Berlin. Bis 2030 müssen weiter neue fossile Kraftwerke gebaut werden, um die Energieversorgung in Deutschland sicherzustellen - wenn einmal keine Sonne scheine und der Wind nicht wehe. Das ist das Ergebnis einer Studie. Auftraggeber der Studie ist ein Energiekonzern.
Trotz des massiven Ausbaus erneuerbarer Energien müssen einer Studie zufolge
noch bis mindestens zum Jahr 2030 neue Kohle- und Gaskraftwerke gebaut werden.
Effiziente Gas- und Kohlekraftwerke würden noch lange gebraucht, um die
Stromversorgung sicherzustellen, wenn kein Wind wehe oder keine Sonne scheine,
heißt es in einer am Mittwoch in Berlin veröffentlichten Untersuchung der
halbstaatlichen Deutschen Energieagentur (Dena).
So müssten im Jahr 2050, für
das sich Deutschland einen Anteil von 80 Prozent Ökostrom zum Ziel gesetzt hat,
immer noch rund 60 Prozent der sogenannten gesicherten Leistung mit fossilen
Kraftwerken gedeckt werden. Gesicherte Leistung bedeutet, dass diese Anlagen
bereitstehen, wenn aus erneuerbaren Energien nicht genug Strom erzeugt werden
kann.
Bis 2050 würden der Studie zufolge nicht nur die Atomkraftwerke,
sondern die meisten der derzeit noch aktiven Kohle- und Gaskraftwerke
stillgelegt sein. Die neuen fossilen Anlagen müssten daher zum größten Teil bis
2020, spätestens bis 2030 gebaut sein.
Kritik von Greenpeace an der Studie
Auftraggeber der Dena-Studie war der Essener Energiekonzern
RWE. Auch für die großen Versorger sind Gas- und Kohlekraftwerke noch auf
Jahre unverzichtbar. RWE hatte erst in der vergangenen Woche ein großes
Braunkohlekraftwerk eingeweiht. Der Konkurrent Eon kämpft um sein
Kohlekraftwerk in Datteln, bei dem nach der Klage von Anwohnern die Bauarbeiten
weitgehend ruhen.
Die Energieriesen wollen sich aber zugleich unabhängiger von
fossilen Kraftwerken mit ihrem hohen Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids
machen und treiben mit Milliardeninvestitionen ihr Ökostromgeschäft voran.
Die Umweltorganisation Greenpeace kritisierte die Studie scharf als
Frontalangriff auf die Energiewende. Wer im Ernst behaupte, Deutschland brauche
langfristig Kohle, ignoriere jeglichen wissenschaftlichen Sachverstand, sagte
Energie-Experte Andree Böhling. Zahlreiche Studien hätte eine völlige Abkehr von
Kohle und Gas bis zum Jahr 2050 für möglich erklärt. Die Dena verletze ihren
öffentlichen Auftrag und verkomme immer mehr zur PR-Agentur für
Kohleverstromer.
Mehr Strom aus erneuerbaren Energie als benötigt
Dena-Chef Stephan Kohler betonte jedoch: "Energiewende heißt auch:
neue effiziente fossile Kraftwerke, mehr Netze, mehr Speicher, mehr
Flexibilisierung bei Erzeugung und Nachfrage - und Energiesparen wo immer
wirtschaftlich möglich." Benötigt werden der Dena zufolge bis dahin rund 49
Gigawatt neuer Leistung, was etwa 50 größeren Kraftwerken entsprechen würde. Ob
diese Anlagen tatsächlich gebaut würden, sei aber unter den gegenwärtigen
Bedingungen fraglich, da sie nur an vergleichsweise wenig Tagen laufen und damit
Geld verdienen können.
Auf der anderen Seite würden erneuerbare Energien nach 2020 häufig
aber auch weit mehr Strom als benötigt liefern. Insgesamt würden 15 Prozent der
Elektrizität weder im Inland verbraucht noch ins Ausland exportiert werden
können. Daher sei das Thema Energiespeicher auch besonders wichtig. Klar sei so
auch, dass die Stromversorgung auf Grundlage dieses Szenarios deutlich teurer
würde.
Deutschland könnte dennoch über das Jahr gerechnet bis 2050 vom
Exporteur zum Importeur von Strom werden. Etwa 22 Prozent des Stroms müsse dann
eingeführt werden, wenn in Deutschland keine neuen konventionellen Kraftwerke
gebaut würden. (rtr)