Brüssel.. Viele Bürger dürfte die neueste Nachricht aus der Atombranche beunruhigen. Fast alle Kernkraftwerke in Europa haben Sicherheitsmängel und müssen daher nachgerüstet werden. Diesen Schluss ziehen Experten der EU-Kommission, die europaweite „Stresstests“ ausgewertet haben. Auf RWE, Eon und andere Atomanlagen-Betreiber könnten Kosten von bis zu 25 Milliarden Euro zukommen.
Viele Bürger dürfte die neueste Nachricht aus der Atombranche beunruhigen. Fast alle Kernkraftwerke in Europa haben Sicherheitsmängel und müssen daher nachgerüstet werden. Diesen Schluss ziehen Experten der EU-Kommission, die europaweite „Stresstests“ ausgewertet haben. Auf RWE, Eon und andere Atomanlagen-Betreiber könnten Kosten von bis zu 25 Milliarden Euro zukommen.
Ein Entwurf des EU-Abschlussberichts lag der WAZ Mediengruppe am Montag vor. EU-Energiekommissar Günther Oettinger äußerte sich nicht zu dem Entwurf. Er sagte lediglich: „Generell ist die Lage zufriedenstellend, aber es gibt keinen Anlass für Selbstzufriedenheit.“ Offiziell will Oettinger den Abschlussbericht noch im Oktober präsentieren.
Wie sicher sind deutsche Atomkraftwerke?
In allen zwölf untersuchten Anlagen stellen die EU-Experten Nachbesserungsbedarf fest. So müssten Erdbeben-Messgeräte eingeführt beziehungsweise verbessert werden. Zudem gebe es nicht überall umfassende Regeln, was bei einem schweren Unfall zu tun wäre. Deutschlands Mängelliste ist jedoch deutlich kürzer als die von Frankreich. Das Nachbarland setzt fast vollständig auf Atomstrom. Die 19 Kernkraftwerke weisen aus EU-Sicht im Schnitt mehr Sicherheitsmängel auf als die deutschen Anlagen. Im Gegensatz zur Bundesrepublik will Frankreich aber auch künftig Atomstrom erzeugen.
Wie viele Atomanlagen gibt es in Europa?
In der EU liefern laut dem Bericht derzeit 134 Reaktoren in 68 Atomkraftwerken Strom. 14 der 27 EU-Staaten setzen auf Atomstrom. Ohne ihn hätten die Europäer Probleme, ihren Energiebedarf zu decken: Die Kernkraftwerke liefern etwa ein Drittel des verbrauchten Stroms. Die meisten Atomkraftwerke stehen nach EU-Angaben in dichter besiedelten Gebieten: Bei 47 der 68 Anlagen leben in einem Umkreis von 30 Kilometern mehr als 100 000 Menschen.
Warum werden Europas Kernkraftwerke getestet?
Mit den – freiwilligen – „Stresstests“ reagierten die Politiker auf die Atom-Katastrophe in einer Anlage im japanischen Fukushima. Ausgelöst wurde das Desaster im März 2011 nach einem Erdbeben und einer riesigen Meeres-Flutwelle („Tsunami“).
Die Europäer fragten sich, wie sicher ihre Kernkraftwerke sind. EU-Energiekommissar Günther Oettinger setzte die Überprüfungen durch. Damit werden Europas Atomkraftwerke erstmals nach einheitlichen Regeln überprüft. Viel Macht hat die EU-Kommission in diesem Bereich aber nicht. Energiepolitik ist in Europa Sache der einzelnen Staaten. Sie sind für Sicherheitsstandards und Kontrollen der Atomanlagen zuständig, nicht Brüssel.
Wie werden die Atomanlagen überprüft?
Die Energiekonzerne, die Kernkraftwerke betreiben, müssen einen Fragebogen ausfüllen und beschreiben, was bei Naturkatastrophen oder von Menschen verursachten Unglücken – dazu gehören Flugzeugabstürze und Terroranschläge – passiert. Die jeweilige nationale Aufsichtsbehörde prüft diese Angaben. Dann beugen sich Vertreter der EU-Kommission über den Bericht.
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Die Stresstests sind freiwillig. Fällt ein Atomreaktor durch, wird er nicht automatisch abgeschaltet. Der betroffene Staat entscheidet, was dann passiert. nicht die EU-Kommission.
Gibt es Kritik an den Tests?
Ja. Denn im Prinzip kontrolliert sich die Atombranche selbst. Vor allem die europäischen Grünen und Umweltschutzorganisationen kritisieren daher die Stresstests. Sie halten die Prüfungen außerdem für zu lasch. Daher fordert etwa der BUND einen rascheren Ausstieg aus der Atomenergie. EU-Energiekommissar Oettinger weiß um seine Grenzen. Er setzt daher darauf, dass die Öffentlichkeit Druck auf Anlagenbetreiber macht, falls Atomreaktoren bei den Stresstests schlecht abschneiden.