Wesel. . Der Spezialchemie-Konzern aus Wesel spürt erste Anzeichen einer Konjunktur-Abkühlung. Außerdem passen die Farbwünsche von Autokäufern nicht immer zur eigenen Produktpalette. Ein Interview zur Halbjahres-Bilanz mit dem Vorstandsvorsitzenden Matthias Wolfgruber.

Der Altana-Konzern – unter anderem mit Spezialzusätzen für Lacke, mit Farben und Klebstoffen für Produktverpackungen oder mit flüssigen Elektroisolierungen erfolgreich – hat im ersten Halbjahr bei Umsatz und Gewinn zugelegt. Doch die Konjunktur droht abzukühlen. Darüber sprach Vorstandsvorsitzender Matthias Wolfgruber im Interview.

Herr Dr. Wolfgruber, viele Branchen fürchten derzeit eine konjunkturelle Abkühlung und auch Altana erwartet eine geringere Nachfrage. Spüren Sie erste Anzeichen einer Krise?

Matthias Wolfgruber verbuchte mit Altana im ersten Halbjahr 2012 Rekordwerte bei Umsatz und Gewinn.
Matthias Wolfgruber verbuchte mit Altana im ersten Halbjahr 2012 Rekordwerte bei Umsatz und Gewinn. © WAZ FotoPool

Matthias Wolfgruber: Zunächst einmal haben wir im ersten Halbjahr ein Rekordergebnis bei Umsatz und Gewinn hingelegt, das wir so nicht erwartet haben. Das liegt zum Teil an Währungseffekten, der schwache Euro hat uns hier etwas geholfen. Überrascht hat uns das sehr starke Geschäft in Amerika, während Asien eher schwach ist. Südeuropa war vor allem im zweiten Quartal stark rückläufig.

Auswirkungen der Euro-Schuldenkrise?

Wolfgruber: Wir sind regional sehr breit aufgestellt. Deshalb trifft uns das nicht massiv, dennoch spüren wir den Einbruch. Wir sehen in Südeuropa ein Umsatzpotenzial für das Gesamtjahr von ungefähr 200 Millionen Euro, nun erwarten wir hier einen Rückgang von fünf bis zehn Prozent.

Auf Asien hatten Sie zuletzt große Hoffnungen gesetzt, werden Sie jetzt enttäuscht?

Wolfgruber: Von Enttäuschung würde ich nicht sprechen. Allerdings haben wir nicht erwartet, dass sich die Konjunktur in China so stark abkühlt. Mehrere Jahre lang hatten wir dort Wachstumsraten von 20 Prozent und mehr. Diese sind 2011 eingebrochen, das hat sich im ersten Halbjahr dieses Jahres fortgesetzt. Wir sehen aber das Geschäft in China und Asien insgesamt unverändert positiv. Der größte Markt für Altana-Produkte liegt mittlerweile in Asien – mit der größten Wachstumstendenz aller Regionen.

Welche Geschäftsfelder machen Ihnen aktuell die meisten Sorgen?

Wolfgruber: Die größten Herausforderungen sehen wir derzeit im Bereich der Metalleffekt-Pigmente. Hier kommen zum konjunkturellen Gegenwind auch Farb- und Modetrends, die zum Teil gegenläufig zu unserer Produktpalette sind. Wir sind weltweit der größte Hersteller für Silberpigmente, zum Beispiel für Autolacke, und für Bronzepigmente in der Druckindustrie. Nun geht der Anteil der silberfarbenen Neuwagen etwas zurück und auch im Elektronikbereich – egal ob Handys, Fernseher oder Stereoanlagen – hat der Anteil silberner Geräte abgenommen. Das reduziert im Moment unser Absatzpotential. Im Druckbereich wiederum entscheidet sich im Moment mancher Hersteller dagegen, sein Etikett mit unseren Bronzepigmenten goldfarben zu bedrucken, weil unsere Zusätze durch den hohen Kupferpreis teurer geworden sind.

