Lingen/Düsseldorf. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Stromhändlers Teldafax, Gernot Koch, muss persönlich für Schäden von geprellten Kunden haften. Das Landgericht Lingen habe den Manager am 21. September wegen vorsätzlicher Täuschung eines Kunden in Niedersachsen zu einem Schadenersatz von knapp 550 Euro plus Zinsen verurteilt, bestätigte ein Gerichtssprecher.

Kunden des insolventen Stromanbieters Teldafax können sich Hoffnung auf eine Entschädigung machen: Das Amtsgericht Lingen sprach einem geprellten Kunden aus Niedersachsen eine Schadenersatzzahlung zu, wie der stellvertretende Direktor Bernhard Berends am Donnerstag einen Bericht des "Handelsblatt" bestätigte. Persönlich haftbar ist demnach der ehemalige Chef von Teldafax, Gernot Koch (Az: 12C 319/12).

Teldafax hatte im Juni 2011 Insolvenz angemeldet. Insgesamt haben mehr als 700.000 ehemalige Kunden noch Geld von dem Stromhändler zu bekommen. Gemessen an der Gläubigerzahl gilt es als das größte Insolvenzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Zahl ist so groß, weil viele Teldafax-Kunden Vorauszahlungen geleistet hatten, die die Pleitefirma ihnen nun schuldet.

Früherer Teldafax-Geschäftsführer akzeptiert Urteil

Auch der Kunde, der vor dem Amtsgericht Lingen klagte, hatte eine Vorausszahlung für seinen Strom bezahlt, diesen aber nie bekommen. Nach Auffassung des Gerichts erfolgte die Zahlungsaufforderung an den Kunden zu einem Zeitpunkt, als der frühere Geschäftsführer Koch mit einer ordnungsgemäßen Stromlieferung nicht mehr rechnen konnte. Die Aneignung des Geldes stelle somit eine "vorsätzliche unerlaubte Handlung" dar, sagte Amtsgerichts-Vizedirektor Berends der Nachrichtenagentur AFP. Der frühere Teldafax-Geschäftsführer müsse es deshalb zurückzahlen.

Koch, dessen Name auf der Abrechnung stand, hafte im Rahmen der sogenannten Durchgriffshaftung persönlich für die Forderung, betonte Berends. Es handelt sich um 549,17 Euro plus fünf Prozent Zinsen. Laut "Handelsblatt" hat Koch nach Angaben seines Anwalts das Urteil akzeptiert und die Strafe auch gezahlt.

Amtsgerichts-Vizedirektor Berends sagte, er wolle über mögliche Auswirkungen auf andere Verfahren nicht spekulieren. Nach seiner Einschätzung sei das Urteil aber nicht so speziell, dass es nicht auch auf andere, ähnlich gelagerte Fälle übertragbar sein könnte.

Teldafax drohen noch mehr Prozesse

Der Anwalt des siegreichen Kunden, Florian Dälken aus Lingen, sagte dem "Handelsblatt", seine Kanzlei habe schon 15 vergleichbare Fälle vorliegen - "und es kommen ständig neue hinzu". Kochs Anwalt Lars Winkler sagte der Zeitung, sein Mandant werde sich gegen jede Klage verteidigen. Gegen das Lingener Urteil habe er keine Berufung einlegen können, weil die Schwelle dafür bei einem Streitwert von 650 Euro liege. Dies dürfte aber für viele ehemalige Teldafax-Kunden zutreffen.

Insolvenzverwalter Biner Bähr hatte bei der Gläubigerversammlung im November vor einem Jahr gesagt, Teldafax habe alles daran gesetzt, um "möglichst schnell möglichst viele" Energiekunden zu gewinnen - so habe das Troisdorfer Unternehmen für mögliche Investoren interessant werden sollen. Mit einer hohen Kundenzahl sollte "die Braut aufgehübscht" werden.

Verdacht der Insolvenzverschleppung

Begleitet von umfangreichen Vertriebs- und Marketing-Aktivitäten habe Teldafax seinen Kunden Tarife angeboten, die "vielfach deutlich unter den Einkaufspreisen" gelegen hätten. Die Kundenzahl sei dadurch in kürzester Zeit angewachsen, ebenso aber auch die Verbindlichkeiten gegenüber Netzbetreibern, Stromlieferanten und dem Fiskus.

Erste Berichte über eine Überschuldung im Herbst 2010 hatte das Unternehmen vehement zurückgewiesen. Nach Analyse von Insolvenzverwalter Bähr war Teldafax aber bereits 2009 überschuldet. Wegen Verdachts der Insolvenzverschleppung ermittelt die Bonner Staatsanwaltschaft gegen neun Verantwortliche des Unternehmens.