Berlin/Stuttgart. “Milliardengrab“ nennen erbitterte Gegner das Projekt Stuttgart 21. Nun muss die Bahn zugeben, dass das Vorhaben über eine Milliarde Euro teurer wird als geplant. Ein Ausstieg komme aber nicht infrage. Der Vertrag von Bahnchef Rüdiger Grube wird verlängert.
Das Bahnprojekt Stuttgart wird mindestens 1,1 Milliarden Euro teurer als zuletzt geplant. Diese Neuberechnung hat am Mittwoch die Deutsche Bahn vorgelegt. Demnach erhöht sich der Finanzierungsrahmen von 4,5 Milliarden auf 5,6 Milliarden Euro, wie Bahn-Vorstand Volker Kefer in Berlin sagte. Hinzu kämen Risiken in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.
Bahn will Mehrkosten für "Stuttgart 21" übernehmen
Der Aufsichtsrat will die Vorlage des Vorstands nun prüfen. Kefer sagte, die Bahn wolle die 1,1 Milliarden Euro übernehmen. Das Projekt könne auf dieser Basis fortgesetzt werden. Ein Ausstieg aus dem Bau der unterirdischen Durchgangsstation und der Anbindung an die Schnellbahnstrecke wäre nicht vertragskonform und würde überdies zwei Milliarden Euro kosten.
Die 1,1 Milliarden Euro verteilen sich über die nächsten zehn Jahre, sagte der Vorstand für Technik und Infrastruktur. "Die Wirtschaftlichkeit des Projekts geht dadurch massiv in die Knie, wird aber nicht negativ", fügte er hinzu. Den Risiken in Höhe von 1,2 Milliarden Euro stünden 200 Millionen Euro an Chancen für Einsparungen gegenüber. Die Risiken dürfe man nicht einfach zum neuen Kostenrahmen von 5,6 Milliarden Euro hinzurechnen, erklärte Kefer.
Allein der Flughafenbahnhof soll 760 Millionen Euro kosten
Der Aufsichtsrat sei über zusätzliche Risiken informiert worden, "die sich zukünftig aus externen Einflussfaktoren ergeben könnten". Damit seien Änderungen von Auflagen und Genehmigungsverfahren und Zusatzwünsche des Landes und der Stadt gemeint.
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Die Bahn beziffert allein die Kosten für einen verbesserten Flughafenbahnhof - wie ihn das Land und die Stadt wollen - auf 760 Millionen Euro. Das wären 224 Millionen Euro mehr als bisher genannt. Hier dringt der Bahn-Aufsichtsrat darauf, die anderen Projektträger - Land, Stadt und Flughafen - an den Kosten zu beteiligen.
Bundesregierung hält an "Stuttgart 21" fest
Der Aufsichtsrat habe den Vorstand aufgefordert, die Interessen der Bahn zu sichern und "diese mittels der sogenannten Sprechklausel durchzusetzen", teilte der Konzern mit. Ein Projektpartner kann die "Sprechklausel" ziehen, wenn der Kostendeckel durchstoßen wird, damit alle Finanziers gemeinsam über die Zukunft von S 21 sprechen.
Trotz der enormen Mehrkosten steht "Stuttgart 21" nach Ansicht der Bundesregierung n nicht vor dem Aus. Es handle sich um ein "eigenwirtschaftliches Projekt" der Deutschen Bahn AG, die zudem mehrere Projektpartner habe, sagte ein Sprecher von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) am Mittwoch in Berlin.
Tübingens Oberbürgermeister lobt Offenheit der Bahn
Der Ministeriumssprecher wies darauf hin, dass trotz Mehrkosten kein Projektpartner bislang seinen Ausstieg angekündigt habe. Auch der Bund stehe zu seinen Verpflichtungen, die bei 563,8 Millionen Euro gedeckelt bleiben. Dies seien Festkosten, die ohnehin wegen der neuen Bahnstrecke Wendlingen-Ulm anfielen.
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Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer begrüßte im Sender "Phoenix", dass die Bahn nun erstmals "ihren aktuellen Erkenntnisstand einigermaßen ehrlich der Öffentlichkeit darlegt". Die Kostensteigerung sei aber sicher nicht das Ende der Fahnenstange, sagte der Wortführer der Projektgegner. "Es kann noch viel teurer werden. Das dicke Ende kommt am Schluss."
Vertrag von Bahnchef Rüdiger Grube verlängert
Die Deutsche Bahn hat den Vertrag mit ihrem Vorstandsvorsitzenden Rüdiger Grube verlängert. Grube soll nach einem Beschluss des Aufsichtsrats das Unternehmen bis Dezember 2017 führen, wie die Bahn am Mittwoch in Berlin mitteilte. Die Vertragsverlängerung gilt vom 1. Januar 2013 an. Der 61 Jahre alte Grube leitet den Konzern seit Mai 2009.
"Mit dieser Personalentscheidung sorgen wir für Kontinuität und Verlässlichkeit im Unternehmen", erklärte der Vorsitzende des Aufsichtsrats, Utz-Hellmuth Felcht.(dapd/dpa)