Stuttgart. Holger Härter wird vorgeworfen, bei Kreditverhandlungen mit Banken falsche Angaben über die von Porsche gehaltenen Optionen auf VW-Stammaktien gemacht zu haben. Beim Prozessauftakt in Stuttgart wirft der ehemalige Finanzvorstand der Staatsanwaltschaft vor, Begriffe durcheinandergebracht und falsch übersetzt zu haben.

Der ehemalige Porsche-Finanzvorstand Holger Härter hat den gegen ihn erhobenen Vorwurf des Kreditbetrugs vehement zurückgewiesen. "Der Vorwurf macht mich fassungslos", sagte Härter am Mittwoch zum Prozessauftakt am Landgericht Stuttgart. Er habe stets akribisch darauf geachtet, dass seine Aussagen fundiert gewesen seien. "Geschäftspartner zu hintergehen, ist nicht meine Art und Weise", sagte er.

Härter und zwei seiner damaligen Mitarbeitern wird vorgeworfen, im Zuge der missglückten Übernahme von Volkswagen durch Porsche gegenüber der deutschen Tochter der französischen Großbank BNP Paribas falsche Angaben über gehaltene Optionen auf VW-Stammaktien gemacht zu haben.

Vorwürfe an die Staatsanwaltschaft: "Begriffskonfusion"

Porsche benötigte im März 2009 eine Anschlussfinanzierung eines Milliardenkredits. Laut Staatsanwaltschaft sollen die Beschuldigten den Netto-Liquiditätsbedarf, der sich bei der Ausübung der Kaufoptionen ergeben hätte, gegenüber der Bank um etwa 1,4 Milliarden Euro zu niedrig angegeben und rund 45 Millionen von Porsche gehaltene Verkaufsoptionen verschwiegen haben. Diese Angaben seien bewusst fehlerhaft und für eine Kreditvergabe erheblich gewesen, erklärte die Anklagebehörde.

Härter warf der Staatsanwaltschaft im Gerichtssaal vor, Begriffe durcheinanderzuwerfen. In einer über seine Anwältin Anne Wehnert verteilten Pressemitteilung wurde er noch deutlicher. "Die Anklage ist das Ergebnis einer von der Staatsanwaltschaft ausgelösten Begriffskonfusion einerseits und fehlerhafter Berechnungen andererseits", heißt es darin.

Härter war der Architekt der geplanten VW-Übernahme. Bereits im Frühjahr 2008 brütete er über einem Finanzierungsplan, der bei Porsche als "Projekt Shuffle" betitelt wurde. Durch Aktienoptionsgeschäfte schaffte er das Kunststück, dass der Gewinn bei Porsche den Umsatz übertraf. Zeitweise holte er Kreditzusagen von 35 Milliarden Euro rein.

Doch dann kam die Finanzkrise, und die Banken wurden zurückhaltender. Härter machte sich daran, Zusagen von verschiedenen Banken einzusammeln und verhandelte mit 15 Banken einen Gesamtkredit über zehn Milliarden Euro mit der Option, diesen um 2,5 Milliarden Euro aufzustocken. Eines der beteiligten Institute war die BNP.

20 Verhandlungstage sind angesetzt

Wie in der Branche und in der Größenordnung üblich, verwendeten Porsche und die Bank in ihrem Schriftverkehr englische Begriffe. So wirft Härter der Staatsanwaltschaft vor, sie habe fälschlicherweise den Begriff "Net Purchase Price" mit "Netto-Liquiditätsbedarf" übersetzt. Tatsächlich müsse es "Netto-Erwerbspreis" heißen, den Porsche gegenüber der Bank mit 70 Euro je Stammaktie angegeben habe. Dies hätte zu Kosten von 4,1 Milliarden Euro geführt, hätte Porsche wie angestrebt seine Anteile an VW um 20 Prozent auf über 70 Prozent aufgestockt. Die Angaben hält Härter nach wie vor für richtig.

Die Anklage dagegen geht davon aus, dass Porsche das Geschäft 5,5 Milliarden Euro gekostet hätte. Härter führt das auf die unterschiedlich verwendeten Begriffe zurück. Auch die Nichterwähnung der 45 Millionen Verkaufsoptionen verteidigte er. Von ihnen sei kein Risiko ausgegangen. "Ich bin überhaupt nicht auf die Idee gekommen, diese Put-Optionen zu erwähnen", sagte er. Denn der unwahrscheinliche Fall, dass sie wirklich ausgeübt werden, sei abgesichert gewesen. Zudem habe ihre Restlaufzeit nach den Gesprächen mit der BNP noch drei Monate betragen.

