gute Entwicklung der Steag gesetzt“. Eine Stellungnahme von Pehlke lag bis zum Montagabend nicht vor.