Brüssel. Sicher ja, aber nicht lückenlos: Europäische Atomkraftwerke sind nicht gut genug für etwaige Erdbeben geschützt. EU-Energiekommissar Oettinger ist zudem für eine Pflichtversicherung gegen AKW-Unfälle. Die Verbraucher würde damit ein noch höherer Strompreis erwarten.

Bei praktisch allen Kernkraftwerken in der EU muss die Sicherheit verbessert werden. Das ist das Ergebnis der sogenannten Stresstests, das EU-Energiekommissar Günther Oettinger am Donnerstag in Brüssel vorstellte.

"Die Sicherheitsstandards der Kernkraftwerke in Europa sind im Allgemeinen hoch, doch werden weitere Verbesserungen bei den sicherheitstechnischen Merkmalen nahezu aller europäischen Kernkraftwerke empfohlen", hieß es in einer Erklärung der EU-Kommission.

Atomkraftwerke müssen laut EU für etwaige Erdbeben nachgerüstet werden

Als Beispiel nennt die Kommission den Nachrüstungsbedarf bei Instrumenten, um eventuelle Erdbeben anzukündigen. Diese sollten bei 121 der 132 Reaktoren installiert oder nachgerüstet werden.

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Bei 81 Reaktoren sei das Material zur Bekämpfung schwerer Unfälle nicht sicher genug gelagert, hieß es in der Erklärung.

Stresstest als Lehre aus Fukushima

Der Bericht zu den Stresstests nennt einen Investitionsbedarf zwischen zehn und 25 Milliarden Euro, wenn alle Empfehlungen umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um die Hochrechnung von Zahlen aus Frankreich, die den Finanzbedarf nur schätzungweise angeben.

Schwachstellen bei Kraftwerken in Brokdorf, Brunsbüttel, Emsland, Grohnde und Krümmel

Der Bericht selbst führt die einzelnen Reaktoren mit ihren Schwachstellen auf. Der Bericht empfiehlt etwa für Brokdorf, einen neuen Standard für Erdbebensicherheit zugrundezulegen. Dort fehlen demnach seismische Messinstrumente ebenso wie in Brunsbüttel, Emsland, Grohnde und Krümmel. Die Unfall-Ausrüstung ist dem Bericht zufolge bei allen deutschen Reaktoren gut gelagert.

Oettinger will Pflichtversicherung gegen Unfälle von Akw

EU-Energiekommissar Günther Oettinger will eine Pflichtversicherung gegen Unfälle von Atomkraftwerken einführen."Ich denke, dass bestimmte Versicherungspflichten verbindlich vorgeschrieben werden sollten", sagte Oettinger. Dadurch sollten unter anderem die "Vollkosten für Kernkraftstrom noch mehr einer ehrlichen umfassenden Vollkostenrechnung entsprechen als es derzeit geschieht".

Oettinger will Vorschläge für eine mögliche Versicherungspflicht im Frühjahr vorlegen. Er räumte ein, dass dies den Strompreis verteuern und die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit von Atomstrom sicher nicht stärkten werde. Sein Auftrag sei es aber nicht, "durch Sicherheitsdumping den Kernkraftstrom billig zu machen."

Die Stresstests für die europäischen Atomkraftwerke waren im Juni 2011 begonnen worden. Sie sollten die Lehre aus der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima ziehen. In der EU stehen Angaben der Kommission zufolge 145 Atomreaktoren, derzeit sind noch 132 in Betrieb.

Greenpeace kritisierte, die Tests hätten "einige der schwierigsten Fragen" übergangen. Als Beispiel nannten die Umweltschützer in einer Mitteilung in Brüssel die Bedrohung durch Terroristen und Notfallpläne für die Bevölkerung. Auch die Grünen im Bundestag monierten die Tests als unvollständig. Aber auch so belegten sie, dass in vielen Akw "selbst elementare Sicherheitssysteme fehlen", rügten die Grünen. (afp/rtr)