Porsche-VW: Die Akteure

Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hat den Machtkampf verloren. Er muss seinen Posten aufgeben. Lange Zeit sah er wie der Sieger in dem Tauziehen aus. Doch er hatte offenbar seine zahlreichen Gegner unterschätzt.
Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hat den Machtkampf verloren. Er muss seinen Posten aufgeben. Lange Zeit sah er wie der Sieger in dem Tauziehen aus. Doch er hatte offenbar seine zahlreichen Gegner unterschätzt. © AP
2005 gelang Wiedeking ein Paukenschlag. Er kündigte den Einstieg bei VW an. Zunächst sprach Porsche von einem 19-Prozent-Anteil, doch nach und nach stockten die Stuttgarter ihre Anteile auf. Zum Schluss war von einer Komplettübernahme die Rede.
2005 gelang Wiedeking ein Paukenschlag. Er kündigte den Einstieg bei VW an. Zunächst sprach Porsche von einem 19-Prozent-Anteil, doch nach und nach stockten die Stuttgarter ihre Anteile auf. Zum Schluss war von einer Komplettübernahme die Rede. © ddp
Zusammen mit Finanzvorstand Holger Härter hatte Wiedeking die Übernahme an den Finanzmärkten geschickt eingefädelt.
Zusammen mit Finanzvorstand Holger Härter hatte Wiedeking die Übernahme an den Finanzmärkten geschickt eingefädelt.
Noch bis vor wenigen Wochen glaubte sich Wiedeking als Gewinner in dem Spiel: David schluckt Goliath. Doch er hatte einen unterschätzt:
Noch bis vor wenigen Wochen glaubte sich Wiedeking als Gewinner in dem Spiel: David schluckt Goliath. Doch er hatte einen unterschätzt: © ddp
Porsche-Miteigentümer und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech. Anfangs schien Piech sogar angetan von der Idee eines Porsche-Einstiegs bei VW. Doch die Stuttgarter wurden ihm zu stark. Schließlich wollte Piech selbst einen Autogiganten schmieden -und zwar unter seiner Führung.
Porsche-Miteigentümer und VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech. Anfangs schien Piech sogar angetan von der Idee eines Porsche-Einstiegs bei VW. Doch die Stuttgarter wurden ihm zu stark. Schließlich wollte Piech selbst einen Autogiganten schmieden -und zwar unter seiner Führung. © AP
Der Machtkampf tobte auch auf Familienebene: Wolfgang Porsche, ein bekennender Wiedeking-Fan, ist der Machtwille seines Cousins Ferdinand Piech längst ein Dorn im Auge. Wopo, wie er genannt wird, gilt zwar als eher vorsichtiger Typ, unterstützte aber letztlich die Übernahme.
Der Machtkampf tobte auch auf Familienebene: Wolfgang Porsche, ein bekennender Wiedeking-Fan, ist der Machtwille seines Cousins Ferdinand Piech längst ein Dorn im Auge. Wopo, wie er genannt wird, gilt zwar als eher vorsichtiger Typ, unterstützte aber letztlich die Übernahme. © AP
Piech drehte den Spieß um, als Porsche sich mit der VW-Übernahme überhoben und einen riesigen Schuldenberg angehäuft hatte. Nun also gehört Porsche bald zu Volkswagen.
Piech drehte den Spieß um, als Porsche sich mit der VW-Übernahme überhoben und einen riesigen Schuldenberg angehäuft hatte. Nun also gehört Porsche bald zu Volkswagen. © AP
Einer der schärfsten Gegner dieses Plans ist Porsche-Betriebsrat Uwe Hück. Hück galt als wichtiger Verbündeter von Wiedeking, der die Arbeitnehmerschaft auf seiner Seite wusste.
Einer der schärfsten Gegner dieses Plans ist Porsche-Betriebsrat Uwe Hück. Hück galt als wichtiger Verbündeter von Wiedeking, der die Arbeitnehmerschaft auf seiner Seite wusste. © ddp
Doch auch VW konnte auf den Betriebsrat bauen. Betriebsratschef Bernd Osterloh (l.) hatte speziell Wiedeking als Feindbild ausgemacht und ihm vorgeworfen, die Arbeitnehmerrechte der VW-Truppe beschneiden zu wollen.