Nicht nur mit Lackzusätzen, sondern auch mit anderen Produkten beliefern Sie die zunehmend schwächelnde Automobilindustrie…

Dass die Käufer von Autos oder Fernsehern derzeit nicht so sehr auf silberfarbene Modelle stehen, bekommt Altana zu spüren, sagt Matthias Wolfgruber
Dass die Käufer von Autos oder Fernsehern derzeit nicht so sehr auf silberfarbene Modelle stehen, bekommt Altana zu spüren, sagt Matthias Wolfgruber © WAZ FotoPool

Wolfgruber: Wir können da noch keine schwächere Nachfrage feststellen. Unsere Geschäfte mit der Autoindustrie laufen gut, auch, weil wir in diesem Bereich dank unserer Innovationen nur bedingt von der Konjunktur abhängig sind. Durch neue Produkte wachsen wir dort, selbst wenn der Autoabsatz stagniert. Zum Beispiel haben wir zuletzt sehr stark davon profitiert, dass die Autoindustrie auf umweltfreundlichere Lacke umsteigt, die wiederum neue Zusätze aus unserer Herstellung benötigen. Zudem leben wir mit unseren flüssigen Isolierstoffen auch davon, dass es in modernen Autos immer mehr Elektromotoren gibt: Im Fensterheber, in der Sitzverstellung, im Außenspiegel… – da sind überall unsere Produkte drin. Unser Wachstumspotential ist Innovation, selbst wenn unsere Märkte stagnieren.

Haben Sie deshalb die Ausgaben für Forschung und Entwicklung noch einmal deutlich erhöht?

Wolfgruber: Ja. Und wir werden diese Ausgaben gemessen am Umsatz weiter überproportional steigern. Investitionen in die Forschung sind unsere Lebensgrundlage, sie sind die Grundvoraussetzung, um sich in unserem Spezialitätengeschäft nachhaltig von Wettbewerben differenzieren zu können.

Das bedeutet mehr Personal, auch in Ihrem neuen Laborgebäude in Wesel?

Wolfgruber: Ja, dafür benötigen wir auch mehr Personal. In unserem neuen Laborgebäude haben wir neue Forschungsmöglichkeiten geschaffen, die bedient werden müssen – und hier investieren wir weiter kräftig. Insgesamt sind wir beim Personalaufbau mit Blick auf die konjunkturellen Unsicherheiten ein wenig vorsichtiger geworden. Aber wenn wir neue Mitarbeiter einstellen, dann vor allem für die Bereiche Forschung und Vertrieb. Deutschland bleibt für uns weiter der wichtigste Innovationsstandort. Entscheidend sind die Verfügbarkeit des kompetenten Personals, der Schutz des geistigen Eigentums und der Wissensaustausch zwischen unseren einzelnen Standorten. Allerdings werden wir künftig auch in anderen Regionen stärker forschen, um unsere Produkte etwa in Indien, China oder Amerika noch stärker an regionale Bedürfnissen anpassen zu können.

Droht angesichts der Mengenrückgänge in der Altana-Produktion womöglich wieder Kurzarbeit, so wie 2009?

Wolfgruber: Nein, absolut nicht. Wir haben aus der Krise 2008/2009 gelernt, so dass wir schnell reagieren können, ohne uns die Zukunft zu verbauen. Deshalb ist für uns jetzt ganz wichtig, nicht etwa schon vorauseilend auf die Bremse zu treten. Wir geben weiter Gas, sind aber in der Lage zu reagieren, wenn die Wegstrecke schlechter wird. Heute sehe ich nicht einmal am Horizont eine Notwendigkeit für Kurzarbeit. Wir sehen ja in unseren Auftragseingängen keine Eintrübung, sondern wappnen uns lediglich für mögliche zunehmende konjunkturelle Risiken.

Sie peilen eine Gewinnmarge von 18 bis 20 Prozent an. Das dürfte nur funktionieren, wenn Sie weiter ihre hohen Preise durchsetzen und zum Teil noch erhöhen können.

Wolfgruber: Wir bleiben da zuversichtlich, schließlich speist sich diese Marge auch aus der Fähigkeit, uns im Wettbewerb zu differenzieren. Wenn wir rein austauschbare Produkte anbieten würden, könnten wir diese Marge nicht halten. Letztlich brauchen wir diese Marge aber auch, um so stark in Forschung und die Entwicklung neuer Innovationen investieren zu können.

Unlängst hat sich Altana eine neue Kreditlinie gesichert. Das klingt weiter nach Zukäufen und nicht danach, nun wegen möglicher Risiken das Geld zusammenzuhalten…

Auch interessant

Wolfgruber: Auf jeden Fall! Unsere Finanzierung haben wir auf neue Beine gestellt, weil die bestehende 2013 ausgelaufen wäre. Aber wir haben eine sehr starke Bilanz und netto keinerlei Verschuldung. Das gibt uns viel Spielraum, und unser Wille zu wachsen – intern und durch Zukäufe – ist ungebrochen. Wir werden jedoch auch weiter nicht um der Größe Willen wachsen, sondern nur, wenn wir dadurch Werte schaffen.

Gibt es da Konkretes?

Wolfgruber: Themen, über Zukäufe nachzudenken, haben wir immer – aber wir werden sie weiter erst nach Vertragsabschluss verkünden.