Berlin. . Pestizide in Textilien, gesundheitsgefährdende Stoffe im Spielzeug: Welche Schnellwarnsysteme es gibt und wie Sie Hersteller, Verkäufer oder Importeur zur Auskunft zwingen können.

Niedlich sehen sie aus, die schwarz-weißen Pantoffeln mit den kleinen Hündchen darauf. Dass sie gefährlich werden würden, konnte Mutter Jenny nicht ahnen. „Meine Große lag zwei Wochen in der Klinik, offene Füße, bis zu den Knien hoch rot!“, schreibt sie im Internet. Den Ärzten zufolge sei die Erkrankung des Kindes eine Reaktion auf die Chemikalie DMF in den Schuhen gewesen. Gift in Kleidung, Schuhen, Spielzeugen sind keine Seltenheit. Was Verbraucher beachten müssen.

Welche giftigen Stoffe können Shirts oder Puppen enthalten?

Verbraucherschutzorganisationen und Kontrollbehörden haben bei Tests unter anderem Dimethylfumarat (DMF) entdeckt. In der Europäischen Union ist das Biozid, das starke Allergien auslösen kann, verboten. Ebenfalls nachgewiesen: krebserregende Azofarbstoffe, allergenes Chrom-VI oder Weichmacheröle, die unerlaubte Substanzen enthalten.

Welche gesetzliche Regel gibt es zu den bedenklichen Inhaltsstoffen?

Nur ganz wenige Stoffe sind verboten. Und nur für wenige bedenkliche Stoffe gibt es Grenzwerte. Eine vernünftige Regelung sei das keineswegs, meint Dirk Petersen, Umweltexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) fordert noch mehr Transparenz von den Herstellern. „Zusätzlich helfen würde eine Kennzeichnungspflicht auf Verpackungen, die besonders besorgniserregende Stoffe klar ausweist“, sagt vzbv-Chef Gerd Billen.

Wie kommen die gefährlichen Waren nach Deutschland?

„Massenhaft kommt mangelhafte Ware aus China“, sagt Dirk Petersen. 132,2 Millionen Tonnen Ware sind im vergangenen Jahr allein im Hamburger Hafen umgeschlagen worden. Die Beamten des Zolls stehen jeden Tag vor einer Herausforderung. Haben sie den Verdacht, ein Produkt ist nicht sicher, informieren sie die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Hamburg. „Bei der Masse der Container sind bei einzelnen Waren nur stichprobenartig Kontrollen möglich“, erläutert Behörden-Sprecher Rico Schmidt.

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Und: Die deutsche Seegrenze ist nur eine von vielen Eingangsgrenzen in die Europäische Union. „Sind die Sachen einmal in der EU, werden sie an den Grenzen in der Regel nicht mehr kontrolliert und gelangen in die Geschäfte“, sagt Schmidt.

Welche Anzeichen für Chemikalien in Produkten gibt es?

Wer im Geschäft schon wissen möchte, ob er ein giftiges Produkt in den Händen hält, sollte einfach einmal daran schnuppern. „Riechen die Schwimmflügel streng nach Chemie, kann man davon ausgehen, dass davon auch viel im Produkt steckt“, sagt Monika Büning, Referentin für Umwelt und Produktsicherheit beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv). Stinkt ein Spielzeug beispielsweise nach Mineralöl oder Teer, ist das möglicherweise ein Hinweis darauf, dass bei der Herstellung krebserregende Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) zum Einsatz kamen. Um sehr billige Produkte, bei denen noch nicht einmal ein Hersteller zu erkennen ist, sollten Verbraucher einen Bogen machen.

Wie können sich Verbraucher über gefährliche Produkte informieren?

Ein Blick in das Schnellwarnsystem der Europäischen Kommission namens RAPEX (online unter http://ec.europa.eu/rapex) zeigt, vor welchen gefährlichen Spielzeugen, Textilien oder anderen Konsumgütern die EU-Behörden derzeit warnen. Im März meldete RAPEX zum Beispiel die oben erwähnten, mit DMF belasteten Hunde-Schläppchen der Marke Rebecca Bonbon.

Das Schnellwarnsystem RAPEX

Ganz oben auf der Liste des EU-Schnellwarnsystems für gefährliche Produkte namens RAPEX stehen Bekleidung, Textilien, Spielzeug und Kraftfahrzeuge. Zu viel Chemie steckt zum Beispiel immer wieder in Lederhandschuhen oder -jacken, in Plastikpuppen oder Scoubidou-Bändern. Auch Arbeitshandschuhe, Socken oder Gummistiefel tauchen regelmäßig in der Liste auf. Eine Rekordzahl von 2244 unsicheren Produkten meldete RAPEX 2010. 58 Prozent der Produkte stammten aus China. 17 Prozent kamen aus Europa und 15 Prozent aus Drittländern. Bei zehn Prozent der gemeldeten Waren konnten die Behörden den Ursprung nicht ermitteln.

Im Juli stand eine Damenlederjacke von C&A auf dem Index. Allerdings hatte das Modeunternehmen schon im Januar das Kleidungsstück freiwillig aus den Läden genommen.

Ich hab das Produkt meines Begehrens nicht auf der RAPEX-Liste gefunden, bin trotzdem unsicher. Was kann ich tun?

Laut europäischer Chemikalienverordnung haben Verbraucher ein Recht zu erfahren, ob in Produkten besonders besorgniserregende Stoffe stecken. Das Auskunftsrecht besteht schon seit 2007, wurde bisher aber kaum genutzt. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und das Umweltbundesamt (UBA) haben ein deshalb ein Online-Formular entwickelt, das helfen soll. Für die automatische Anfrage an Händler, Hersteller oder Importeur benötigen Verbraucher Produktname und Produktnummer, die unter dem Strichcode steht.

Die Firmen sind zur kostenlosen Auskunft verpflichtet – unabhängig davon, ob der Verbraucher das Produkt überhaupt kaufen möchte. Das Formular ist online zu finden. Demnächst soll das Online-Formular auch als App verfügbar sein. Nachteil: Es braucht einen langen Atem: Die Unternehmen müssen erst innerhalb von 45 Tagen kostenlos antworten.

Es heißt: Neue Kleidungsstücke vor dem ersten Tragen waschen. Hilft das?

Teilweise. Durch das Waschen werden wenigstens ein Teil der Chemikalien entfernt. Besonders für Babys- und Kleinkinder kann aber auch der Kauf von Kleidung aus zweiter Hand eine Alternative sein.