Doch auch VW konnte auf den Betriebsrat bauen. Betriebsratschef Bernd Osterloh (l.) hatte speziell Wiedeking als Feindbild ausgemacht und ihm vorgeworfen, die Arbeitnehmerrechte der VW-Truppe beschneiden zu wollen. © AP
Aber auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff torpedierte Wiedekings Pläne. Das VW-Gesetz sichert Niedersachsen eine Sperrminorität bei VW. Deshalb wollte Wiedeking das Gesetz zu Fall bringen. Doch damit machte er sich keine Freunde in Niedersachsen.
Aber auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff torpedierte Wiedekings Pläne. Das VW-Gesetz sichert Niedersachsen eine Sperrminorität bei VW. Deshalb wollte Wiedeking das Gesetz zu Fall bringen. Doch damit machte er sich keine Freunde in Niedersachsen. © AP
Wiedeking scheiterte denn auch mit seinem Plan, das VW-Gesetz zu kippen. Nicht zuletzt war es Wulff, gelungen, Bundeskanzlerin Merkel auf seine Seite zu ziehen. Die Bundesregierung sicherte Niedersachsen weiterhin den Einfluss bei VW zu.
Wiedeking scheiterte denn auch mit seinem Plan, das VW-Gesetz zu kippen. Nicht zuletzt war es Wulff, gelungen, Bundeskanzlerin Merkel auf seine Seite zu ziehen. Die Bundesregierung sicherte Niedersachsen weiterhin den Einfluss bei VW zu. © AP
Natürlich blieb auch das politische Gerangel nicht aus. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger musste sich rein von Amts wegen mit seinem Parteikollegen in Niedersachsen anlegen. Schließlich ging es darum, wo der Konzern seinen Hauptsitz haben wird.
Natürlich blieb auch das politische Gerangel nicht aus. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger musste sich rein von Amts wegen mit seinem Parteikollegen in Niedersachsen anlegen. Schließlich ging es darum, wo der Konzern seinen Hauptsitz haben wird. © AP
Einer der Gewinner einer Übernahme von Porsche ist VW-Chef Martin Winterkorn (l.). Seine Macht in dem um eine weitere Marke vergrößerten Konzern wird steigen.
Einer der Gewinner einer Übernahme von Porsche ist VW-Chef Martin Winterkorn (l.). Seine Macht in dem um eine weitere Marke vergrößerten Konzern wird steigen. © ddp
Mit all den Gegnern, die sich Wiedeking gemacht hat, war sein Abgang besiegelt. Der Porsche-Chef verlässt den Konzern. Sein Nachfolger wird Michael Macht, Vorstand Produktion und Logistik der Porsche AG.
Mit all den Gegnern, die sich Wiedeking gemacht hat, war sein Abgang besiegelt. Der Porsche-Chef verlässt den Konzern. Sein Nachfolger wird Michael Macht, Vorstand Produktion und Logistik der Porsche AG. © ddp
Der Emir von Katar, Scheich Hamid bin Khalifa Al-Thani, war Wiedekings letzte Hoffnung. Doch der Scheich steigt nicht direkt bei Porsche ein, wie es Wiedekings Plan war, sondern übernimmt VW-Optionen von Porsche. Damit wird das Emirat neuer Aktionär bei VW.
Der Emir von Katar, Scheich Hamid bin Khalifa Al-Thani, war Wiedekings letzte Hoffnung. Doch der Scheich steigt nicht direkt bei Porsche ein, wie es Wiedekings Plan war, sondern übernimmt VW-Optionen von Porsche. Damit wird das Emirat neuer Aktionär bei VW. © AP
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Zu seiner Verteidigung verwies Härter auch darauf, dass die BNP auch in der Folgezeit Geschäfte mit Porsche gemacht habe. "So verhält sich nicht, wer vermuten muss, von seinem Geschäftspartner hinters Licht geführt zu werden", sagte er.

Der Prozess wird am 27. September fortgesetzt. Dann sollen Härter und die beiden anderen Angeklagten weiter Rede und Antwort stehen. Die ersten Zeugenbefragungen plant das Gericht für 8. Oktober. Insgesamt sind 20 Verhandlungstage angesetzt. (dapd)