Luxemburg. Die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshof spricht sich für die Verbraucher aus - und gegen den Energiekonzern RWE. Folgt das Gericht dem Antrag, könnten rückwirkend bis 2003 zu viel gezahlte Gas-Kosten erstattet werden. Betroffen wäre fast jeder, der mit Gas heizt oder Warmwasser bereitet.

Der Energieversorgungsbranche droht im Streit um Gaspreiserhöhungen für
Sonderkunden eine womöglich teure Schlappe vor dem Europäischen Gerichtshof
(EuGH) in Luxemburg. Zahlreiche Kunden aller Energieversorger könnten mit vergleichbaren Klauseln in
ihren Verträgen die Rückzahlung von Gaspreiserhöhungen fordern. Das gilt zumindest, wenn das Gericht dem Schlussantrag seiner Generalanwältin Verica Trstenjak im Streit
um Preiserhöhungsklauseln des Energiekonzerns RWE. Dieser wurde am Donnerstag in Luxemburg veröffentlicht.

"Solch ein Urteil zugunsten der Verbraucher wäre sensationell und
würde bundesweit eine Vielzahl von Kunden betreffen", sagte Experte Jürgen
Schröder von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, die den Fall ins
Rollen gebracht hatte.

NRW-Verbraucherzentrale hat RWE-Verfahren angestoßen

Im Ausgangsverfahren machte die Verbraucherzentrale exemplarisch die
Rechte von 25 RWE-Kunden auf Rückzahlung von
16.000 Euro geltend. Die Verbraucherschützer argumentierten, dass die
Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Gaspreiserhöhungen für Sonderkunden
intransparent seien - da nicht klar gemacht werde, unter welchen
Voraussetzungen Preise erhöht würden. Dies benachteilige die Verbraucher
unangemessen.

So genannte Sonderkunden sind laut Verbraucherschützern nahezu alle Kunden, die
mit Gas heizen und/oder Warmwasser bereiten. Einige Versorger ziehen die Grenze
zwischen Kunde und Sonderkunde auch beim Jahresverbrauch. Enthält ein
Gasliefervertrag Begriffe wie Sondervertrag, Sonderpreis oder Sondertarif, ist
das ein Anzeichen für die Einstufung als Sonderkunde.

RWE befürchtet schwerwiegende Störungen für Energieversorger

Die Generalanwältin sprach sich in ihren Schlussanträgen nun dafür
aus, dass der EuGH die Klauseln auf Vorlage des Bundesgerichtshofs (BGH) wegen
Verstoßes gegen EU-Recht rückwirkend bis 2003 für unwirksam erklärt. Trstenjak
stellte sich damit gegen die Forderung der Bundesregierung und der RWE, die gefordert hatten, ein womöglich
kundenfreundliches Urteil zeitlich zu begrenzen. Der Konzern begründete die Forderung damit, dass ansonsten eine allgemeine
Rückzahlungspflicht in Milliardenhöhe zu "schwerwiegenden Störungen der
Energieversorgungsbranche" führen könne.

Jurist Schröder von der Verbraucherzentrale NRW bezeichnete dies als
"Schreckgespenst". Betroffene Sonderkunden hätten mit Blick auf die
Verjährungsfrist zunächst Anspruch auf Rückzahlung von Preiserhöhungen der
vergangenen drei Jahre.

Sonderkunden sollten fehlerhaften Rechnungen sofort widersprechen

Unklar ist dagegen laut Schröder noch, ob diese Verjährungsfrist erst
nach einem klarstellenden Urteil des EuGH oder des BGH zu laufen beginne; dann
könnten auch noch Forderungen aus weiter zurückliegenden Jahresrechnungen
gestellt werden.

Voraussetzung dafür ist aber nach einem Urteil des BGH vom 14. März
2012, dass Sonderkunden binnen drei Jahren einer
Jahresrechnung widersprochen haben. Schröder rät daher Kunden, stets einer
Rechnung sofort zu widersprechen. Der EuGH wird sein mit Spannung erwartetes
Urteil in einigen Monaten verkünden. Er folgt dabei in der Regel den
Schlussanträgen seiner Generalanwälte. (afp)